Es ist die Auseinandersetzung des Jahres in der Tech-Branche. Wie schlägt sich ChatGPT, der viel diskutierte ChatBot von OpenAI und das Fundament von Microsofts Bing Chatbot, gegen Bard, den ChatBot der dominanten Suchmaschine Google sowie mit Abstand wichtigsten Umsatzbringer des Alphabet-Konzerns?
Runde 1 ging für Google verloren, weil bei der ersten öffentlichen Präsentation von Bard Anfang Februar in Paris gepatzt wurde. Googles KI-Assistent behauptete auf dem Event, das James-Webb-Weltraumteleskop habe im September 2022 als erstes Bilder eines Planeten außerhalb unseres Sonnensystems gemacht. Tatsächlich kommt diese Ehre dem Teleskop der Europäischen Südsternwarte in der Atacama-Wüste in Norden Chiles zu und gelang bereits 2004. Eine Blamage mit weitreichenden Folgen: Die Google-Aktie verlor nach dem Patzer fast acht Prozent an Wert.
Seitdem liegen die Nerven noch blanker im Google-Hauptquartier. Die waren durch die erste Massenentlassung in der Geschichte des Unternehmens im Januar ohnehin schon angespannt wie nie. Im Silicon Valley laufen schon Wetten, wie lange sich Google-CEO Sundar Pichai noch halten kann. Denn eigentlich ist Google ein Pionier in Sachen Künstlicher Intelligenz. Doch der Konzern wartete zu lange, sie auch einzusetzen – wohl auch aus Furcht, das eigene Geschäftsmodell zu unterminieren. „Sundar ist ein toller Typ, aber hier war er zu vorsichtig“, kommentiert Risikokapitalgeber Ram Srinivasan.
Google muss deshalb einen Zahn zulegen. Zumal ChatGPT derzeit auf eine neue Generation umschaltet, die aktuellere Informationen verarbeiten soll.
80.000 „Googler“ bereiteten deshalb Bard in den vergangenen Wochen für den ersten öffentlichen Test durch normale Internet-Nutzer vor. Selbst die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page sollen aus ihrem Ruhestand aktiviert worden sein.
Im März hat Google-CEO Pichai den Start von Bard als „Experiment“ angekündigt, was die Google-Aktie gleich um rund vier Prozent hob. „Ein paar Dinge werden schiefgehen“, prophezeite Pichai vorab. Deshalb tastet sich Google auch sehr vorsichtig voran. Bard wird nicht gleich weltweit, sondern zunächst nur in Nordamerika und Großbritannien – im englischsprachigen Raum also – freigeschaltet.
ChatGPT vs. Google Bard: KI im Selbsttest
Ich persönlich nutze die freie Version von ChatGPT seit ein paar Wochen und bin von dessen Fähigkeiten angenehm überrascht. Bei Google Bard ließ ich mich sofort auf die Warteliste setzen und habe seit Donnerstagmorgen kalifornischer Zeit nun Zugriff. Von Googles Pressestelle gab es keinerlei zusätzliche Hilfestellung, genauso wenig wie schon bei ChatGPT.
ChatGPT: Wie die KI funktioniert und welche Einsatzgebiete es gibt
OpenAI wurde 2015 als gemeinnützige Forschungs- und Entwicklungsorganisation vom Tesla- und Twitter-Chef Elon Musk sowie dem Technologie-Investor Sam Altman gegründet. Zu den Investoren zählt außerdem der PayPal-Mitgründer Peter Thiel. Im Jahr 2019 wurde ein gewinnorientierter Ableger gegründet, um externe Investitionen einzusammeln. Auch der Software-Konzern Microsoft sicherte sich Anteile an dem Unternehmen, dass bei der jüngsten Finanzierungsrunde Insidern zufolge mit 20 Milliarden Dollar bewertet wurde.
