Coronahilfen Das 130-Milliarden-Konjunkturpaket steht: Mehrwertsteuer wird gesenkt, Bonus für Familien

Mit einem beispiellosen Konjunkturpaket in Höhe von 130 Milliarden Euro für die Jahre 2020 und 2021 will die große Koalition Deutschland aus der Coronakrise führen. Quelle: dpa

Die Spitzen der schwarz-roten Koalition haben sich im Kampf gegen die Folgen der Coronakrise auf ein milliardenschweres Konjunkturpaket geeinigt. Mit Milliardenhilfen für Firmen, Kinderbonus und Mehrwertsteuer-Senkung.

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Mehr Geld für Familien und Kommunen, Entlastungen beim Strompreis - und eine Senkung der Mehrwertsteuer: Mit einem riesigen Konjunkturpaket will die schwarz-rote Koalition die Wirtschaft in der Coronakrise ankurbeln. Union und SPD streben außerdem einen „Modernisierungsschub“ an und wollen Zukunftstechnologien etwa für mehr Klimaschutz fördern. Die Spitzen der Koalition hatten lange um das Programm gerungen.

Das Konjunkturpaket soll für 2020 und 2021 einen Umfang von 130 Milliarden Euro haben. 120 Milliarden entfallen dabei auf den Bund, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwochabend in Berlin sagte. Damit sollen Wirtschaft und Konsum der Bürger wieder angekurbelt werden. Infolge der Coronakrise wird die bisher schwerste Rezession der deutschen Nachkriegsgeschichte erwartet.

Merkel sprach von einem guten Ergebnis. Es gehe darum, die schwerste wirtschaftliche Krise in den Griff zu bekommen. Diese zeige sich an den mehr als sieben Millionen Kurzarbeitern. Das alles brauche eine mutige Antwort. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) fasste es mit den Worten zusammen: „Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen.“

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lobte das Konjunkturpaket der Koalition als Investition in Zukunftsfähigkeit, Aufschwung und Optimismus. „Mit diesem Kraftpaket werden wir unserer großen Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes gerecht“, sagte sie. „Wir investieren in den Aufschwung und schaffen Optimismus in allen Bereichen.“ Möglichst viele Menschen sollten gut durch die Coronakrise kommen.

Nun haben Autobauer und Kunden Klarheit: Es wird in der Coronakrise keine Neuauflage der Abwrackprämie für Verbrenner geben. Was hält die Autobranche vom Konjunkturpaket der Regierung?

Fast die Hälfte der 130 Milliarden Euro für das Paket fließt nach den Worten von Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) in Zukunftsbereiche wie die Wasserstoffwirtschaft, Quantentechnologien oder Künstliche Intelligenz. Karliczek sagte der dpa, ein so „kraftvolles Zukunftspaket“ habe es noch nie gegeben.

Nach den kurzfristigen Hilfen in der Coronakrise – etwa durch Sonderkredit-Programme über die Staatsbank KfW – reichen die geplanten Konjunkturhilfen zum Teil weit über die derzeitige Legislaturperiode hinaus. 60 bis 70 Vorschläge lagen zu Beginn auf dem Tisch. Klar war, dass nicht alle Wünsche finanzierbar sein würden, zumal die Steuereinnahmen wegen der Coronakrise sinken und die Arbeitslosigkeit wieder zunimmt.

Zur Deckung der Ausgaben muss der Bund neue Schulden aufnehmen. Finanzminister Scholz sprach von einem Nachtragshaushalt, ohne den Umfang zu nennen. Dies führt nach den Worten von CSU-Chef Markus Söder keineswegs zu einer Überschuldung des Landes und auch nicht dazu, dass das Land handlungsunfähig oder die nächste Generation überlastet würde. Das Paket habe auch etwas mit Psychologie zu tun, mit Optimismus.

Die Kernpunkte der Einigung im Überblick:

Das „Herzstück“ des Paketes ist nach den Worten des CSU-Vorsitzenden Markus Söder eine Senkung der Mehrwertsteuer. Vom 1. Juli an bis zum 31. Dezember 2020 soll der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent und für den ermäßigten Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht.

