Konsequenzen Zoff vor Nato-Gipfel: Erdogan wirft Macron „kranke Ideologie“ vor

Der türkische Präsident hat Frankreichs Präsidenten aufgefordert, seinen „Hirntod“ zu überprüfen. Frankreich will nun den türkischen Botschafter einbestellen.

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Der türkische Präsident warf Macron außerdem vor, keine Ahnung vom Kampf gegen den Terror zu haben. Quelle: AP

Kurz vor dem Jubiläumsgipfel der Nato in London spitzen sich Spannungen zwischen Bündnispartnern weiter zu. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warf am Freitag dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor, eine „kranke Ideologie“ zu verfolgen, weil dieser die Nato als hirntot bezeichnet hatte. „Lassen Sie erstmal Ihren Hirntod überprüfen“, forderte Erdogan in Richtung Macron.

Frankreich kündigte daraufhin an, den türkischen Botschafter in Paris zu einem Gespräch ins Außenministerium einzubestellen. „Das ist keine Aussage, das sind Beleidigungen“, hieß es aus dem Élyséepalast.

Bei dem zweitägigen Gipfel in London soll in der kommenden Woche eigentlich das 70-jährige Bestehen des Militärbündnisses gefeiert werden. Seitdem Macron die Allianz jüngst als „hirntot“ bezeichnete, gibt es allerdings heftige Diskussionen über den Zustand der Nato und mögliche Verbesserungen.

Macron kritisiert konkret, dass es bei wichtigen strategischen Entscheidungen keine Koordinierung unter den Nato-Partnern gebe. Ein Negativ-Beispiel ist die im Bündnis nicht abgesprochene Militäroffensive des Nato-Partners Türkei in Nordsyrien, die durch einen ebenfalls nicht abgesprochenen Rückzug der USA möglich geworden war.

Anderes mögliches Streitthema beim Gipfel sind die Verteidigungsausgaben. Um das Risiko eines neuen Eklats zu mindern, präsentierte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg US-Präsident Donald Trump am Freitag nach oben revidierte Zahlen zu den Verteidigungsausgaben der Alliierten. Demnach wird sich die Summe der Mehrausgaben der europäischen Nato-Staaten und Kanadas von Anfang 2016 bis Ende 2020 auf 130 Milliarden US-Dollar (118 Mrd Euro) belaufen. Bis Ende 2024 sollen es sogar rund 400 Milliarden Dollar sein.

Einen erheblichen Anteil an der positiven Entwicklung trägt Deutschland, das 2019 erstmals seit Jahren wieder mehr Geld für Verteidigung ausgeben wird als Frankreich. Nach neuen Nato-Zahlen kommt die Bundesrepublik im laufenden Jahr auf 47,88 Milliarden Euro, Frankreich hingegen nur auf 44,36 Milliarden Euro. Dies entspricht einer Differenz von rund 3,5 Milliarden Euro. Noch im vergangenen Jahr hatte Frankreich rund 600 Millionen Euro mehr ausgegeben als Deutschland, 2013 waren es sogar noch 4,8 Milliarden Euro mehr gewesen.

Deutschland steigert Nato-Ausgaben

Hintergrund der Entwicklung sind die deutlichen Ausgabensteigerungen in Deutschland, mit denen die Bundesregierung auch auf Forderungen Trumps reagiert. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gibt Deutschland nämlich noch immer vergleichsweise wenig Geld für Verteidigung aus.

In diesem Jahr werden die 47,88 Milliarden Euro voraussichtlich einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,38 Prozent entsprechen. Zum Vergleich: Frankreich dürfte auf eine Quote von 1,84 Prozent kommen. Die USA liegen sogar bei 3,42 Prozent. Trump fordert von allen Nato-Partnern, dass sie bis 2024 mindestens 2 Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben.

Trump beklagt seit langem eine unfaire Lastenteilung in der Nato und attackiert vor allem Deutschland wegen des vergleichsweise niedrigen Anteils seiner Verteidigungsausgaben am Staatsetat. Bei einem Nato-Gipfel im Sommer 2018 hatte Trump sogar einen Austritt der USA aus dem Bündnis nicht ausgeschlossen, sollten nicht alle Bündnispartner sofort zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgeben.

Weiteres Thema beim Gipfel könnten die Schwierigkeiten der Nato werden, ihre selbst gesteckten Ziele zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft von Streitkräften zu erreichen. Wie Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag bei einer Pressekonferenz mitteilte, stehen erst rund 90 Prozent der Kräfte für die sogenannte Readiness Initiative zur Verfügung. Er erwarte, dass die Staats- und Regierungschefs beim Gipfeltreffen in der kommenden Woche in London weitere Zusagen machten, sagte der Norweger.

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