
Shivaun und Adam Raff essen zu Abend, als die SMS kommt. Es ist eine Warnung. Das Ehepaar hat seine Preissuchmaschine Foundem so programmiert, dass sie einen Alarm absetzt, sobald sie ungewöhnlich viele Zugriffe verzeichnet. Shivaun Raff erschrickt. Ihr erster Gedanke: Hacker versuchen, die Webseite lahmzulegen, die auf Anfrage die günstigsten Angebote für Fernseher, Sessel oder Armbanduhren ausspuckt. Doch es sind keine Hacker. Es sind Fernsehzuschauer, die sich an diesem kühlen Winterabend zu Tausenden daran machen, Foundem auszuprobieren. Die „Gadget-Show“, eine der wichtigsten Technologiesendungen des Landes, hat die Preisvergleichsmaschine der Raffs soeben zur besten in Großbritannien gekürt.
Die Milliardenstrafe ist nur eine Etappe
„Das war für uns der Wendepunkt“, erinnert sich Adam Raff: „Wir dachten, dass wir endlich an dem Punkt sind, an dem Google uns nicht länger ignorieren kann.“ Google sperrte Foundem damals, im Dezember 2008, von seinen Suchergebnissen aus. Der US-Konzern behauptete, den Menschen im Internet gute Dienste zu leisten, und unterschlug ausgerechnet die beste Preisvergleichswebseite des Landes. Damit würde Google nun nicht durchkommen, dachten die Raffs.
Sie irrten. Der wahre Wendepunkt sollte mehr als acht Jahre auf sich warten lassen.
Das Ehepaar, das vor den Toren Londons lebt, beide Entwickler von Beruf, hat jenes Wettbewerbsverfahren angestoßen, in dem die Europäische Kommission kürzlich eine Strafe von 2,4 Milliarden Euro gegen Googles Mutterkonzern Alphabet verhängte. Der Techgigant wird seine Suchmaschine in Europa nun von Grund auf ändern. Und er wird der Kommission regelmäßig Rechenschaft über seine Algorithmen ablegen müssen. Der erste Bericht muss in spätestens 90 Tagen vorliegen; weitere Dokumentationen fordert Brüssel bis 2022 alle vier Monate.





Wenn Google die Auflagen nicht erfüllt, kann es für den Silicon-Valley-Konzern sogar noch teurer werden. „Wir können Strafen in Höhe von fünf Prozent des weltweiten Umsatzes von Googles Muttergesellschaft Alphabet verhängen“, sagt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Dies ist keine leere Drohung. Im Falle des Softwarekonzerns Microsoft fiel das Zwangsgeld am Ende wesentlich höher aus als die ursprüngliche Kartellbuße der EU.
Für die Raffs bedeutet dies: hoffen, bangen – und vor allem warten, dass Google endlich einlenkt. Ihre Preissuchmaschine hat das Paar derweil eingemottet.
Die Geschichte der beiden verrät viel über die Mechanismen von Wettbewerb im Internet. Darüber, dass es sich die mächtigen Internetkonzerne zu einfach machen, wenn sie behaupten, die Konkurrenz sei doch nur einen Klick entfernt. Und auch darüber, wie viel Ausdauer ein Kleiner braucht, wenn er sich mit den Großen anlegt.
Adam Raff trägt Nike-Sneakers und Jeans zum Jackett; seine 50 Jahre sieht man ihm nicht an. Seine zwei Jahre jüngere Frau hat ihre blonden Haare zusammengebunden, trägt einen grauen Blazer über der schwarzen Bluse: „Mein ganzer Kleiderschrank sieht so aus, das erleichtert die Auswahl des Outfits.“ Die beiden Raffs nennen sich selbst „Hardcore-Techies“. Mehr als zehn Jahre ist es her, dass sie Foundem gegründet haben. Sie gaben gut bezahlte Jobs auf, für ein tolles Produkt, eine geniale Geschäftsidee, wie sie glaubten. Vielleicht war das naiv. Kein Gut setzt sich nur deshalb durch, weil es das bessere ist. Auch nicht im Netz.