Wer vom Milliardenprogramm profitiert
Überraschend einigten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD auf eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer. Quelle: dpa
Autofahrer und AutobrancheDie Entscheidung ist gegen eine Kaufprämie für abgasarme Benziner und Dieselautos gefallen. Stattdessen beschlossen die Spitzen von Union und SPD deutlich höhere Prämien für Elektroautos. Die Förderung des Bundes für die bestehende „Umweltprämie“ soll befristet bis Ende 2021 für E-Fahrzeuge mit einem Nettolistenpreis von bis zu 40.000 Euro von 3000 auf 6000 Euro steigen. Dazu kommt eine Förderung der Hersteller. Die Koalition plant außerdem, zusätzlich 2,5 Milliarden Euro in den Ausbau des Ladenetzes für E-Autos zu stecken sowie für die Förderung von Forschung und Entwicklung etwa bei der Batteriezellfertigung. Für Zukunftsinvestitionen der Hersteller und der Zulieferindustrie soll für die Jahre 2020 und 2021 ein „Bonus-Programm“ in Höhe von zwei Milliarden Euro aufgelegt werden. Die Autobranche befindet sich in einem schwierigen Umbruch hin zu alternativen Antrieben, dazu kommt der digitale Wandel. Quelle: dpa
Den Kommunen drohen hohe Steuerausfälle, weil vor allem die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle einbricht. Quelle: dpa
Infolge der Coronakrise steigen die Ausgaben in allen Sozialversicherungen. Um eine Steigerung der Lohnnebenkosten zu verhindern, plant die Koalition eine „Sozialgarantie 2021“. Quelle: dpa
Bürger und Unternehmen sollen bei den hohen Stromkosten entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt werden. Quelle: dpa
UnternehmenBesonders belastete Branchen und Betriebe bekommen eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe. Geplant sind „Überbrückungshilfen“ im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro. Ziel ist es, eine Pleitewelle bei kleinen und mittelständischen Unternehmen zu verhindern, deren Umsätze weggebrochen sind. Die Überbrückungshilfe soll für die Monate Juni bis August gewährt werden. Quelle: dpa
Sie soll gelten für Branchen wie das Hotel- und Gaststättengewerbe, Clubs und Bars, Reisebüros, Schausteller, aber auch Profisportvereine der unteren Ligen. Erstattet werden sollen fixe Betriebskosten bis zu einem Betrag von 150.000 Euro für drei Monate. Geplant ist auch ein Programm zur Milderung der Corona-Auswirkungen im Kulturbereich, und zwar in Höhe von einer Milliarde Euro. Quelle: dpa

Dagegen entschieden sich die Spitzen der großen Koalition gegen eine Kaufprämie für abgasarme Benziner und Dieselautos. Sie beschlossen allerdings deutlich höhere Prämien für Elektroautos. Vor allem die SPD hatte sich vehement gegen Prämien für Benziner und Diesel gestemmt. Söder aus dem Autobauerland Bayern sagte nun, mit der Senkung der Mehrwertsteuer für alle Motoren und Klassen und Preiskategorien könnten nicht nur die Hersteller, sondern auch die Gewerkschaften gut leben.

Bei den Stromkosten sollen die Bürger entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt werden, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht.

Die Spitzen von Union und SPD einigten sich auch auf einen Kinderbonus von einmalig 300 Euro pro Kind, der mit dem Kindergeld ausgezahlt werden soll. Zudem sollen die Kitas weiter ausgebaut werden.

Die finanziell schwer getroffenen Kommunen bekommen ebenfalls Milliardenhilfen vom Bund. Damit sollen Ausfälle bei den Gewerbesteuereinnahmen für 2020 und 2021 von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden. Walter-Borjans sagte, die enorme Entlastung werde die Kommunen investitionsfähig machen. Zudem will der Bund weitere Kosten für Unterkünfte übernehmen.

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von Sven Böll

Die Bahn soll vom Bund wegen Einnahmeausfällen in der Coronakrise Milliarden-Hilfen bekommen. Demnach sollen zur Aufstockung des Eigenkapitals weitere fünf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Geplant sind außerdem Hilfen von 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Die Koalitionsspitzen einigten sich auch auf eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe für Branchen, die von der Coronakrise besonders belastet sind. Geplant sind „Überbrückungshilfen“ im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht. Damit soll eine Pleitewelle bei kleinen und mittleren Firmen verhindert werden.

