Populismus Steve Bannon träumt vom „Erdbeben“ in Brüssel

In Italien baut Trumps Ex-Stratege eine Akademie auf, die Populisten aus aller Welt den letzten Schliff geben soll. Er berät Le Pen und besucht Orban.

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Der Ex-Stratege von US-Präsident Trump berät Rechtspopulisten in ganz Europa. Quelle: dpa

Berlin Seitdem Steve Bannon nicht mehr der Einflüsterer des mächtigsten Politikers der westlichen Welt ist, hat er viel Zeit. Zeit, die der 65-Jährige nutzt, um Rechtspopulisten in ganz Europa zu beraten. Er hofft auf ein politisches „Erdbeben“ nach der Europawahl. Das ist sein Ziel. Da will er dabei sein. Auch die im Herbst anstehende Landtagswahl in Sachsen interessiert ihn sehr.

Diese Woche war er in Berlin. Wenn der frühere Chefberater von US-Präsident Donald Trump aus dem Fenster seines Hotelzimmers schaute, blickte er auf die Kuppel des Reichstagsgebäudes. In Weimar hat er den AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Jörg Meuthen, kennengelernt. Nächste Station: Paris.

Warum ist es für Bannon als US-Bürger überhaupt wichtig, welche Parteien im Europäischen Parlament vertreten sind?

Bannon sagt, seine Herkunft habe ihn zum Populisten gemacht. Er ist ein Populist mit großem missionarischem Eifer.

„Ich komme aus einer typischen amerikanischen Arbeiterfamilie. Mein Großvater war ein Leitungsmonteur bei der Telefongesellschaft, und mein Vater hat diesen Job auch 50 Jahre lang gemacht. Deswegen habe ich nach meiner Karriere in der Finanzbranche alles daran gesetzt, überall auf der Welt die populistische Bewegung zu unterstützen, egal ob das in Brasilien war oder jetzt in Europa oder Asien.“

Ob er glaubt, dass den Menschen heute stärker als zur Zeiten des Trump-Wahlkampfes bewusst ist, dass es Desinformationskampagnen gibt, und „Fake News“?

Schulterzucken. Bannon sagt: „Dass sich Menschen von Nachrichten angezogen fühlen, die sie unterstützen, ist ganz normal. Ich denke nicht, dass das eine schlechte Sache ist. Ich bin auch der Meinung, dass diese Sache mit „Fake News“ total übertrieben dargestellt wird. Und zwar nur, weil die Linke jetzt verliert.“

Deshalb heiße es jetzt plötzlich, die Demokratie sei in Gefahr. Wir hatten 2018 eine Wahl, wo Trump eine schwere Niederlage erlitten hat.

Einige AfD-Mitglieder hat Bannon schon getroffen. Doch welche anderen deutschen Politiker kennt er, abgesehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Viele scheinen es nicht zu sein. Bannon sagt: „Ich möchte mich nicht in innenpolitische Dinge einmischen, aber ich denke, es gibt einige Leute im Umfeld von Merkel, Herrn Spahn und andere, die sehr beeindruckend sind.“ Mindestens einen gemeinsamen Bekannten haben Bannon und Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU: US-Botschafter Richard Grenell, der mit seinen schroffen Ansagen in Berlin schon mehrfach angeeckt ist.

Die AfD wird von ihren Kritikern als Partei der „Angstmacher“ bezeichnet. Auch Bannon wird oft vorgeworfen, er setze in seinem Kampagnen vor allem auf ein Gefühl: Angst. Angst vor einem neuen Krieg am Persischen Golf hat er aber nicht.

Der ehemalige Chef der rechten Nachrichtenplattform „Breitbart News“ sagt, Trump sei niemand, „der schnell den Finger am Abzug hat“. Sanktionen seien ohnehin das bessere Mittel, um den Iran in die Schranken zu weisen.

Stattdessen warnt Bannon: „Es wird erhebliche wirtschaftliche Veränderungen in Deutschland geben.“ Und er glaubt, dass das vor allem mit China zu tun habe, wo Arbeiter wie „Sklaven“ von der Kommunistischen Partei ausgebeutet würden.

Deshalb findet es Bannon gut, dass Trump im Handelsstreit mit China jetzt auf Eskalation setzt. Er sagt, westliche Staaten hätten „erzwungenen Technologietransfer“ und den „Diebstahl geistigen Eigentums“ durch China viel zu lange geduldet.

