
Staat und Bürger sparen, viele griechische Unternehmen können Auslandsrechnungen nicht zahlen, die Börse war seit dem 26. Juni geschlossen: Warum in aller Welt sollten Anleger in griechische Aktien investieren wollen? Nun, die Börse ist wieder geöffnet. Am vergangenen Montag nahm die Athener Börse den Handel wieder auf - aber nur für Ausländer und Griechen, die Auslandskapital oder Bargeld einsetzen. Zum Start am Montag ging es kräftig abwärts: minus 22 Prozent zum Handelsbeginn, am Ende des Börsentages lag das Minus noch bei mehr als 16 Prozent.
Anleger sollten deshalb unvoreingenommen prüfen, was dort auf dem Kurszettel steht. Manche Unternehmen lohnen einen zweiten Blick – weil sie viel Cash und kaum Schulden haben, weil sie ein Gutteil ihres Geschäfts im Ausland abwickeln, weil sie in der Krise seit 2009 profitabel und weiter gewachsen sind. Wirtschafts-Nobelpreisträger Rober Shiller und Schwellenland-Fondsmanager Mark Mobius vermuten, dass griechische Aktien zu Unrecht abgestraft wurden. Klar: Das Risiko ist hoch. Allein am 29. Juni, dem ersten Tag, an dem in Athen nichts mehr ging, verlor ein in Frankfurt weiter gehandelter Indexfonds auf griechische Aktien um die 20 Prozent.
Bis Mitte dieser Woche hat er sich dank der Einigung von Premier Alexis Tsipras mit den Gläubigern weitgehend erholt. Gut möglich zwar, dass bei Wiedereröffnung die Kurse erst mal weiter nachgeben, weil Anleger Kasse machen, die Ende Juni kalt erwischt wurden und immer noch raus wollen. Spätestens dann aber „könnten sich Möglichkeiten ergeben“, sagt ein Londoner Hedgefondsmanager. Vor Jahren hatte er schon mal in die Aktien der Börse Athen investiert – nun liegt er wieder auf der Lauer.
Mit voller Kasse: Hellenic Exchanges (Athex)
Das Geschäftsmodell der Börse ist attraktiv, wie die Deutsche Börse bietet sie alles aus einer Hand: Handel von Aktien, Anleihen und Derivaten, Abrechnung von Geschäften und die Verwahrung von Wertpapieren – alles elektronisch und nach internationalem Standard. Nach 21 Millionen Euro Nettogewinn 2014 verdiente die Börse im ersten Quartal 4,1 Millionen. Analysten hatten die schon flott auf gut 16 Millionen für 2015 hochgerechnet. Am Freitag vor Aussetzung des Handels hatte das Unternehmen einen Börsenwert von gut 300 Millionen Euro, zum letzten in Frankfurt geschätzten Kurs läge der Börsenwert sogar bei nur noch gut 240 Millionen Euro. Das entspricht einem immer noch akzeptablen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 15. Doch die Analysten werden neu rechnen müssen, 16 Millionen Euro Nettogewinn werden es nicht mehr. Seit gut vier Wochen hat die Börse nichts verdient. Netto hat sie, und das ist wohl das größte Kaufargument, 152 Millionen Euro in der Kasse, und zwar nicht in schwachbrüstigen Griechenbonds, sondern auf Bankkonten. Dass die entwertet werden, ist vorläufig vom Tisch. Bei einem Kurs von 3,70 Euro und selbst bei halbiertem Jahresgewinn von 10,5 Millionen Euro hätte das Unternehmen auf den Börsenwert minus Cash ein sehr günstiges KGV von 8,5 – da wäre noch Luft.
Papiere für die Tage nach der Börsen-Wiedereröffnung | |||||||
Sieben griechische Aktien, die an deutschen Börsen gehandelt werden | |||||||
Unter- nehmen/ Branche | ISIN | Kurs* | Börsen- wert** | Umsatz 2014** | KGV 2015/16 *** | Divi- dende **** | Chance/ Risiko |
Hellenic Exchanges/ Börse | GRS395363005 | 4,64 | 303 | 47 | 18,3/13,7 | 5,4 | 8/6 |
Hellenic Telecom/ Telekom. | GRS260333000 | 7,87 | 3859 | 3918 | 12,1/10,7 | 0,2 | 7/7 |
Jumbo/ Spielzeughandel | GRS282183003 | 7,42 | 1009 | 542 | 9,2/8,6 | 4,2 | 7/5 |
Motor Oil Hellas/ Raffinerie | GRS426003000 | 8,47 | 938 | 7039 | 5,4/6,5 | 2,2 | 6/5 |
Mytilineos/ Mischkonzern | GRS393503008 | 5,79 | 676 | 1233 | 7,9/7,6 | 3,4 | 7/6 |
Opap/ Lotterie | GRS419003009 | 7,81 | 2491 | 985 | 11,4/9,7 | 7,5 | 8/6 |
Titan Cement/ Baustoffe | GRS074083007 | 21,40 | 1731 | 1158 | 29,0/17,0 | 0,9 | 7/6 |
* in Euro, letzter Kurs vor Börsenschließung in Athen (26. Juni); ** in Mio. Euro Quelle: Bloomberg |
Exportstark: Motor Oil Hellenic
Ein griechisches Unternehmen aus dem Ölsektor? Wenig ist abschreckender, ist der Ölpreis doch zuletzt wieder unter 50 Dollar je Barrel (159 Liter) gefallen. Doch Motor Oil Hellas, das eine der größten europäischen Ölraffinerien betreibt und über 1000 Tankstellen in Griechenland (Marken: Avin, Coral) unterhält, ist einen Blick wert. So fördert Motor Oil selbst kein Öl, sondern kauft dies ein – vor allem im Irak. In der Raffinerie werden daraus Benzin, Diesel und Flugbenzin hergestellt. Damit profitiert Motor Oil vom fallenden Ölpreis – solange die Spritpreise weniger stark fallen. Dieser Preisabstand hat sich seit Ende 2014 etwa verdreifacht. Natürlich setzt die Krise Motor Oil zu; so floss im ersten Quartal 2015 mehr Cash ab, als hereinkam, vor allem, weil Motor Oil die Lager füllte, um Lieferengpässen vorzubeugen, und Kunden Lieferkredite einräumte. Doch Motor Oil dürfte die Turbulenzen überstehen: 54 Prozent der neun Milliarden Euro Umsatz kamen aus dem Ausland; Motor Oils Exporte machen fast 21 Prozent der griechischen Gesamtexporte aus. Bislang schätzten Analysten das KGV für 2015 auf 5,4. Selbst wenn der erwartete Gewinn nicht ganz zu halten wäre, bliebe die Aktie günstig – insbesondere bei den außerbörslich aufgerufenen Kurstaxen von unter acht Euro.