US-Außenminister besucht Berlin Die Differenzen bleiben, der Ton wird moderater

Zum ersten Mal reist Mike Pompeo als Außenminister nach Deutschland. Quelle: REUTERS

Eng verbündet und trotzdem tief gespalten: Die Beziehungen Deutschlands zu den USA sind so widersprüchlich wie wohl nie zuvor. Das wird bei zwei Reisen von Kanzlerin Merkel und US-Außenminister Pompeo deutlich.

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Fast treffen sich Mike Pompeo und Angela Merkel am Freitagmorgen schon frühmorgens am Flughafen Tegel. Der US-Außenminister landet gegen 06.30 Uhr nach einem Nachtflug aus Washington in Berlin, um seinen vor drei Wochen kurzfristig verschobenen Antrittsbesuch nachzuholen. Die Bundeskanzlerin kommt eine halbe Stunde später aus Boston, wo sie am Tag zuvor eine bemerkenswerte Rede auf dem Campus der renommierten Harvard Universität im Vorort Cambridge gehalten hat.

Es sind zwei sehr unterschiedliche deutsch-amerikanische Reisen. Sie sagen sehr viel über die Widersprüchlichkeit der Beziehung zweier Länder aus, die zwar eng verbündet und trotzdem tief gespalten sind. „Die Vereinigten Staaten sind und bleiben der wichtigste Partner für Deutschland außerhalb Europas“, sagt Merkel, als sie Pompeo mittags im Kanzleramt empfängt - wohl wissend, dass die Liste der Streitthemen länger und länger wird.

Die USA sind unzufrieden mit den deutschen Verteidigungsausgaben, erwägen Strafzölle auf deutsche Autos und Sanktionen gegen deutsche Unternehmen, die an der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 beteiligt sind. Den Iran versuchen Deutschland und die USA auf entgegengesetzten Wegen zu bändigen, und für die Lösung des Nahost-Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern haben sie auch sehr unterschiedliche Ideen.

All das ist so, seit ein Mann das Ruder im Weißen Haus übernommen hat, dessen Namen Merkel nicht ein einziges Mal nennt, als sie am Donnerstag auf dem Campus in Harvard vor 20.000 Menschen spricht. Trotzdem ist ihre 35-minütige Rede eine Abrechnung mit der Politik von Donald Trump. Der US-Präsident ist der sprichwörtliche Elefant im Raum. Jeder weiß, auf wen Merkel anspielt, wenn sie sagt: „Mehr denn je müssen wir multilateral statt unilateral denken und handeln. Global statt national.“ Trump handelt national statt global und stellt mit seiner „America-first“-Politik die Nachkriegsordnung auf den Kopf und jahrzehntealte Bündnisse in Frage.

„Protektionismus und Handelskonflikte gefährden den freien Welthandel und die Grundlagen unseres Wohlstandes“, sagt Merkel - Trump hat zahlreiche Handelskonflikte vom Zaun gebrochen. Merkel fordert auch, alles Menschenmögliche zu unternehmen, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen, und räumt dabei eigene Versäumnisse ein. Trump hat die USA - einen der größten Verursacher von Treibhausgasen weltweit - aus dem internationalen Pariser Klimaschutzabkommen zurückgezogen. Merkel sagt, Klimawandel sei vom Menschen verursacht. Trump zweifelt das an (auch wenn er Klimawandel - anders als früher - nicht mehr für einen „Scherz“ hält).

Mit zustimmendem Gelächter wird Merkels Aussage quittiert, dass schwierige Fragen gelöst werden könnten, „wenn wir bei allem Entscheidungsdruck nicht immer unseren ersten Impulsen folgen, sondern zwischendurch einen Moment innehalten, schweigen, nachdenken, Pause machen“. Kaum ein Politiker ist impulsiver als Trump, der seinen Emotionen ungefiltert auf Twitter freien Lauf lässt.