„Deshalb sind das jetzt keine Verhandlungen über Handel, sondern ein Wirtschaftskrieg, den China seit 20 Jahren gegen den Westen führt und besonders gegen Deutschland, und jetzt ist endlich mal jemand aufgestanden, um dagegen anzukämpfen.“

Umso ärgerlicher ist es aus Bannons Sicht, dass ausgerechnet Italien, das er als Brückenpfeiler des europäischen Populismus ansieht, Teil des umstrittenen chinesischen Projekts „Neue Seidenstraße“ werden will.

Italiens Innenminister Matteo Salvini und Meuthen seien die treibende Kraft hinter der eurokritischen Populisten-Allianz, die nach der Europawahl entstehen soll. Neben der AfD und der italienischen Lega wollen sich dieser neuen Fraktion unter anderem auch die französische Partei von Marine Le Pen und die österreichische FPÖ anschließen.

Einige Beobachter vermuten, dass Bannon hier der große Strippenzieher ist. Er weist das von sich: „Ich bin nur ein Amerikaner, der hier ist, um zu tun, was ich kann, um Verbindungen herzustellen und um Leute zu motivieren. Aber es war eigentlich Professor Meuthens Idee.“

Bannon sagt: „Wenn der Trend so bleibt, wie er jetzt ist, dann könnten künftig 33 bis 35 Prozent der Abgeordneten Mitglieder von Souveränitäts-Bewegungen sein. Das wird ein Erdbeben in Brüssel auslösen.“ Er lacht.

Doch ist es nicht merkwürdig, wenn Parteien, die auf Nationalismus setzen und auf nationale Souveränität pochen, einen Berater wie Bannon haben, der von einem anderen Kontinent kommt?

Bannon winkt ab. „Ich bin kein Berater. Ich bin nur ein Beobachter. Wenn Leute meine Meinung hören wollen. Ich reise jetzt nach Frankreich. Ich habe Marine Le Pen offensichtlich eine Menge Ratschläge gegeben, so wie ich jetzt mit Meuthen gesprochen habe.“

Die ungarische Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orban gehört der konservativen Europäischen Volkspartei an, genau wie CDU und CSU. Die Mitgliedschaft der Ungarn dort ist allerdings seit Mitte März ausgesetzt.

In der EVP ertrug man Orbans Hetze gegen die von Jean-Claude Juncker geführte Europäische Kommission nicht mehr. Für Salvini und seine Politik der Abschreckung von Bootsflüchtlingen war Orban dagegen zuletzt voll des Lobes.

Hat Bannon vielleicht bei Orban dafür geworben, sich Meuthens neuer Allianz der Populisten anzuschließen?

Er winkt ab. „Nein, nein, nein, nein. Ich habe nicht versucht, ihn zu überzeugen. Alles, was die Zusammenarbeit zwischen ihm und Salvini angeht, ist von den beiden selbst in Gang gesetzt worden. Die Zwei sind wie ein Doppelschlag beim Boxen.“ Dass Orban von Trump neulich im Weißen Haus so herzlich empfangen wurde, hat Bannon genossen.

„Ich dachte, das ist ein großartiger Moment für die Bewegung der Populisten. Ich habe dafür keine Lobby-Arbeit geleistet, aber ich war sehr dafür, dass Orban zum richtigen Zeitpunkt ins Weiße Haus kommen sollte, um den Präsidenten zu treffen. Ich wusste, dass der Präsident ihn gerne treffen würde. Denn er ist genau Trumps Typ, er war schon ein Trump, bevor Trump da war.“

Neben Meuthen hat Bannon diese Woche auch einen AfD-Politiker getroffen, der international bislang nicht bekannt ist: Tino Chrupalla. Der Malermeister aus Sachsen hat bei der Bundestagswahl 2017 den Wahlkreis Görlitz gewonnen – gegen den damaligen CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer.

Fünf Stunden lang habe er sich mit Chrupalla unterhalten, mit Hilfe eines Übersetzers, erzählt Bannon. Er sagt: „Ich fand ihn charismatisch, sehr beeindruckend.“

Bannon muss los. Ein Fernsehsender wartet. Im Juni will er wieder in Deutschland sein – und Chrupalla in seinem Wahlkreis besuchen.

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