Musk verließ den Verwaltungsrat von OpenAI 2018, lobte ChatGPT auf Twitter allerdings als "erschreckend gut". Allerdings kündigte er später an, den Zugriff von OpenAI auf die Datenbank des Kurznachrichtendienstes vorerst zu sperren. Er habe gerade erst erfahren, dass OpenAI die Daten nutze, um die KI zu trainieren.
Mögliche Anwendungsbereiche für das Programm sind Digital-Marketing oder die Beantwortung von Kunden-Anfragen. Einige Nutzer habe ChatGPT sogar dafür genutzt, Software-Code auf Fehler zu prüfen.
OpenAI zufolge kann ChatGPT einen menschlichen Dialog simulieren, Nachfragen beantworten, Fehler eingestehen, falsche Annahmen revidieren und unangemessene Anfragen zurückweisen. Trainiert werde die Künstliche Intelligenz nach der Methode "Reinforcement Learning from Human Feedback (RLHF)". Dabei bewerten Menschen Schlussfolgerungen, die die Software zieht, um künftige Ergebnisse zu verbessern.
ChatGPT versucht Fragen von Nutzern zu verstehen und in einer schriftlichen Konversation so zu beantworten, wie es ein Mensch täte.
OpenAI hat eingeräumt, dass ChatGPT die Tendenz hat, „plausibel klingende, aber falsche oder sinnlose Antworten" zu liefern. Die Behebung dieses Problems sei schwierig. Außerdem können durch KI Vorurteile zu ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder Kultur weiterverbreitet werden. Auch Google und Amazon hatten mit ethisch fragwürdigen Entscheidungen ihrer jeweiligen KI-Projekte zu kämpfen. Bei anderen Unternehmen mussten Menschen eingreifen, um ein durch die Software verursachtes Chaos einzudämmen.
Der erste Eindruck: Rein subjektiv kann ChatGPT mehr als Google Bard. Der ChatBot von OpenAI beherrscht mehrere Sprachen, laut eigener Auskunft neben Englisch auch Spanisch, Französisch, Deutsch, Japanisch und Russisch. Bard hingegen kann derzeit nur auf Englisch parlieren, für mehr hat ihn Google nicht freigeschaltet. Was erstaunlich ist, denn Google hat in die automatische Übersetzung von Sprachen in den vergangenen zwanzig Jahren Milliarden von Dollar investiert. Man sollte annehmen, dass der Konzern diesen Vorteil ausspielt.
Was außerdem auffällt: Bard ist wesentlich schneller als ChatGPT. Die Antworten kommen fast ohne Verzögerung, während man ChatGPT dabei zusehen kann, wie der Cursor sich langsam bewegt und Antworten entstehen. Was allerdings auch daran liegen kann, dass OpenAI vermeiden will, dass die Nutzer bei ihren Experimenten zu viel Rechenkapazität unnütz verwenden, weil sie beispielsweise Antworten nicht abwarten.
Außerdem drängt sich der Eindruck auf, dass ChatGPT experimentierfreudiger ist. Die Frage „Ist Matthias Hohensee ein Journalist?“ bejaht ChatGPT. Die Information, dass ich für die WirtschaftsWoche arbeite, ist ChatGPT hingegen entgangen. Stattdessen behauptet der ChatBot, dass ich für „Der Spiegel“, „Deutsche Welle“ und „Die Zeit“ tätig sei. Das ist falsch, wobei es sein kann, dass „Die Zeit“ über die Zusammenarbeit mit der WirtschaftsWoche Texte von mir übernommen hat.
Bard hingegen lehnt es ab, die Frage überhaupt zu beantworten. Der Bot zieht sich darauf zurück, dass er nicht genügend Informationen habe. Dabei hat die Google-Suchmaschine viele Informationen – meist korrekt – über mich, auch in englischer Sprache. Ein Indiz, dass der Index der Google-Suchmaschine und der von Bard nicht so eng verbunden sind, wie Google behauptet.