Görlachs Gedanken
Alexander Görlach. Quelle: David Elmes, Harvard University

„Bayern first, Berlin last“

CDU und insbesondere CSU ziehen nach der Bundestagswahl die falschen Lehren. Die Christsozialen sind überzeugt, sie müssten die AfD rechts überholen. Warum das nicht gut gehen kann und welche Folgen es haben wird.

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Die CSU hat aus ihrem Wahldebakel nichts gelernt. Der Auftritt des bayerischen Finanzministers Markus Söder in der TV-Show von Anne Will hat das eindrucksvoll belegt. Der Bayer sprach in der Sendung fast ausschließlich über das Thema Flüchtlinge und die berühmte Obergrenze – also das Thema, mit dem die AfD knapp 13 Prozent der Wählerinnen und Wähler bei der Bundestagswahl für sich gewinnen konnte.

Die Christsozialen beharren darauf, als rechtskonservative Partei als das Original innenpolitischer Stabilität und Härte beim Thema Zuwanderung zu gelten. De facto aber hat die AfD den bayerischen Konservativen hier längst den Rang abgelaufen. Und das Wahlergebnis legt davon mächtig Zeugnis ab! Mag CSU-Chef Horst Seehofer herbe gegen Angela Merkel und den Kurs der Bundesregierung, der er selbst angehört, in der Flüchtlingspolitik gepoltert haben: am Ende standen da satte elf Prozentpunkte weniger für seine Partei.

Die bekannte Rede also, wonach man im Zweifel für das Original und nicht für die Kopie stimmt, hat sich hier einmal mehr bewahrheitet. Im Kern herrscht ja bei den Parteien, die sich nunmehr für ein Jamaika-Bündnis beschnuppern, Einigkeit darüber, dass beim Thema Zuwanderungsgesetz etwas getan werden muss. Wie Einwanderung allerdings in Zukunft aussehen soll, darüber gibt es freilich Differenzen.

Die bayerische Obergrenze ist ein Nicht-Beitrag aus der südlichen Provinz: AfD Wähler wollen nämlich gar keine Einwanderung. Ihnen ist selbst die CSU zu soft. Menschen, die sich mit Einwanderung auskennen sagen, Deutschland brauche ein entsprechendes Gesetz wie Kanada. Dem verweigert sich die CSU gänzlich. Für die CSU bleibt nun eigentlich nur noch ein Umdenken in der Sache.

Innerhalb der Partei aber wird, vor allem im Hinblick auf die Landtagswahl im kommenden Jahr, Nabelschau betrieben. Der Vorsitzende ist angezählt, der Machtkampf um Nachfolge und Spitzenkandidatur ist in voll entbranntem Gange. Bei Anne Will wurde deutlich, dass Herr Söder, ein möglicher Nachfolger Horst Seehofers, in der Intensivierung des Obergrenzen-Mantras sein Heil suchen wird. Das ausgegebene Ziel für die CSU soll dann wohl lauten, rechts an der AfD vorbeiziehen und verloren gegangene Wähler zurück holen zu wollen. Es wird nicht gelingen.

Koalitionsverhandlungen, die in Berlin mühsam versuchen, zwischen Union, FDP und Grünen Brücken zu bauen, sind im Moment für die CSU auf dem Weg zur Landtagswahl eher hinderlich. Nicht umsonst war die Antwort von Herrn Söder auf die Frage, was das Schöne an Jamaika sein könnte, nur ein „puh“.

Bayern first, Berlin last, könnte man die Söder-Strategie überschrieben, mit der er für die CSU in Bayern keinen Boden gut, sondernd die AfD noch stärker machen wird. Für den Bund birgt das bayerische Taktieren die Gefahr mit sich, eine Regierungsbildung erheblich zu torpedieren und am Ende vielleicht sogar zu verunmöglichen. Die größten Widersacher von Jamaika sitzen derzeit in München.

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