Nach Tech-Crackdown Chinas Tech-Riesen schöpfen wieder Hoffnung

In den vergangenen zwei Jahren führten die harten Maßnahmen der chinesischen Regierung dazu, dass Werte der Techfirmen Alibaba, Tencent und Meituan bis zu 70 Prozent an Wert verloren. Quelle: imago images

Seit eineinhalb Jahren geht Peking hart gegen Alibaba und Co. vor. Doch weil die Wirtschaft schwächelt, scheint sich ein Umdenken anzudeuten. Geht es für die gescholtenen Konzerne nun auch an der Börse wieder bergauf?

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Geht es um chinesische Tech-Aktien, liegen die Nerven von Investoren nach wie vor blank. Jedes Gerücht kann panische Kurstürze auslösen, wie erneut an diesem Dienstag deutlich wurde. Chinesische Staatsmedien berichteten, dass in der ostchinesischen Metropole Hangzhou der Manager einer IT-Firma, dessen Nachname Ma laute, festgenommen worden sei. Sofort gingen Anleger vom Schlimmsten aus. Der Aktienkurs von Alibaba rauschte in den Keller, schließlich hat der größte Internethändler des Landes seinen Sitz in Hangzhou und wurde von Milliardär Jack Ma gegründet. Erst nachdem die örtliche Polizei klarstellte, dass es sich bei dem Festgenommenen nicht um den Tech-Milliardär handelte, erholte sich der Alibaba-Kurs wieder.

Der kurzzeitige Kurssturz um rund zehn Prozent zeigt jedoch, wie gewaltig das Vertrauen von Aktionären in den vergangenen eineinhalb Jahren des chinesischen Tech-Crackdowns beschädigt worden ist. Verdenken kann man es ihnen nicht. Die harten Maßnahmen der chinesischen Regierung führten dazu, dass Werte wie Alibaba, Tencent und Meituan, die vor zwei Jahren noch die großen Stars der chinesischen Internet-Wirtschaft waren, bis zu 70 Prozent an Wert verloren haben.

Doch immer deutlicher lassen sich Anzeichen eines Umdenkens der Regierung erkennen. Bereits Mitte März sicherte der Pekinger Staatsrat so in einer Erklärung zu, die Märkte stabil halten zu wollen. Die Regierung werde sicherstellen, dass jede Regulierung mit „erheblichen Auswirkungen auf die Kapitalmärkte“ im Voraus mit den Finanzbehörden koordiniert werde, sagte der für die Wirtschaftspolitik verantwortliche Vizepremier Liu He. Der Staatsrats-Ausschuss für Finanzstabilität und Entwicklung versprach zudem in einer kurzen Erklärung das Vorgehen gegen Big Tech „so schnell wie möglich“ abzuschließen.

Ende April legte die Führung noch einmal nach. In einer weiteren Erklärung des Staatsrates hieß es, dass der Internetindustrie eine „gesunde Entwicklung“ ermöglicht werden soll. Noch wichtiger: Wie unter anderem die Zeitung „South China Morning Post“ und die Nachrichtenagentur Reuters übereinstimmend berichteten, soll in den Tagen nach den Mai-Feiertagen, die am Mittwoch endeten, ein Treffen auf höchster Ebene stattfinden. Präsident Xi Jinping und andere politische Top-Führer wollen sich demnach mit den Bossen der Tech-Firmen zusammensetzen.

Die Kernbotschaft an Technologieunternehmen werde sein, dass der Staat sie wachsen sehen möchte, schreibt die „South China Morning Post“ unter Berufung auf eine mit dem Vorgang vertraute Quelle. Auch sollen die Tech-Firmen eingebunden werden, um den durch die strengen Corona-Maßnahmen ausgelösten wirtschaftlichen Abschwung der zweitgrößten Volkswirtschaft zu bremsen. So könnten die Firmen etwa dabei helfen, über ihre Plattformen Konsumgutscheine an die Bevölkerung auszugeben.

Dass Peking die zuvor gescholtenen Tech-Konzerne nun wieder ins Boot holen will, könnte laut Analysten dazu führen, dass auch die Aktien-Kurse der Firmen nach einer eineinhalbjährigen Talfahrt endlich einen Boden finden werden. Erste Investoren scheinen genau darauf zu wetten. Seit der chinesische Staatsrat Mitte März die ersten Entspannungszeichen sendete, hat der NASDAQ Golden Dragon China Index, der chinesische Tech-Werte abbildet, gegen den breiten Marktrend um 26 Prozent zugelegt. Dennoch dürften viele Anleger nach wie vor auf hohen Verlusten sitzen. Gerechnet von seinem Höchsttand im Februar 2021 liegt der Dragon-Index noch immer mehr als 60 Prozent im Minus.

Selbst, wenn Peking seinen Kurs gegenüber den Tech-Riesen nun ändern sollte. Sämtliche Risiken können mit Sicherheit nicht über Nacht ausgeräumt werden. Mit Problemen kämpfen Alibaba und Co. schließlich nach wie vor auch in den USA. Schon länger fordert die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC von den rund 280 in den USA gelisteten Unternehmen aus China, sich vollständig an US-Bilanzierungsvorschriften zu halten. Die SEC will bei den chinesischen Firmen die gleichen umfänglichen Durchgriffsrechte durchsetzen wie bei US-Unternehmen. Bisher gelingt das aber in vielen Fällen nicht, weshalb die Behörde gedroht hat, dass chinesische Firmen im schlimmsten Fall von US-Börsen ausgeschlossen werden könnten.

Zwar gehen wenige Beobachter so weit wie die US-Investmentbank JPMorgan, die Chinas Tech-Branche im März als „nicht investierbar“ bezeichnete. Dennoch werden sich Anleger weiterhin auf Kursschwankungen einstellen müssen.

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