Politischer Aschermittwoch Heimspiel im Bierzelt – CSU eröffnet den Kampf gegen die AfD

Die CSU inszeniert sich beim Politischen Aschermittwoch als Partei der Heimat. Der designierte Ministerpräsident Söder muss jedoch auf Mistreiter Seehofer verzichten.

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Politischer Aschermittwoch: CSU eröffnet den Kampf gegen die AfD Quelle: dpa

Passau Ob es die Umfrage war, die Horst Seehofer dazu bewogen hat nicht nach Passau zu kommen? Oder war es wirklich ein Grippevirus, der den CSU-Parteivorsitzenden und Ministerpräsident von Bayern dazu zwang, keine 24 Stunden vor dem politischen Aschermittwoch abzusagen? In Tagen des Umbruchs gibt es viele Gerüchte, Mutmaßungen und Unterstellungen. Andererseits: Warum soll nur Helene Fischer ein Infekt plagen?

Wie auch immer: An diesem Mittwoch wird Seehofer nicht wie geplant vor den rund 3000 CSU-Anhängern in der Dreiländerhalle in Passau reden und im Anschluss sein designierter Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, Markus Söder. Es wäre ein erster gemeinsamer Auftritt der beiden in Bierzeltatmosphäre gewesen, nachdem sie sich Ende vergangenen Jahres nach jahrelangem Machtkampf auf den Übergang verständigt hatten und sich dies von einem Parteitag bestätigen ließen.

Nun also wird schon in diesem Jahr der erste politische Schlagabtausch zum Ende der Karnevalszeit ohne den Oberbayern Seehofer stattfinden. Dabei war alles auf ihn und Söder ausgerichtet: Die Bühne strahlt in diesem Jahr bewusst in Holzoptik; auf der Bühne steht nicht mehr nur das Rednerpult, vielmehr sorgen dahinter zusätzlich etliche Biertische mit karierten Decken und Bierbänken für das, was die Bayern mögen: heimelige Atmosphäre.

Und weil sie genau um diese fürchten und deshalb bei der Bundestagswahl auch in Bayern die AfD gewählt haben, kämpft die CSU um ihren Anspruch, Verteidiger der Heimat zu sein. Rechts neben der CSU soll es im Parteienspektrum keinen Platz geben, jedenfalls nicht mehr lange.

Deshalb sollten die beiden Heimatminister reden: Söder für Bayern und Seehofer für den Bund, wo er in Zukunft Innen- und Heimatminister sein will. Generalsekretär Andreas Scheuer nennt das Ressort mit den Aufgaben für Inneres, Bau und Heimat bereits „Lebensministerium“. Schließlich gehe es darum, überall im Land für gleiche Lebensverhältnisse zu sorgen. Söder redet von der „Renaissance der Schutzfunktion des Staates“, für die er sorgen will. Dafür wirbt er.

Platznehmen werden oben auf der Bühne ausgewählte Gäste. „In der Mitte des Volkes“: So könnte das Bild unterschrieben sein, dass in die Welt geht. Unten vor der Bühne wird der Vorstand sitzen – auch die Verlierer im Rennen um das Ministerpräsidentenamt wie Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Europapolitiker Manfred Weber und Innenminister Joachim Herrmann haben sich zu fügen. In der CSU wissen sie im Gegensatz zur SPD, wann es ums Ganze geht und nicht um die Eitelkeiten einzelner.

Zuvorderst geht es um nichts weniger als das Überleben der CSU als Regionalpartei mit bundespolitischem Anspruch. Dazu gehört zwingend, dass die Partei im Oktober bei der Landtagswahl wieder die absolute Mehrheit erringt und allein regiert. Angesichts des desaströsen Ergebnisses bei der Bundestagswahl und der eher mäßigen Umfragewerte ist dies eine mehr als ambitionierte Aufgabe.

Obendrein sind da die AfD, die FDP und die Freien Wähler in Bayern, die der CSU Wähler abspenstig machen. „Wir wollen die Zersplitterung des bürgerlichen Lagers verhindern“, sagt Söder. Es ist aber längst zersplittert. Spätestens Ende März soll er das Zepter von Landesvater Seehofer übernehmen und die wenigen Monate bis Mitte Oktober nutzen, um die Scherben zusammenzukehren und ein neues Bild der bürgerlichen Mitte zu zeichnen, in dem sich alle wieder finden.

Aber da sind noch die bleiernen Verhandlungen in Berlin, die erst mit Grünen und FDP scheiterten und nun mit der SPD ebenfalls am seidenen Faden hängen. Stimmen die SPD-Mitglieder mit Nein oder regiert weiter das Chaos in der Führung der Genossen, dann dürfte auch noch eine Große Koalition scheitern, bevor sie die Arbeit aufgenommen hat. Neuwahlen wären die Folge.

Keine guten Aussichten für die CSU. Keine guten Aussichten für Seehofer. Keine guten Aussichten für Söder, keine für die CDU und für Angela Merkel. Alles hängt am seidenen Faden. Kein Wunder, wenn CSU-General Scheuer die SPD-Mitglieder auffordert, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen. „Alles andere würde Deutschland in eine schwere Krise stürzen. Das muss jedem SPD-Mitglied bewusst sein“, mahnt er.

Was für eine Rede soll einer da beim politischen Aschermittwoch halten? Seehofer sollte die Hau-drauf-Rede verbreiten. Vielleicht ist es besser, dass er krankheitsbedingt verzichtet. Vergangene Woche hatte er noch bei der Vorstellung des Koalitionsvertrag nach der langen Schlussverhandlung gesagt: „Wessen Handschrift diese Koalitionsergebnisse tragen, lieber Martin, das spare ich mir bis zum politischen Aschermittwoch auf. Heute bin ich noch nicht richtig ausgeschlafen.“

Inzwischen ist Martin Schulz vom Amt des Parteivorsitzenden und der Aussicht auf das Amt des Außenministers zurückgetreten. Die SPD liegt am Boden, da verbietet sich ein Nachtreten – selbst am Aschermittwoch. Allerdings: Was ist ein Aschermittwoch ohne Hohn und Spott? Vermutlich wird aus Rücksicht auf die Lage in Berlin der verbale Gegner vermutlich ein anderer sein: die FDP, die Grünen und vielleicht die AfD.

Söder hingegen wird eine Rede halten, wie sie ein neuer Ministerpräsident hält, soll doch jeder sehen: Er ist längst nicht mehr der Generalsekretär, der sich seinerzeit sogar erlaubt hatte, dem Bundespräsidenten mit Abwahl zu drohen, Hauptsache, es gab eine ordentliche Schlagzeile. Jetzt muss er überzeugen, den Menschen das Gefühl geben, dass er für ihre Heimat kämpft und das Feld eben nicht der AfD überlässt, die ihrerseits der CSU genussvoll vorwirft, dass sie nie hält was sie verspricht – etwa in der Flüchtlingskrise. Zum Höhepunkt des Zerwürfnisses von CDU und CSU warf Seehofer Kanzlerin Angela Merkel sogar eine „Herrschaft des Unrechts“ vor – nun will er selbst in ihr Kabinett eintreten – und das als für die Flüchtlingspolitik zuständiger Minister.

Unwahrscheinlich, dass Seehofer wie einst Edmund Stoiber auf das Superministerium in Berlin verzichtet. Zu viel lässt sich dort für Bayern herausholen. Wen schert da die Umfrage, wonach es eine Mehrheit der Bayern ablehnt, dass der 68-jährige weiter in der großen Politik mitmischt. Schließlich geht es um nichts weniger als die Zukunft der CSU in Bayern. Und damit um sein Erbe.

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