Coronavirus „Wenn sich die Lage verschärft, sind wir weg hier“

Passagiere mit Masken warten am Flughafen Prag auf einen Flug nach Shanghai. Die Ausbreitung des Coronavirus in China verunsichert Luftfahrtbranche und Passagiere. Quelle: AP

Die neue Lungenkrankheit breitet sich aus. In Shanghai sollen Unternehmen erst am 10. Februar wieder öffnen. Viele deutsche Firmen sind betroffen, Expats verfolgen die Entwicklungen gespannt.

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Das Neujahrsfest in China hat dafür gesorgt, dass große Teile der Wirtschaft das Coronavirus bislang kaum zu spüren bekommen haben. In den Tagen vor und nach der wichtigsten Familienfeier des Jahres kommt das Land ohnehin zum Stillstand und Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter für gut zwei Wochen in den Urlaub.

Doch daraus, dass an diesem Freitag wie geplant das ganze Land an die Werkbänke und Schreibtische zurückkehrt, wird nun nichts. Wegen der Virus-Krise hat die Regierung kurzerhand verordnet, dass der Urlaub landesweit um drei Tage verlängert wird. Statt ab Freitag wird nun erst wieder am Montag gearbeitet. So ist es jedenfalls derzeit geplant. Verschärft sich die Lage, ist ein weiterer Aufschub denkbar. Da viele Firmen nach den Feiertagen in der Regel Wochenendarbeit einschieben, gehen der zweitgrößten Volkswirtschaft nun mal eben drei volle Arbeitstage verloren.

Ökonomen sind besorgt über den Schaden, den die Epidemie für Chinas Wirtschaft bedeuten könnte. Gerade erst aus der ersten Etappe des Handelskriegs mit den USA gestolpert, schwächelt die Konjunktur ohnehin schon. Nun droht ein weiterer Schlag. Die auf China fokussierte Forschungsgruppe Plenum prognostiziert, dass die Auswirkungen der Seuchenbekämpfungspolitik im ersten Quartal zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums um bis zu vier Prozentpunkte führen könnten. Allein die Sperrungen in der Provinz Hubei, in der 14 Städte, darunter Wuhan, alle ein- und ausgehenden Transporte eingestellt haben, würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,5 Prozentpunkte belasten.

Äußerst pessimistisch – zumindest für das Wachstum in den kommenden Monaten – sind auch die Experten von Oxford Economics. Bei dem Virus-Ausbruch könnte es sich „möglicherweise um ein Ereignis mit großer Auswirkung aber von kurzer Dauer handeln, ähnlich wie bei Sars im Jahr 2003“, schreibt das Analystenhaus. Auch damals brach die Wirtschaft des Landes für einige Monate ein, erholte sich dann aber rasant.

Ausgerechnet Shanghai, wo viele deutsche und europäische Firmen sitzen, geht derzeit besonders entschlossen vor. Um eine weitere Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen, sollen dort Unternehmen sogar erst ab dem 10. Februar wieder arbeiten dürfen. Eines der wichtigsten ökonomischen Kraftzentren des Landes bleibt also noch für weitere zwei Wochen dicht.

„Unsere Firmen werden sich an das Gesetz halten“, sagt Jörg Wuttke, Chef der Europäischen Handelskammer in China. Die meisten der mehr als 1000 europäischen Firmen in Shanghai müssen daher vorerst geschlossen bleiben. Nur Firmen, die belegen können, dass sie wichtig für die existenziellen Bedürfnisse der Menschen sind, dürfen öffnen. Derzeit werde laut Wuttke geprüft, ob etwa Chemiefirmen darunterfallen.

Für den Leuchtenkonzern Osram, der mehrere Werke in China betreibt, hat das Coronavirus bislang keine Auswirkungen – auch wenn die Fabriken von Osram derzeit weitgehend stillstehen. „Osram hat wie jedes Jahr und wie in China landesweit üblich, Werke und Standorte über das chinesische Neujahrsfest geschlossen“, heißt es aus dem Unternehmen. Das Werk für optische Halbleiter in Wuxi würde hingegen sogar über die Feiertage betrieben, wenngleich mit reduzierter Kapazität. Nachdem die chinesische Zentralregierung entschieden hat, die Feiertage bis zum 2. Februar und in einigen Regionen sogar bis zum 9. Februar zu verlängern, bleiben die Werke von Osram dadurch entsprechend länger geschlossen. „Nach derzeitigem Plan wird die Produktion im Regelbetrieb am 3. Februar wieder aufgenommen“, heißt es von Osram. Auswirkungen hat das Coronavirus für den Konzern dennoch: So könnten durch die Reisebeschränkungen manche der Fabrikarbeiter nicht rechtzeitig aus den Ferien zurückkehren. Nähere Angaben zu möglicherweise fehlenden Arbeitern könne Osram noch nicht machen.

Auch für viele andere bedeutet es erstmal: Stillstand. „Für uns wird der Urlaub dieses Jahr eben etwas länger“, sagt ein deutscher Mitarbeiter eines Maschinenbauers. Er und seine Familie sind über die Feiertage zurück nach Deutschland gefahren, wo sie jetzt etwas länger bleiben wollen. Viele deutsche Firmen haben ihre Mitarbeiter zwar aufgefordert, nicht mehr in die Provinz Hubei und in die Stadt Wuhan zu reisen, die besonders von der Epidemie betroffen ist, weil dort das Virus Ende Dezember zunächst ausgebrochen war. Für Peking oder Shanghai, wo ein Großteil der deutschen Expats arbeitet, gibt es aber bei Unternehmen in der Regel noch keine Pläne, Mitarbeiter abzuziehen.

„Wir kümmern uns um die Mitarbeiter mit einem Reiseverbot nach Wuhan, Ausgabe von Masken und Desinfektionsmittel, verstärken die interne Kommunikation“, sagt ein Sprecher von Volkswagen in China. Außerdem sollen 3500 Mitarbeiter in Peking nach den Feiertagen weitere zwei Wochen zuhause bleiben – insgesamt bis 17. Februar. Die Empfehlungen der Regierung und der Weltgesundheitsorganisation würden genau beobachtet und befolgt.

Die Teile der deutschen Expat-Gemeinschaft, die sich nicht über das Neujahrsfest nach Deutschland oder an einen Strand nach Südostasien verzogen haben, verfolgen jede Nachricht um das Virus gebannt. „Wenn sich die Lage weiter verschärft, dann sind wir weg hier“, sagt ein Deutscher in Peking. Er habe bereits geprüft, ob das Deutschland-Visum für seine chinesische Lebenspartnerin noch gültig ist. Schon seit Tagen versucht das Paar, an Schutzmasken zu kommen, ohne die in Peking derzeit kaum noch jemand auf die Straße geht: „Sind aber überall ausverkauft.“

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