Umfrage unter Unternehmern Wem der deutsche Mittelstand noch vertraut

Wie bewertet der deutsche Mittestand die globalen Exportrisiken – und wie reagieren sie darauf? Quelle: imago images

Zollkrieg, Brexit, Wachstumsschwäche: Eine neue Studie beschreibt, wie der deutsche Mittelstand auf die zunehmenden globalen Risiken reagiert – und wem die Mittelständler noch vertrauen.

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Er exportiert seine Produkte in ein Land, dessen Präsident mit Zöllen bestimmen möchte, wer am Welthandel verdient. Er hat seine Standorte und Handelspartner in Regionen, die jederzeit von Währungskrisen oder politischen Machtspielchen erschüttert werden und zu allem Überfluss stehen zwei seiner wichtigsten Abnehmer in einem erbitterten Handelskrieg. Keine Frage: Es sind brisante Zeiten für den Mittelstand, das Herzstück der deutschen Wirtschaft.

Wie bewerten die Unternehmen selbst die globalen Exportrisiken – und wie reagieren sie darauf? Antworten liefert eine aktuelle Studie der Commerzbank, die der WirtschaftsWoche in Teilen exklusiv vorliegt. Im Auftrag des Geldhauses hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa zwischen November 2018 bis Februar 2019 rund 2000 Eigentümer und Manager der ersten Führungsebene aus mittelständischen Unternehmen aller Größenklassen und Branchen befragt.

Demnach rechnen fast zwei Drittel der Befragten in den kommenden zwei Jahren mit geringerer Planungssicherheit, 61 Prozent erwarten eine sich weiter eintrübende Konjunktur. 68 Prozent der Exportunternehmen betrachten politische Unberechenbarkeit und Instabilität in anderen Ländern aktuell als ein großes Problem für ihr internationales Geschäft. Deshalb planen 170 der befragten Firmen sogar, sich aus einzelnen Märkten zurückziehen. Der Rückzug trifft vor allem die Türkei (33 Prozent), Russland und den Iran (je zehn Prozent). Intensiv beschäftigen den Mittelstand die zunehmenden globalen Handelskonflikte (47 Prozent) sowie die Dieselkrise in der Automobilindustrie. Von ihr sind laut Studie mittelbar oder unmittelbar branchenübergreifend zwei Drittel der Exporteure betroffen. Zudem befürchten mehr als drei Viertel der Unternehmen aus der Ernährungs- und Genussmittelindustrie, dass sich der Klimawandel schlecht auf das Geschäft auswirkt.

Nichtsdestotrotz sind Trump, Brexit und Co. für die meisten Betriebe kein Grund, das Auslandgeschäft zu reduzieren. Lieber verlegt man Produktionsstandorte oder gewichtet den Handel neu. Gleichzeitig konzentriert sich vor allem der „kleine“ Mittelstand (Umsatz zwischen zwei und 15 Millionen Euro) verstärkt auf den EU-Binnenmarkt. Im Gegensatz zu großen Betrieben scheut er die Expansion in Schwellenländer und konzentriert sich in diesen schwierigen Zeiten auf seine Kernprodukte. Jeder zweite Betrieb in dieser Umsatzklasse konzentriert stärker auf den deutschen Markt, 44 Prozent auf den EU-Binnenmarkt. Nur 15 Prozent orientieren sich in Richtung Schwellenländer, so die Studienergebnisse.

Seit 2007 ist der Anteil der exportierenden Unternehmen stabil. Nach wie vor erwirtschaftet etwa jeder zweite Mittelständler mit einem Jahresumsatz ab zwei Millionen Euro einen Teil seines Umsatzes im Ausland – im verarbeitenden Gewerbe sind es sogar 77 Prozent. 91 Prozent der exportierenden Unternehmen setzen Produkte in der Währungsunion ab.

Trotz des Handelskonflikts wollen aktuell 14 Prozent der Betriebe neue Absatzmärkte in den USA erschließen, zwölf Prozent sind es in China. Interessant ist China auch für all jene Betriebe, die ihren Standort verlagern möchten. Fast jeder dritte Mittelständler, der seine Produktion auslagert, entscheidet sich für die asiatische Supermacht. Mittlerweile beurteilen 30 Prozent der deutschen Mittelständler China als „verlässlichen“ oder „sehr verlässlichen“ Geschäftspartner – damit ist die Volksrepublik aktuell vertrauenswürdiger als die USA (17 Prozent). Allerdings muss man auch hier ins Kleingedruckte schauen: Kleine Mittelständler sehen China weitaus skeptischer. Fast drei Viertel befürchten, dass ihr geistiges Eigentum in China nicht ausreichend geschützt sei – im großen Mittelstand sind es nur 41 Prozent.

Und was ist mit dem Brexit? Zum Zeitraum der Befragung war mehr als jeder zweite mittelständische Exporteur in Großbritannien aktiv. Aktuell vertrauen aber nur noch acht Prozent der Mittelständler auf britische Geschäftsbeziehungen, selbst Russland wirkt mit zehn Prozent verlässlicher. Trotzdem befürchten nur 35 Prozent der mittelständischen Firmen für sich negative Folgen durch einen möglichen Brexit.

Schließlich gibt es noch einen bislang wenig beachteten Kollateralschaden der aktuellen Handelskonflikte: Von den Unternehmen, die bisher kein Auslandsgeschäft haben, ist für lediglich sechs Prozent die Internationalisierung zumindest eine Option. Zum Vergleich: 2007 konnten sich noch 17 Prozent der mittelständischen Unternehmen vorstellen, den Exporthandel aufzunehmen.

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