
Berufung statt Beruf? Von wegen. Viele Arbeitnehmer sind mit der eigenen Arbeitssituation unzufrieden. Das geht aus einer Studie des Bundesarbeitsministerium hervor, die an diesem Dienstag auf einer Konferenz zur Zukunft der Arbeit vorgestellt wird. Demnach entspricht nur für knapp ein Fünftel der Befragten die eigene Arbeitssituation in etwa dem persönlichen Idealbild. 45 Prozent der Befragten sehen die eigene Arbeitssituation dagegen weit davon entfernt. In den Augen der Befragten hat sich seit den 90er Jahren die reale Arbeitswelt immer weiter vom Ideal des Wünschenswerten entfernt.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will in Berlin eine Zwischenbilanz vorlegen zu dem bereits seit Monaten andauernden Projekt "Arbeit 4.0". Dabei werden Chancen und Risiken von Veränderungen der Arbeitswelt ausgelotet. Mit uns hat sie bereits vorher über ihre Pläne sowie die Hoffnungen und Ziele der deutschen Arbeitnehmer gesprochen.
WirtschaftsWoche: Frau Nahles, kommende Woche ziehen Sie Halbzeitbilanz ihrer Ideenwerkstatt Arbeiten 4.0. Sie haben untersuchen lassen, wie Deutsche ihre Berufswelt einschätzen. Wie schätzen Sie denn Ihre eigene Arbeit ein?
Andrea Nahles: (lacht) Ich ordne mich da natürlich als Höchstleisterin ein, was denken Sie denn? Aber im Ernst: Mich hat bei der Auswertung der Studie überrascht, wie positiv und wichtig die Leistungsträger in Deutschland die Rolle des Staates bewerten. Unter ihnen finden sich etwa sehr viele Befürworter eines Mindestlohnes.
Zur Person
Nahles, 45, ist seit 2013 Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Davor war die gebürtige Rheinland-Pfälzerin von 2009 bis 2013 SPD-Generalsekretärin.
Ihre Studie zeigt vor allem: Den einen deutschen Arbeitnehmer gibt es nicht.
„One size fits all“: Diese Denke von gestern passt nicht mehr in die moderne Arbeitswelt. Was die Bürger von ihrer Arbeit wollen, was sie sich erhoffen oder was sie fürchten, ist höchst individuell. Wir haben es mit sehr unterschiedlichen Lebenssituationen und Wertewelten zu tun. Wir Politiker müssen daraus lernen: Es gibt in vielen Themen nicht mehr die eine gesetzliche Lösung, die allen gerecht wird.
Was sich die Deutschen von ihrem Arbeitgeber wünschen - und was sie bekommen
53 Prozent der Deutschen hätten gerne flexible Arbeitszeiten. Doch nur 46 Prozent bekommen sie auch.
Quelle: Umfrage "Traumarbeitgeber" des Direktversicherers Hannoversche
Für 44 Prozent wäre eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben wichtig. Nur 31 Prozent können sich tatsächlich darüber freuen.
Der Traumarbeitgeber zahlt für 41 Prozent mehr als branchenüblich. Tatsächlich so viel wie erträumt bekommen jedoch nur 16 Prozent.
27 Prozent sagen, dass ihr Traumarbeitgeber ihre betriebliche Altersvorsorge bezuschussen sollte. In den Genuss der Förderung kommen tatsächlich sogar 30 Prozent.
22 Prozent wünschen sich mehr Urlaub als normalerweise in der Branche üblich. Doch nur bei zehn Prozent wird dieser Traum auch wahr.
Für 13 Prozent sind kostenloses Essen und Getränke, wie z.B. Obst oder Mineralwasser wichtig. 20 Prozent bekommen Gratis-Essen und Getränke.
11 Prozent wünschen sich in ihrer Kantine auch gesundes Essen, statt immer nur Schnitzel und Currywurst. 18 Prozent können tatsächlich auch mal zum Salat greifen.
Fahrtkostenzuschüsse, z. B. für öffentliche Verkehrsmittel wünschen sich elf Prozent. Tatsächlich zur Verfügung stehen sie jedoch für 15 Prozent der Arbeitnehmer.
Acht Prozent legen Wert auf eine individuelle Arbeitsplatzgestaltung, z. B. angepasste Möbel und Pflanzen. Angeboten wird es für 14 Prozent.
Keine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit gibt es bei Zuschüssen zur Gesundheitsvorsorge, wie z. B. einem Zuschuss für den Beitrag im Fitnessclub. Sieben Prozent wünschen es sich, sieben Prozent bekommen es.
Einen Beauftragten, der sich um die Verbesserung des Betriebsklimas kümmert (Feel-Good-Manager) wünschen sich sechs Prozent der Deutschen. Tatsächlich haben ihn jedoch nur drei Prozent der Befragten.
Firmenvergünstigungen bei Veranstaltungen und beim Einkaufen wünschen sich nur vier Prozent, wobei zwölf Prozent solche Rabatte in Anspruch nehmen können.
Fußball, Rückenschule, Yoga: Nur drei Prozent legen Wert auf Betriebssport-Angebote. Dagegen können 13 Prozent solche Angebote nutzen.
Drei Prozent würden sich gerne am Arbeitsplatz massieren lassen, vier Prozent können sich tatsächlich einen Masseur an den Schreibtisch bestellen.
Außerdem können drei Prozent der Befragten am Arbeitsplatz kostenlose Angebote für Achtsamkeits- und Mediationstrainings wahrnehmen. Allerdings legen nur zwei Prozent tatsächlich Wert auf ein solches Angebot.
Forscher überbieten sich gerade in Prognosen, wann der letzte Job vernichtet sein wird. Sie auch?
Mich erinnert das an Jacques Derridas schönen Satz: Die Katastrophe ist nah, doch die Apokalypse ist von langer Dauer. Natürlich verändert sich gerade vieles. Und das ist für ein Land wie Deutschland, in dem sich Menschen stark über ihren Job definieren, eine besondere Herausforderung. Aber unsere Arbeitnehmer sind dadurch weder gelähmt, noch gehen sie mit naivem Optimismus an die digitale Arbeitswelt heran.