Merkel fordert, Mauern in den Köpfen einzureißen. Trump hingegen ist ein Fan sehr realer Mauern. An der Grenze zu Mexiko will er eine bauen lassen. Die Kanzlerin wirbt für „Wahrhaftigkeit gegenüber anderen und gegenüber uns selbst“, und sie sagt: „Dazu gehört, dass wir Lügen nicht Wahrheiten nennen und Wahrheiten nicht Lügen.“ Kaum etwas ist deutlicher auf Trump gemünzt, der Berichterstattung kritischer Medien „Fake News“ nennt und dessen Beraterin Kellyanne Conway den abstrusen Begriff „alternative Fakten“ geprägt hat.

Immer wieder wird Merkels Rede von Applaus unterbrochen. Die Absolventen und Angehörigen, Professoren und Ehemaligen feiern die unprätentiös auftretende Kanzlerin wie einen Popstar. Geschlagene 31 Mal brandet bei Merkels 35-minütiger Ansprache Beifall auf, mehrfach erhebt sich das Publikum, um stehend Respekt zu zollen. Harvard ist als liberale Hochburg in den USA allerdings nicht repräsentativ für die Meinung im Land. Die Begeisterung für Merkel ist auch darauf zurückzuführen, dass ihre Politik einen Gegenpol zu der Trumps darstellt.

Der US-Präsident hat bei Merkels Kurzbesuch in den USA dann auch keine Zeit für die Kanzlerin. Während Merkel in Harvard ist, spricht Trump ebenfalls zu Absolventen - rund 2850 Kilometer entfernt an der US Air Force Academy in Colorado. Es ist eine sehr amerikanische Rede, es geht um Stolz und Patriotismus und militärische Stärke. Trump sagt dort Sätze wie: „Ihr macht Amerika stolz.“

Pompeo - selbst Harvard-Absolvent (Jura) - verfolgt die Merkel-Rede vor seinem Abflug nach Berlin zwar nicht, lässt sich aber kurz nach seiner Ankunft von seinen Mitarbeitern dazu briefen. Sein Antrittsbesuch in Deutschland steht unter keinem guten Stern. Anfang Mai sagte er ihn nur wenige Stunden vor seiner geplanten Ankunft ab. Ein Besuch im Irak erschien ihm angesichts der Iran-Krise wichtiger. In der Regierungskoalition in Berlin sorgte das für Verärgerung. Der Empfang, der ihm jetzt in Berlin bereitet wird, ist dafür aber ausgesprochen freundlich.

Heiko Maas hat die prachtvolle Villa Borsig am Tegeler See dafür herrichten lassen. Oft macht er das nicht. Der idyllische Ort eignet sich vor allem für Treffen mit besonders engen Verbündeten oder aber mit besonders schwierigen Partnern, mit denen dringend etwas mehr Harmonie notwendig ist. Für die USA unter Trump trifft beides zu.

An diesem Freitagmorgen ist sowohl bei Maas als auch bei Pompeo der Wille zu spüren, die Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Bei der Pressekonferenz der beiden mit Blick auf den Tegeler See werden die harten Streitthemen weitgehend ausgespart. Attacken oder Spitzen Pompeos wegen mangelnder Militärausgaben, wegen des deutschen Handelsüberschusses oder der deutschen Iran-Politik bleiben aus. Stattdessen geht es unter anderem darum, wie Deutschland den Syrien-Einsatz der USA militärisch unterstützen kann.

Pragmatismus muss sein, trotz aller Differenzen. „Viele der Themen und Konflikte, die uns beschäftigen, lassen sich eben nur in enger amerikanisch-europäischer Abstimmung und Zusammenarbeit lösen“, sagt Maas. „Und das werden wir auch tun.“

Pompeo kündigt dann auch noch an, dass sein nächster Deutschland-Besuch nicht wieder mehr als ein Jahr auf sich warten lassen wird. In den späten 80er Jahren war er als junger Panzer-Kommandeur an der deutsch-deutschen Grenze stationiert, bei den Feiern zum 30. Jahrestag des Mauerfalls will er dabei sein. „Es wird außergewöhnlich sein, wenn ich im Herbst zurückkomme - 30 Jahre später und ein bisschen grauer als ich als junger Leutnant war - um mit den Deutschen zu feiern.“

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