Bankenkrise Ziemlich klamme Retter

Quelle: PR

Politiker verteilen Beruhigungspillen, einspringen werden aber letztlich wieder die Notenbanken. Das Spiel ginge in die nächste Runde. 

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„Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Das sagten im Oktober 2008 die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Peer Steinbrück vor dem Bundeskanzleramt vor versammelter Presse. Wie damals in der Finanzkrise verteilen auch jetzt wieder Politiker verbale Beruhigungspillen an die Sparer.

„Die Amerikaner können sich darauf verlassen, dass unser Bankensystem sicher ist. Ihre Einlagen sind sicher“, sagte US-Präsident Joe Biden nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank. Seiner Regierung droht allerdings nach Prognosen des Budgetbüros des US-Kongresses ohne Anhebung der Schuldenobergrenze zwischen Juli und September der Zahlungsausfall.

Bundesfinanzminister Christian Lindner ließ auch nicht lange auf sich warten. Deutschland habe mit der BaFin eine leistungsfähige Finanzaufsicht. Zudem gebe es die Bundesbank, die ebenfalls eine stabilitätspolitische Tradition habe. Man könne daher sagen, das deutsche Kreditwesen mit privaten Banken, Sparkassen und genossenschaftlichen Instituten sei stabil und dafür sorge man auch weiter. 

Die Abstürze der Credit Suisse und der Silicon Valley Bank lassen die Finanzwelt beben. Sie sind keine Einzelfälle. Der überfällige Zinsanstieg wird weitere Banken durchrütteln.
von Melanie Bergermann, Malte Fischer, Julian Heißler, Matthias Hohensee, Michael Kroker, Theresa Rauffmann, Anton Riedl, Dieter Schnaas, Hendrik Varnholt, Sascha Zastiral, Lukas Zdrzalek

Doch auch Lindner ist nach der Ausgabenorgie seiner Kabinettskollegen ein ziemlich klammer Retter. So tiefe Taschen hat auch er nicht. Rechnete die Politik ehrlich, dann steuert Deutschland in diesem Jahr auf ein Staatsdefizit von zehn Prozent der Wirtschaftsleistung zu. Nur nach der deutschen Wiedervereinigung war das Defizit ähnlich hoch. 

Demgegenüber steht ein Geldvermögen der Deutschen von 7500 Milliarden Euro, davon geparkt etwa 40 Prozent auf Giro-, Tages- und Festgeldkonten bei den Banken. Die große Frage: Kann eine Regierung eine solche Summe im Zweifel tatsächlich absichern? Schwierig.

Im Kampf gegen die Inflation muss die EZB die Zinsen weiter erhöhen. Jedoch steigen so die Verluste in den Bilanzen der nationalen Notenbanken. Ein Abbau aufgeblähter Notenbankbilanzen könnte das lösen. Ein Gastbeitrag.
von Gunther Schnabl

In der weniger klammen Schweiz können Anleger schon beobachten, wer letztlich einspringen muss, wenn es brennt: Das sind die Notenbanken. Sie sparen kein Geld, aber sie können es aus dem Nichts schöpfen. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) stellt der Großbank Credit Suisse bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken Liquidität bereit. Auch in der Schweiz heißt es, es gebe aktuell keine Hinweise auf eine direkte Ansteckungsgefahr für andere Geld-Institute des Landes.

Lesen Sie auch: Die Notenbank eilt zur Rettung der Credit Suisse – ist das Schlimmste schon überstanden?

Auch hier werden Erinnerungen wach an die Anfänge der Finanzkrise. Im September 2007 hatte der damalige US-Notenbankchef Ben Bernanke die denkbaren Verluste aus der Krise um Immobilienkredite bonitätsschwacher Hauskäufer auf „50 bis maximal 100 Milliarden Dollar“ beziffert. Am Ende überstiegen sie 500 Milliarden Dollar – und brachten das Weltfinanzsystem an den Rand des Untergangs. Die Notenbanken fingen an, ihre Bilanzen mit Staatsanleihen, Hypothekenpapiere und Unternehmensanleihen zu beladen und so die Märkte mit Liquidität zu fluten.

Es muss nicht so schlimm kommen wie damals, aber vermutlich sind die 50 Milliarden Franken an die Credit Suisse nur eine erste Anzahlung. Wenn es bei europäischen Banken weiter so abwärts geht, wird die Europäische Zentralbank (EZB) nicht in der Zuschauerrolle verharren, sondern eher mit panikartigen Zinssenkungen eingreifen.



Richtig sportlich dürfte es werden, sollten sich auch die US-Investmentbanken irgendwo angesteckt haben. Dann würde die Fed die „Dicke Berta“ herausholen, üppige Swap-Linien an andere Zentralbanken spendieren, damit Banken ihre Liquidität in Dollar sichern können, und wieder Quantitative Easing (QE) für alle durchführen, also mit frisch gedrucktem Geld Anleihen aufkaufen – und der aktuelle Spuk an den Märkten könnte relativ schnell wieder vorbei sein.. Eines haben die Notenbanken nämlich aus der Finanzkrise gelernt: Ein Lehman 2.0 darf ihnen nicht passieren. 

Stimmungsmäßig sind die Börsen schon einen ziemlich weiten Weg in Richtung Panik gegangen. „Wir sind dem Wendepunkt der Geldpolitik nähergekommen“, sagt Ronald-Peter Stöferle. Es werde panikartig zu einer Umkehr kommen, so der Partner der Liechtensteiner Vermögensmanagers Incrementum. 

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In den nächsten Tagen bieten sich Anlegern selektiv Zukäufe von europäischen Aktien an. Sie wären bei einer Erholung dabei. Aber Sparer und Anleger müssen auch wissen: Knicken die Notenbanker ein, legte das die Basis für den nächsten Inflationsschub. Das Spiel ginge nur eine Runde weiter.

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