Koalitionsausschuss Was die Koalition ins Schaufenster stellt, lässt die Grünen schlecht aussehen

Verlieren die Grünen den Rückhalt der SPD in der Klimapolitik? Quelle: imago images

Nach dem Koalitionsausschuss besteht die Ökopartei beim Heizungstausch und beim Klimaschutzgesetz darauf, dass das Kleingedruckte zu ihren Gunsten ausfällt. Eine Analyse.

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In der Dreierkoalition aus SPD, Grünen und Liberalen haben sich die Gewichte verschoben. Schien vor dem Koalitionsausschuss die FDP isoliert und mit ihren Forderungen nicht mehrheitsfähig, so haben sich Kanzler Scholz und die Sozialdemokraten in der dreitägigen Marathonsitzung still auf die Seite der Liberalen begeben. Jetzt sehen die Grünen so aus, als ob sie für ihre Klimaschutzpolitik nicht mehr viel Rückhalt im Bündnis haben.

Natürlich hat Bundeskanzler Olaf Scholz diesen Schritt nur still vollzogen, statt ihn auch noch kundzutun. Doch die Verschiebung ist sichtbar an dem, was die Regierung nun als Ergebnisse ins Schaufenster stellt: Hunderte Kilometer neue Autobahnen, ein abgeschwächtes Klimaschutzgesetz, immerhin Milliarden für die Bahn und weniger harte Vorgaben beim Heizungsaustausch.

Das Klimaschutzgesetz, das die einzelnen Schritte auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2045 ebnen soll, wurde entschärft. Nun gelten wieder ähnliche Vorgaben wie in der letzten schwarz-roten Bundesregierung, als nicht die einzelnen Ressorts mit Lösungen aufwarten mussten, wenn die Sektoren die Einsparziele beim Treibhausgas rissen. Es gehe nicht mehr drum, jährlich im Rückblick die Ziele zu kontrollieren, sondern insgesamt nach vorne bis etwa zum Jahr 2030, sagte Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner. Die Grünen hatten so etwas immer abgelehnt.

Nach dreitägigen Beratungen hat die Ampel-Koalition Streitpunkte vor allem beim Klimaschutz und im Verkehrssektor ausgeräumt. Hier finden Sie das Papier als PDF zum Download.

Verfehlt ein Sektor wie der Verkehr seine Ziele, werden die Folgen weniger scharf geahndet. Bisher galt die Pflicht, dass der zuständige Minister ein Sofortprogramm vorlegen musste, das nach Einschätzung von Regierungsexperten den Rückstand aufholen kann. Zudem verschafft sich die Regierung mehr Zeit zum Erreichen der Ziele. Helfen wird das vor allem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), aber auch Bauministerin Klara Geywitz, denn das Heizen in Gebäuden geschieht in Deutschland auch noch nicht klimafreundlich genug.

Das Heizen ist das zweite große Thema, bei dem das, was nun im Koalitions-Schaufenster steht, nicht zum Anspruch der Ökopartei passt – und mutmaßlich nicht zu den von allen Regierungsparteien getragenen Klimazielen in Deutschland. Das Gebäudeenergiegesetz, um das schon im frühen Entwurfsstadium bitter gekämpft wurde, verspricht weiter sozialen Ausgleich, wenn künftig nicht mehr Öl- oder Gasheizungen eingebaut werden können. Geld solle aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen. Doch der ist bereits verplant.

Für bestehende fossil betriebene Heizungen soll es keine Pflicht zum Austausch gegen eine Lösung mit zwei Dritteln erneuerbarer Energieerzeugung geben, nur für neu eingebaute Heizungen. Doch dann wird es schwammig und dürfte erneut umkämpft werden, wenn es um Details und Summen geht. Die Koalition hatte sich eigentlich bereits darauf geeinigt, dass vom 1. Januar 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll.

Infrastruktur: Schneller Autobahnen, Brücken und Bahnstrecken bauen

Stattdessen betont die Regierung nun, dass neue Infrastrukturprojekte schneller angegangen und gebaut werden sollen. Das gilt nicht nur für Bahnstrecken und Brücken, sondern auch für eine ganze Reihe Autobahn-Teilstücke. Diese 144er-Liste mit eben so vielen Projekten geht gegen die Grünen, die einen schnelleren Ausbau von Autobahnen und damit weniger strenge Umweltschutzauflagen ablehnen.

Die Grünen in der Koalition verweisen darauf, dass es nur um jeweils acht bis zehn Kilometer lange Ausbaustrecken auf Autobahnen gehe, keine „Riesenprojekte“. Als Trostpflaster bekommen die Grünen die Zusicherung, dass nur noch neue Kilometer Autobahn gebaut würden, an denen entlang die Freiflächen zur Stromproduktion per Sonnenkollektoren genutzt würden. Eine höhere Lkw-Maut nach CO2-Ausstoß soll immerhin den Gütertransport per Verbrenner oder Diesel verteuern und das Geld daraus in die Deutsche Bahn gesteckt werden.

Alles, womit die Regierung nun wirbt, sieht aus als ob die Grünen gegen die Wand gelaufen sind in der Dreierkoalition. Alles, was für den Staat oder die Bürger teuer scheint, alles was sozial unpopulär werden könnte, wurde entschärft. Doch die Grünen verweisen darauf, was sie jenseits des Ausgestellten „noch auf Lager“ hätten und dass die Zeit für den Klimaschutz arbeiten würde.

Klimaschützer und Vertreterinnen der Ökopartei in der Regierung sind nun unterwegs und argumentieren mit dem Kleingedruckten, das langfristig doch zu ihren Gunsten die Politik drehen würde. Da ist der Plan der EU, ab 2027 auch das Heizen und den Verkehr in den europäischen Emissionshandel aufzunehmen.

Das würde bedeuten, dass dann wie bei der Energieerzeugung und der Industrie für jede ausgestoßene Tonne CO2 ein steigender Preis gezahlt werden muss. Dieser Preis würde dann das Heizen per Gas oder das Autofahren per Verbrenner deutlich verteuern.

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„Die Preise für Erdgas und Heizöl werden ab 2027 durch den EU-Emissionshandel kontinuierlich steigen“ argumentiert Habecks Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen. „Über den Lebenszyklus einer Heizung ist daher eine Wärmepumpe günstiger als eine Gasheizung.“ Jetzt noch schnell einen herkömmlichen Kessel einzubauen, könnte sich rächen. Gas- wie Ölpreise ähnlich wie kurz nach Beginn des Ukrainekrieges 2022 seien dann normal, heißt es in Koalitionskreisen.

Lesen Sie auch: Das ist Politik wie im billigen Western – ein Kommentar über den Koalitions-Ausschuss

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