Außerdem soll es steuerliche Entlastungen geben, damit die Liquidität von Firmen gesichert wird und diese Spielräume für Investitionen haben. Die Koalition will außerdem mehr Geld ausgeben etwa für die Künstliche Intelligenz sowie für den Ausbau des neuen superschnellen Mobilfunkstandards 5G. Der digitale Wandel soll auch in der öffentlichen Verwaltung vorangebracht werden.

„Der Kinderbonus wird verbrennen wie ein Strohfeuer“
Der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld, hat sich „positiv überrascht“ vom Konjunkturpaket der Bundesregierung gezeigt. Er sei erleichtert, dass weder die Autoprämie für Verbrenner noch die Altschuldenhilfe für die Kommunen in dem Paket enthalten seien, sagte Feld der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. „Besonders positiv ist die Erleichterung der steuerlichen Verlustrückträge für Unternehmen, wenngleich noch Detailfragen offen sind“, sagte der Vorsitzende des Wirtschafts-Sachverständigenrats der Bundesregierung. „Auch die degressive Abschreibung und das Optionsmodell für Personengesellschaften sind richtige Maßnahmen. Zudem war die Senkung der EEG-Umlage überfällig“, sagte Feld. Die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer sei hingegen mit gewissen Unwägbarkeiten hinsichtlich ihrer konjunkturellen Wirkungen behaftet. „Auf den Konsum wirkt sie nur, wenn sie in den Preisen weitergegeben wird. Das ist nach den vorliegenden Erkenntnissen aus der Forschung nicht eindeutig zu erwarten“, warnte der Chef der Wirtschaftsweisen. Die Stärkung der Kommunen setze hingegen an der richtigen Stelle, nämlich bei den Kosten der Unterkunft an. „Die teilweise Übernahme der Gewerbesteuerausfälle setzt hingegen falsche Anreize: Die Kommunen werden nun jegliche Reformbereitschaft bei der Gewerbesteuer auf sehr lange Sicht aufgeben“, sagte Feld. Quelle: dpa
Das Corona-Hilfspaket enthält aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) viele richtige Impulse. Quelle: dpa
Ifo-Institut-Chef Clemens Fuest zeigte sich im Deutschlandfunk überrascht von der Entscheidung die Mehrwertsteuer zu senken. Quelle: Reuters
Der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, sagte, gut seien Liquiditätshilfen für kleine und mittlere Firmen sowie steuerliche Erleichterungen für Investitionen. Quelle: dpa
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßte das Konjunkturpaket. Quelle: dpa
Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer lobte die Entscheidung gegen eine generelle Autokaufprämie. „Wir brauchen den Nachfrageschub und Autos sind dabei wichtig.“ Bei der Elektromobilität seien die 6000 Euro für die rein batterie-getriebenen Autos ein „sehr kräftiger Impuls“. Zwar könnte es sein, dass die Autobauer ihre heutigen Zuschüsse zu den Elektroautoprämien zurückfahren, „aber die Prämie gibt den Elektroautos kräftig Schub“, so Dudenhöffer. Auch die Mehrwertsteuersenkung bezeichnete der Professor als „eine gute Sache, die den deutschen Autobauer genauso wie den Importeuren nutzt“. Quelle: dpa
Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie bezeichnete das Paket der Bundesregierung als „gelungenen Aufschlag, um alle Branchen bei der Überwindung der Folgen der Coronakrise zu unterstützen“. Gerade jetzt müsse die Bundesregierung für eine schnelle Umsetzung von Infrastrukturprojekten sorgen, sagte Hauptgeschäftsführer Dieter Babiel. „Um Einbrüche zu vermeiden und Entlassungen zu verhindern, ist es essenziell, dass die öffentlichen Investitionen in unsere Infrastruktur auf Ebene von Bund, Ländern und Kommunen in voller Höhe erhalten bleiben und umgesetzt werden“, so Babiel. Quelle: Presse

Die schwarz-rote Koalition will auch Deutschlands Wäldern und der Holzwirtschaft –helfen, mit 700 Millionen Euro zusätzlich. Das Geld solle für die Aufforstung, den Erhalt und die nachhaltige Bewirtschaftung von Wäldern bereitgestellt werden. Nach zwei Dürrejahren habe auch 2020 trocken begonnen, die Holzpreise seien – auch wegen der Corona-Pandemie – stark gesunken. Vergangenen Herbst hatten Bundesregierung und Länder bereits 800 Millionen Euro Nothilfen für Wälder angekündigt.

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