Noch ist vieles im Fluss. Das gemeinsame Wahlprogramm von CDU und CSU wird derzeit Wort für Wort zwischen Düsseldorf, München und Berlin abgestimmt. Die ständig variierenden Entwürfe sollen spätestens Sonntagabend in einem gemeinsamen Text münden, bevor Kanzlerkandidat Armin Laschet und der CSU-Vorsitzende Markus Söder das Unionsprogramm am kommenden Montag der Öffentlichkeit vorstellen.
Am heftigsten wird derzeit noch das Steuerkapitel diskutiert. Mittelstandschef Carsten Linnemann (CDU) fordert deutliche Absenkungen über alle Tarife, konnte sich aber nicht auf breiter Front durchsetzen – zu teuer lautet die Begründung. So findet sich der Wunsch der Wirtschaftspolitiker, den Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst später bei deutlich höheren Einkommen greifen zu lassen, im aktuellen Entwurf des Programms nicht mehr wieder. Geblieben ist aber die Forderung, den Solidaritätszuschlag schrittweise für alle abzuschaffen, also auch für die höheren Einkommen. Außerdem sollen alle Einkommenssteuertarife regelmäßig an die aktuelle Preisentwicklung angepasst werden.
Die Arbeitnehmer will die CDU durch eine Ausweitung der steuer- und sozialabgabenfreien Sachzuwendungen und Zuschüsse des Arbeitgebers entlasten. Auch soll der Arbeitnehmerpauschbetrag auf 1250 Euro steigen.
Degressive Abschreibung kommt wieder
Den Unternehmen werden bessere Abschreibungsmöglichkeiten und eine „umfassende Modernisierung“ des Unternehmenssteuerrechts in Aussicht gestellt. Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, sollen auf 25 Prozent gedeckelt werden. Außerdem ist eine Erhöhung der Schwellenwerte bei der Umsatzsteuervoranmeldung fest eingeplant. Ferner soll die degressive Abschreibung beweglicher Wirtschaftsgüter beim Anlagevermögen wieder eingeführt werden. Damit will die Union vor allem Gründer unterstützen. Die degressive Abschreibung bietet neuen Firmen Vorteile, da die Abschreibungsbeträge in den ersten Jahren deutlich höher ausfallen als bei der linearen Abschreibung. „Wir werden auch Freiräume für unsere Unternehmen schaffen und dazu beitragen, dass sie wettbewerbsfähig bleiben“, heißt es im Entwurfstext zum Wirtschaftskapitel.
EEG-Umlage soll fallen
Die bis 2045 angestrebte „Klimaneutralität“ des „Industrielands Deutschland“ will die Union durch steuerliche Förderung begleiten. Investitionen in Umwelttechnologie und Energieeffizienz sollen steuerlich besser als bisher geltend gemacht werden. Die nationale CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Gebäude müsse in den europäischen Emissionshandel integriert werden. Langfristiges Ziel ist ein weltweites Emissionshandelssystem, damit CO2 überall einen Preis hat. Ähnlich wie die Grünen plant die Union, die Einnahmen aus dem Emissionshandel an die Verbraucher zurückzugeben, um Belastungen durch höhere Benzinpreise und Energiekosten auszugleichen. Die EEG-Umlage soll abgeschafft und die Stromsteuer auf den EU-Mindestpreis gesenkt werden.
Ein digitaler Zugang für alle Behördengänge
Eine deutliche Verbesserung will Laschet beim Bürokratieabbau durchsetzen. Gründern verspricht er ein „bürokratiefreies Jahr“. Für den Kontakt zu den Verwaltungen soll es künftig einen zentralen, digitalen Zugang über ein „Unternehmenskonto“ geben, über den alle Behördenangelegenheiten abgewickelt werden können. Für die Verwaltungen bedeutet das, dass alles, was sich digital erledigen lässt, künftig auch digital gemacht werden muss. Dafür sollen „Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten und gemeinsam offene Standards und Schnittstellen als Grundlage für eine Verwaltungsinfrastruktur schaffen“, heißt es im Entwurf.
Damit der Wust an Gesetzen kleiner und nicht jährlich größer wird, plant Laschet im Zuge seiner Strategie der „Entfesselung“ auch ein „one in – two out“-Prinzip. Das bedeutet, dass für jede neue Regelung zwei bestehende abgeschafft werden sollen. In NRW hat die CDU-FDP-Koalition bereits 68 konkrete Vorhaben zur Entfesselung der Wirtschaft beschlossen und einen entsprechenden Antrag für die Bundesebene in den Bundesrat eingebracht.
Selbstständige werden zur Altersvorsorge verpflichtet
Vorsichtig mit Blick auf die Finanzen ist die CDU beim Thema Rente. Die Forderung der CSU nach einer Erhöhung der Mütterrente lehnt sie ab, eine durchgreifende Reform des gesamten Rentensystems spart sie aus. Dabei drängt die Zeit. Ohne Veränderungen im System der Altersvorsorge müsste bald die Hälfte des Bundesetats in die Rentenkasse fließen. „Das würde den Bundeshaushalt sprengen und wäre auch mit massiven Steuererhöhungen nicht finanzierbar“, warnt der Ökonom Klaus Schmidt. Der Professor ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium, das kürzlich Vorschläge zur Reform des Systems vorgelegt hat, unter anderem eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit und eine Absenkung des Rentenniveaus. Laschet will diese Debatten im Wahlkampf vermeiden. In dem Entwurf steht lediglich, dass das Renteneintrittsalter „in kleinen Schritten“ auf 67 Jahre steigen soll. In der zweiten Säule soll es ein staatlich bezuschusstes „Standardvorsorgeprodukt“ für die betriebliche Altersvorsorge geben. Der Rahmen für Minijobs soll auf 600 Euro monatlich steigen, dafür sollen sie grundsätzlich rentenversicherungspflichtig werden. Auch Selbständige müssen verpflichtend für ihr Alter vorsorgen, heißt es im Entwurf.
Außerdem ist der Aufbau einer staatlich geförderten betrieblichen Pflegeversicherung und die Verlängerung des Pflegevorsorgefonds bis 2050 geplant, um die demografisch absehbaren Beitragserhöhungen abzufedern.
Weitere Programmpunkte sind noch im Fluss, heißt es bei der Union, außerdem will die CSU die ihr besonders wichtigen Anliegen in einem eigenen „Bayernteil“ auslagern. Ansonsten gelte bis zum Abschluss der Beratungen das Prinzip: „Nichts ist entschieden, bevor nicht alles entschieden ist“.
Mehr zum Thema: Weniger Formulare und Wartezeit: Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet wirbt mit dem Versprechen eines bürokratiefreien Jahres um Gründer. Das Konzept stammt vom NRW-Koalitionspartner FDP. Die Bilanz? Durchwachsen.