Entscheidend wird ohnehin sein, ob sich die Lage in der Ukraine stabilisiert - weil genau dies nicht im Interesse Putins ist: "Der Kreml will einer Annäherung an die EU und insbesondere an die Nato einen Riegel vorschieben", sagt Stefan Meister, Russland-Experte des European Council on Foreign Relations. Wenn es der ukrainischen Bevölkerung schon gelinge, den gewählten Präsidenten zu verjagen, dann solle dies wenigstens nicht ökonomisch zum Erfolg führen. So erklärt sich Meister auch die Propaganda des Putin-Regimes, das auf allen Kanälen die Bilder von Rechtsextremen verbreiten lässt, die allenfalls eine kleine Minderheit darstellen. "Der Sturz einer Regierung in Kiew ist ein Präzedenzfall, der sich auch auf andere postsowjetische Staaten auswirken könnte", so der Politikwissenschaftler. Putin diskreditiere die Maidan-Bewegung, damit sich dies in Moskau nicht wiederholt.
Die Menschen in der Ukraine versuchen unterdessen, sich mit der schwierigen Lage zu arrangieren. Julian Ries, der als Rechtsanwalt für die französische Kanzlei Gide Loyrette Nouel in Kiew tätig ist, erlebt ein "Wechselbad der Gefühle": "Einen Abend habe ich überlegt, wie ich meine Familie schnell aus dem Land bekomme - und am nächsten Morgen sah die Lage wieder entspannt aus." Das Problem sei die Unberechenbarkeit der Situation. Die Stimmung ist dennoch gut unter ausländischen Investoren. "Viele hoffen, dass sich die Ukraine jetzt in eine westlich demokratische Richtung bewegt. Dieser Kurs verspricht Rechtssicherheit und kann dazu beitragen, dass das Potenzial des Marktes endlich gehoben wird."
Letztlich ist es die Wahl der Ukrainer, ob sie den EU-Kurs wählen wollen oder den Status quo - und Wähler sitzen jenseits der Kiewer Euphorie auch im prorussischen Osten. Eines aber ist klar: Wladimir Putin wird hierbei mitreden wollen. Sein Trauma der Nato-Erweiterung sitzt tief.