CDU-Wirtschaftstag „Fatale Mixtur von Umverteilung und Bürokratie“

Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, spricht auf dem Podium. Quelle: imago images

Die Geduld der konservativen Manager und Unternehmer mit der Ampelkoalition geht zu Ende. Besonders scharf ist die Kritik an der Energie- und Wärmewende. Sorge bereitet auch die fehlende Wachstumsperspektive.

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Es gab schon bessere Zeiten für Politiker, die sich den kritischen Fragen der Wirtschaft stellen mussten. Wenn an diesem Dienstag das halbe Bundeskabinett beim großen Kongress des CDU-Wirtschaftsrats in Berlin aufläuft, ist die Ungeduld und Unzufriedenheit der versammelten Unternehmer mit den Verantwortlichen der Bundesregierung spürbar größer als in früheren Jahren.

Zwar hat man die besonderen Probleme akzeptiert, die mit dem Krieg und der „Zeitenwende“ verbunden sind. Aber viele im Wirtschaftsrat haben immer deutlicher das Gefühl, dass die von der Ampelkoalition eingeschlagene Richtung insgesamt nicht mehr stimmt. Vielmehr „bestimmen staatsgläubige und leistungsfeindliche Scheinlösungen die Debatten“, findet Astrid Hamker, die gerade wiedergewählte Präsidentin des Wirtschaftsrats.

Die aus der Piepenbrock-Familie stammende Unternehmerin sieht in der aktuellen Politik „fragwürdige Narrative, aus denen noch viel fragwürdigere wirtschaftspolitische Implikationen abgeleitet werden“. Und das geschehe „immer häufiger mit dem Ergebnis, dass eine fatale Mixtur von mehr Zentralismus, Umverteilung und Bürokratie gesetzt wird“.  Ihre Schlussfolgerung, die zugleich das Ziel des Wirtschaftstags umschreibt, lautet deshalb: „Deutschland braucht dringend eine klare Agenda für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit“. Nur mit Respekt vor dem freien Markt und dem freien Unternehmertum, aber auch mit dem Respekt vor Leistung und Eigentum, so Hamker, würden die Spielräume für Investitionen und sozialen Ausgleich erwirtschaftet.

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von Thomas Stölzel

Heimspiel für Merz und Lindner

Wer in diese Melodie sicher einstimmen wird, ist Friedrich Merz und Christian Lindner, die an diesem Dienstag auf dem Wirtschaftstag sprechen und mit den Unternehmern diskutieren wollen. Sowohl der CDU-Vorsitzende und Unionsfraktionschef als auch der Bundesfinanzminister und FDP-Vorsitzende plädieren für eine streng marktwirtschaftliche Politik, für Steuersenkungen, einen Abbau der Verschuldung und der Bürokratie. Merz, der jahrelang dem Vorstand des Wirtschaftsrats angehörte und dort immer noch seine größten Anhänger hat, dürfte seinen Auftritt heute deshalb als eine Art Heimspiel empfinden.

Auch Lindner ist ein gern gesehener Gast bei der Vereinigung, in der 12.500 Mitglieder aus allen Branchen und Unternehmensgrößen aktiv sind, darunter auch zahlreiche FDP-Anhänger. Der Bundesfinanzminister wird die Gelegenheit nutzen, seine Rolle innerhalb der Ampelkoalition zu betonen, wonach er sich als „Brandmauer“ gegen Steuererhöhungen und weitere Verschuldung sieht und als ein Politiker versteht, der gegen SPD und Grüne „Schlimmeres verhindert“.

Viel Kritik an Robert Habeck 

Den schwierigsten Auftritt dürfte Robert Habeck vor sich haben. Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz hat sich viele Sympathien verscherzt, die ihm anfangs auch aus den Reihen der Wirtschaft entgegengebracht wurden. Der Vorwurf, der Grünen-Politiker und seine Leute würden „Klimapolitik mit der Brechstange“ betreiben, haftet an Habeck, auch wenn er seinen umstrittenen Staatssekretär Patrick Graichen inzwischen entlassen hat. Schwerer noch als die Kritik an dessen Vetternwirtschaft und der Rigidität, mit der das Gebäudeenergiegesetz (GEG) durchgesetzt werden soll, wiegt in der Wirtschaft die Kritik an der Schließung der deutschen Atomkraftwerke und den hohen Energiepreisen.



Dass Deutschland im weltweiten Vergleich zu den Staaten mit den höchsten Energiepreisen zählt, habe politische Gründe und seien in der völlig verunglückten Energiewende und Klimapolitik zu suchen, sagt Hamker. Um eine „schleichende Deindustrialisierung“ zu verhindern, hat sich der Wirtschaftsrat nach einer kontroversen Debatte trotz ordnungspolitischer Bedenken doch dazu durchgerungen, für eine bestimmte Zeit einen Industriestrompreis zu akzeptieren. Allerdings müsse das Instrument so beschaffen sein, dass nicht nur energieintensive Großkonzerne davon profitieren, sondern auch Handwerk und Mittelstand, so die Forderung.

Woher soll das Wachstum kommen?

Als weitere Gäste des Kongresses sind neben Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) noch EVP-Fraktionschef Manfred Weber und einige prominente Unternehmensvertreter als Redner vorgesehen, darunter Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, Lufthansa-Boss Carsten Spohr und Theodor Weimer, CEO der Deutschen Börse. Die zentralen Themen neben Klimaschutz und Energiepolitik betreffen den Kampf gegen die Inflation und die „entscheidende Frage“, so Hamker, woher angesichts der aktuellen Politik das künftige Wachstum kommen soll.

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