Arbeitsmarkt Unternehmer setzen auf Osteuropäer

Die Öffnung der Grenzen für osteuropäische Fachkräfte kann ein echter Gewinn für Deutschland werden. Unternehmer setzen auf neue Mitarbeiter und sind begeistert, nur die Politik muss noch daran glauben. Die Cornelia Schmergal darüber, was der freie Arbeitsmarkt für die deutsche Wirtschaft bedeutet.

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Umzug nach Angermünde Quelle: Götz Schleser für WirtschaftsWoche

Sofort festhalten würde er jede Krankenschwester, die sich zufällig im Ort zeige, sofort dingfest machen und in das eigene Hospital schleppen. Sofort einstellen, nur damit die Konkurrenz sie nicht abwirbt. Im Notfall auch auf Vorrat, falls gerade keine Stelle frei ist. „Das wird noch ganz schlimm mit dem Fachkräftemangel in der Pflege“, stöhnt Harald Kothe-Zimmermann. „Wir brauchen jeden. Und wir suchen überall.“

Der Geschäftsführer der Gesellschaft für Leben und Gesundheit (GLG) betreibt Krankenhäuser in Städten wie Angermünde, Eberswalde oder Prenzlau. 2500 Mitarbeiter beschäftigt die GLG, und es sollen noch mehr werden. Deswegen hat Kothe-Zimmermann einen Fernsehspot aufgenommen. Darin sieht man den Herrn mit dem kleinen Bauchansatz von den Schönheiten Brandenburgs schwärmen. Es gibt den Film in zwei Versionen: mit lettischen und mit litauischen Untertiteln.

Es wird sich vieles ändern

Seine neuen Krankenschwestern sucht Kothe-Zimmermann jetzt in Osteuropa. Sieben Frauen aus Lettland und Litauen haben inzwischen bei der GLG angeheuert. Im März setzten sich Krista, Oksana, Raimonda, Christina, Valentina, Argita und Gunita in den Bus nach Deutschland. Mehr als 1000 Kilometer fuhren sie, und es war spät, als sie in Angermünde ankamen. Ihr neuer Chef hatte ihnen schon den Kühlschrank gefüllt und Fahrräder gekauft, das gehört zum Service.

Nun pauken die Damen Deutsch, sechs Stunden täglich. Die GLG bezahlt auch die Lehrerin. Wenn die sieben ihre Sprachprüfung bestehen, dürfen sie bald im Krankenhaus arbeiten. Vom 1. Mai an ist das möglich. Es wird sich viel ändern an diesem Tag. Nicht nur in Angermünde.

Im Mai erhalten auch die Bürger aus acht mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, nur die Rumänen und Bulgaren müssen sich noch etwas gedulden. Die potenziellen Arbeitskräfte kann das Land gut gebrauchen. Und die Wirtschaft erst recht: Jedes dritte Unternehmen habe inzwischen Probleme, seine Stellen zu besetzen, meldet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die Klage ertönt aus allen Branchen: Bei der Pflege mangelt es nach Arbeitgeberangaben schon heute an 20.000 Fachkräften, die Industrie sucht 120.000 Naturwissenschaftler und Ingenieure. Bis 2030 fehlen nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes insgesamt fünf bis sechs Millionen Arbeitskräfte. Wenn nun aber genug Polen oder Balten kommen, könnte die Personaldebatte enden, prophezeit ifo-Präsident Hans-Werner Sinn. Der Fachkräftemangel sei dann nichts mehr als eine „Geisterdebatte“.

Dabei weiß niemand genau, wie viele Osteuropäer es tatsächlich nach Deutschland ziehen wird. Die EU-Kommission schätzt, dass jährlich etwa 100.000 kommen werden, davon die Hälfte aus Polen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) geht von 140.000 Menschen aus, und die meisten Ökonomen sehen das ähnlich. Nur Bayerns Innenminister Joachim Hermann überdrehte ein wenig, als er Ende 2010 auf „30 Millionen Menschen“ verwies, die theoretisch vor den Toren stünden.

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