Zukunftsbranchen Hier haben deutsche Unternehmen die Nase vorn

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Energiespeicher: Sprit aus Wasser

Wie Wasserstoff als Energiepuffer, Kohlekraft und bezahlbarer Strom zusammenpassen? Das erklärt der Vorstandschef des Chemieunternehmens Dow Deutschland, Ralf Brinkmann.
von Benjamin Reuter, Sebastian Matthes

Eines der größten Probleme der Energiewende wird sich in den kommenden Wochen wieder zeigen: Im Winter, wenn der Himmel über Deutschland grau und der Wind still ist, produzieren grüne Kraftwerke kaum noch Energie. An manchen Tagen decken Solar- und Windanlagen, die über das Jahr gesehen rund 20 Prozent des deutschen Strombedarfs liefern, dann nur ein Prozent der benötigten Leistung. Im Frühjahr und Herbst liefern die Anlagen dagegen regelmäßig viel zu viel Strom.

Eine der besten Möglichkeiten, um die Energieproduktion in den verschiedenen Jahreszeiten zu versöhnen, ist, den Strom in Wasserstoff umzuwandeln. Bei dem Elektrolyse genannten Verfahren spaltet vereinfacht gesagt ein Elektroschock Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff kann in Kavernen oder Tanks beinahe unbegrenzt lagern. Autos können ihn tanken und Kraftwerke ihn mit Erdgas vermischt in Wärme oder Strom verwandeln.

Wasserstoff als Energieträger ist so vielseitig, dass prominente US-Wissenschaftler wie Jeremy Rifkin von einer ganzen Wasserstoffwirtschaft träumen, in der Kohle, Öl und Atom obsolet werden. Daimler-Chef Dieter Zetsche ist sogar überzeugt, dass „Wasserstoff das bessere Öl ist“.

Aber das Öl der Zukunft ist ohne Elektrolyse kaum in Massen herzustellen. Bisher reichte für die Anwendungen in der Chemieindustrie der Wasserstoff, der in Nebenprozessen anfiel oder auch aus Erdgas, Erdöl oder Kohle gewonnen wurde. Für Elektrolyse-Anlagen, die den Energieträger aus Wasser gewinnen, fehlte schlicht die Nachfrage. Die Geräte, die aktuell in Betrieb sind, stellen weltweit rund 40 Unternehmen in Handarbeit her. Führend sind hier vor allem in Europa unbekannte US-Schmieden wie Giner oder Proton Energy Systems. Technische Fortschritte gab es auf dem Gebiet der Wasserelektrolyse in den letzten Jahrzehnten kaum, wie eine Studie von Forschern des Fraunhofer-ISE zeigte. Aber das könnte sich bald ändern.

Denn jetzt, wo Wasserstoffautos etwa von Hyundai und Toyota auf die Straße kommen und weltweit immer mehr grüne Energie erzeugt wird, beginnen deutsche Konzerne wie Siemens und ThyssenKrupp, effizientere Elektrolyse-Maschinen zu entwickeln. Bis 2015 will Siemens sowohl kleine Geräte für die Serienproduktion auf den Markt bringen als auch fußballfeldgroße Anlagen, die den überschüssigen Strom ganzer Windparks verarbeiten können. Der Aufwand könnte sich lohnen: Allein in Norddeutschland wären für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft Investitionen von rund einer halbe Milliarde Euro nötig, errechneten kürzlich die Analysten von Ernst & Young.

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