Riedls Dax-Radar

Keine Angst vorm Börsenherbst!

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SAP und Allianz als Investment, Thyssenkrupp als Spekulation

Das färbt direkt auf den Dax ab. Hier ist der wichtigsten Aktie des Index und zugleich dem einzigen deutschen High-Tech-Unternehmen, das in der Liga der großen US-Adressen spielt, ein All-Time-High gelungen: SAP-Aktien haben in einem mustergültig durchgehandelten Ausbruch, der von substanziellen Käufen getrieben wurde, die Hürde bei 105 Euro genommen und mit bisher 108,50 Euro ein neues Top erreicht. Ein Aktienmarkt, dessen wichtigster Einzelwert sich so gut entwickelt, ist kaum anfällig für einen Crash.

Auch weiter unten in der Dax-Hierarchie kommen die Käufer: Bei der Allianz und der Münchener Rückversicherung. Beide Aktien profitieren davon, dass sich das operative Geschäft dieser Unternehmen gut entwickelt, dass Bewertung und Dividende der Aktien attraktiv sind. Nun kommt als besondere Triebkraft die Aussicht auf höhere Zinsen dazu. Sie erleichtern es den Versicherern, aus den Geldern ihrer Kunden ansprechende Renditen zu erwirtschaften. Anlagefavorit ist die Allianz, ihr Geschäft ist weniger anfällig für unvorhergesehene Schwankungen des Wetters als das der Münchener Rück.

Durchgehend positiv ist die Entwicklung im Dax keineswegs. BMW muss, wie die anderen Autounternehmen auch, wahrscheinlich einige schwache Monate durchstehen. Zu den Problemen um Abgase, Zollpolitik und hohe Investitionen kommen Auseinandersetzungen mit dem eigenen Händler-Netz. Ob sich BMW-Aktien am kurzfristigen Tief um 77 Euro halten, ist fraglich. Da die gesamte Branche unter Druck steht und Daimler und VW an der Börse noch einen Tick günstiger gehandelt werden, besteht für BMW weiteres Kursrisiko. Die nächste Auffangzone wäre der Bereich der 2016er-Tiefpunkte zwischen 65 und 70 Euro.

Schwach ist Henkel. Hier bremst die enttäuschende Entwicklung der Kosmetiksparte, dazu spürt Henkel im Klebstoffgeschäft den Verfall der türkischen Lira. Mehr als eine kurzfristige Erholung dürfte vorerst kaum möglich sein. Mittelfristig reicht das Risiko bis auf 90 Euro.

Ein fulminantes Comeback schafft Thyssenkrupp. Nun soll es doch zu einer Aufspaltung kommen, nachdem gerade in den vergangenen Wochen die Zweifel an einer solchen Lösung wieder lauter wurden. Wenn eine Aktie, die einen breiten Markt hat wie Thyssenkrupp, auf einen Schlag um mehr als zehn Prozent steigt, liegt eine grundlegende Neubewertung in der Luft. Dann ist es auch nicht damit getan, wenn das Thyssenkrupp-Papier von 20 auf 22 Euro steigt.

Kommt es nun wirklich zu einer Aufspaltung des Industriegeschäfts (Aufzüge, Autozulieferung, Anlagen) und des Materialgeschäfts (Stahl, Metalle, Handel), dann ist Thyssenkrupp mehr wert als die aktuell bezahlten knapp 14 Milliarden Euro. Allerdings, der Weg dahin ist weit: 12 bis 18 Monate geben sich die Thyssenkrupp-Manager selbst, bis sie die Aufteilung festzurren mit allen Einzelheiten – von den Geschäftseinheiten über Altlasten und Pensionen bis zur Zuweisung von Eigenkapital und Schulden. Dass dabei die Kruppstiftung und die Belegschaft eine besondere Rolle spielen, wird an der Börse oft übersehen. Ebenso die Tatsache, dass Thyssenkrupp zwar deutlich mehr als 40 Milliarden Euro Jahresumsatz macht (und deshalb bei 14 Milliarden Euro Börsenwert prima vista günstig ist), ein großer Teil dieses Umsatzes jedoch aus Handel besteht, also nicht den Wert eines echten Industrieumsatzes hat. Insgesamt haben sich die Aussichten für die Aktie nun zwar deutlich verbessert, eine harte Spekulation bleibt Thyssenkrupp nach wie vor.

Fazit für den Dax: Die stabile Entwicklung der US-Börsen dürfte dem Dax helfen, tendenziell steigende Zinsen zu verkraften. Durch Kursschocks angeschlagener Einzelwerte (BMW, Daimler, Continental, Bayer) hat der Gesamtmarkt spekulative Luft abgelassen, führende Titel (SAP, Allianz) geben ihm Stabilität. Der Anstieg über 12.100 Punkte ist dem Dax Mitte September gelungen, der Anstieg bis 12.600 Punkte (hier verläuft die 200-Tage-Linie) steht noch aus. Mit Rückenwind aus Amerika sollte der Dax das in den nächsten Wochen schaffen.

Der nächste Dax-Radar erscheint Mitte Oktober

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