Ex-Allianz-Manager Tournant Allianz: Wer ist der Mann hinter dem Hedgefonds-Debakel?

Der Hedgefonds-Skandal des Münchener Versicherers Allianz schlägt immer höhere Wellen. In den USA musste nun der langjährige Allianz-Manager Gregoire Tournant 20 Millionen Dollar Kaution für seine Freiheit hinterlegen. Quelle: dpa

Er war Chef-Investor für mehrere „Structured Alpha"-Fonds: Greg Tournant. Im Hedgefonds-Skandal der Allianz hätte ihn seine Schlüsselrolle nun fast die Freiheit gekostet.

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20 Millionen Dollar musste Gregoire Tournant am Dienstag beim Bundesgericht in Denver als Kaution hinterlegen, ein Teil davon in Form seiner fünf Grundstücke im US-Bundesstaat Colorado, dann war er wieder frei. Seine beiden Reisepässe – den französischen und den US-amerikanischen – hatte der langjährige Allianz-Manager schon vor Monaten abgegeben. Am 2. Juni soll dem 55-Jährigen in New York die Anklage eröffnet werden. Betrug, Wertpapierbetrug, Verschwörung und Behinderung werfen die US-Behörden Tournant vor, dem einstigen Chief Investment Officer für die „Structured Alpha"-Fonds von Allianz Global Investors, die in der Corona-Krise in die Knie gingen, obwohl sie gerade solchen Stürmen an den Märkten widerstehen sollten.

2002 war Tournant zu dem Allianz-Vermögensverwalter gekommen, 2005 rief er die „Structured Alpha"-Fonds ins Leben. Sie wurden vor allem an Pensionsfonds verkauft, konservative Anleger, die die Altersversorgung von Lehrern in Arkansas oder U-Bahn-Fahrern in New York sichern sollten. 60 Millionen Dollar hat Tournant damit über die Jahre verdient, 13 Millionen waren es allein 2019.

„Allrad-Fahrzeuge“ fuhren einen zu heißen Reifen

Noch im Februar 2020, ein paar Wochen bevor die Allianz die elf Milliarden Dollar schweren Hedgefonds nach hohen Verlusten abwickeln musste, hieß es in deren Marketing-Unterlagen: „Heute sind wir so gut vorbereitet wie immer, wenn es zu schweren Marktverwerfungen kommen sollte.“ Das beste Umfeld für die „Structured Alpha"-Fonds sei, wenn es an den Märkten mit hoher Volatilität abwärtsgehe, sagte Tournant mit leichtem französischen Akzent in einem Video aus dem Jahr 2016, das Reuters vorliegt. In den Werbebroschüren erklärte er, die Fonds seien keine Rennwagen, sondern Allrad-Fahrzeuge für unwegsames Gelände.

Doch das war nach Erkenntnissen der Ermittler schlichtweg gelogen. Die Fondsmanager fuhren einen heißen Reifen. Die Absicherungspositionen, komplexe Optionen, die die Investoren vor Verlusten schützen sollten, hätten sie oft gar nicht erst gekauft. Stattdessen fälschten Tournant und ein Mitarbeiter 75 Risikoberichte, die von einer Schwesterfirma kamen, bevor sie an die Kunden weitergeleitet wurden und stellten die Risiken kleiner dar, als sie waren. Mindestens seit 2014 sei das so gegangen, erklärte das US-Justizministerium. Als die Allianz am 25. März 2020 die Reißleine zog, fehlte Tournant seit mehreren Wochen krankheitshalber.

Darauf beriefen sich am Dienstag auch seine Anwälte Seth Levine und Daniel Alonso, die ihren Mandanten zu Unrecht in der Schusslinie sehen. Die Verluste seien „bedauerlich“, sie hätten aber nichts mit kriminellem Verhalten zu tun, sie seien vielmehr die Folge der Marktverwerfungen. Tournant gehöre selbst zu den Leidtragenden, weil auch er beträchtliche Summen in die Fonds investiert habe. „Der Versuch der Regierung, sie (die Verluste) als Ergebnis eines Verbrechens zu charakterisieren, ist nicht nur ehrverletzend und beschädigt Gregs Existenz, sie ist auch sehr gefährlich für den Markt als solches.“ Er werde sich vor Gericht gegen die Vorwürfe vehement verteidigen. Die beiden Fondsmanager, die unter ihm arbeiteten, haben sich bereits als schuldig bekannt.

„Der Polizist hat geschlafen“

Allianz Global Investors hatte Tournant im Dezember 2021 „wegen Verletzung von Unternehmensvorschriften“ entlassen. Von den Manipulationen habe außerhalb seines kleines Teams niemand gewusst, betonte der Münchner Versicherungskonzern. Anwälte und Wirtschaftsprüfer hätten 20.000 Mannstunden gebraucht, um sich durch die Dokumente zu wühlen, hieß es in München. Dabei hatte Tournant sich gegenüber Kunden oft auf die Reputation der Allianz berufen. Sie sei der „Polizeichef“, sagte er 2014, und „überwacht jede Position, die ich eingehe“. Doch Staatsanwalt Damian Williams sagte, niemand bei der Allianz habe Tournant auf die Finger geschaut: „Der Polizist hat geschlafen.“

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Dieses ausgiebige Nickerchen kostet die Allianz fast sechs Milliarden Dollar – der Löwenanteil für die Entschädigung der Anleger, der Rest für Strafen, die das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC verhängten. 400 Millionen Dollar Gebühren hatte sie mit den Fonds verdient – ein schlechtes Geschäft. In den USA darf sich Allianz Global Investors in den nächsten zehn Jahren nicht mehr bei Kunden sehen lassen. Da sei viel Vertrauen verspielt worden, kritisiert Michael Peters von der Verbraucherorganisation Finanzwende. „Die Allianz muss sich das genau anschauen.“

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