Nord Stream 2 Kompromiss im Pipeline-Streit

Ein Pipeline-Stück der Erdgaspipeline Eugal wird verlegt. Die Leitung soll nach ihrer Fertigstellung russisches Erdgas aus der Ostseepipeline Nord Stream 2 ins europäische Gasnetz speisen. Quelle: dpa

Im Streit um die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 gibt es einen Kompromiss. Die EU-Staaten haben sich auf zusätzliche Auflagen geeinigt, die das Projekt aber nicht gefährden sollen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die EU-Staaten haben sich auf einen Kompromissvorschlag zur Reform des europäischen Gasmarkts geeinigt, der ein vorzeitiges Aus für die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland abwendet. Nach Angaben eines EU-Diplomaten in Brüssel stellten sich die Botschafter der 28 Mitgliedsstaaten am Freitag nahezu einstimmig hinter einen Vorstoß aus Berlin und Paris. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, es sei ein wichtiger Schritt mit großer Mehrheit in Richtung der Gasmarkt-Reform gelungen.

Dem Papier zufolge würde die deutsche Regierung bei Nord Stream 2 ab einem bestimmten Punkt der Pipeline für die Aufsicht zuständig sein. „Der Vorschlag soll deutlich machen, dass sich die genannten Vorschriften auf das Hoheitsgebiet und das Küstenmeer des betreffenden Mitgliedstaats beziehen.“ Damit würden sich Bau und Betrieb der Pipeline schwieriger und teurer gestalten, aber letztlich doch möglich sein, sagten EU-Diplomaten. Frankreich hatte sich zunächst überraschend gegen Deutschland gestellt, sich dann aber auf den Kompromiss mit Berlin eingelassen. „Es ist sehr wichtig, dass Frankreich und Deutschland gemeinsam vorgegangen sind, dass wir uns nicht zerstritten haben“, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier in Wiesbaden.

EU setzt Gazprom unter Druck

Der Kompromiss zur neuen Gasrichtlinie, dem die EU-Staaten zugestimmt haben, dämpft voraussichtlich die Profitabilität von Nord Stream 2. An einer Stelle konnte die Bundesregierung aber den Schaden begrenzen.
von Silke Wettach

„Mit der vorgeschlagenen Änderung der Gasrichtlinie soll gewährleistet werden, dass die Vorschriften, die den Gasbinnenmarkt der EU regeln, für Gasfernleitungen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland bis zur Grenze des Hoheitsgebiets und Küstenmeers des Mitgliedstaats gelten“, teilte der Europäische Rat mit. „Dadurch wird der EU-Rechtsrahmen kohärenter, wird mehr Transparenz erzielt und wird Rechtssicherheit für Gasinfrastrukturinvestoren und Netznutzer gewährleistet.“

Die EU-Kommission ist gegen das Pipeline-Projekt in seiner ursprünglichen Form und hat neue Regeln vorgeschlagen, um die Kontrolle zu gewinnen. Demnach sollen die derzeitigen Regeln für den internen EU-Gasmarkt auf Pipelines aus Drittstaaten, die nach Europa gehen, erweitert werden. Für solche Gasleitungen würden damit die gleichen Auflagen im Hinblick auf eine Regulierung der Preise und die Transparenz gelten wie für Pipelines innerhalb der Union.

Trotz der Annahme in Brüssel ist die Gas-Reform noch nicht in trockenen Tüchern. Als nächstes müssen sich EU-Parlament, Kommission und Mitgliedsländer in einem Vermittlungsverfahren auf die finale Version einigen. Der russische Gazprom, der die rund 1200 Kilometer lange Leitung mit finanzieller Unterstützung mehrerer Versorger baut, hatte sich in der Vergangenheit gegen eine Einflussnahme der EU auf seine Pipelines gewehrt. Sollte die EU an den Eigentumsrechten der Russen an der Pipeline rütteln, dürfte dies auf Protest stoßen. Die Gesellschaft Nord Stream 2 hielt sich bedeckt: Man habe das Ergebnis der Abstimmung in Brüssel zur Kenntnis genommen und werde „die verfügbaren Informationen, sobald diese vorliegen, auswerten. An möglichen Spekulationen rund um das Thema beteiligt sich Nord Stream 2 nicht.“ Auch der Düsseldorfer Versorger Uniper, der bereits 600 Millionen Euro für den Bau zur Verfügung gesellt hat, sah noch Klärungsbedarf.

Was Sie über Nord Stream 2 wissen müssen

Diplomaten: Unmut über Einflussnahme der USA

„Deutschland hat den Anspruch, seine Energieversorgung divers sicherzustellen“, sagte Merkel. „Dazu gehört auch russisches Erdgas, aber nicht ausschließlich russisches Erdgas.“ Die Bundesregierung habe zudem deutlich gemacht, dass in Zukunft auch Flüssiggas etwa aus den USA in Deutschland anlanden werde. Die Einigung in Brüssel sei ein wichtiger Schritt, allerdings sei man bei der Reform des Gasmarktes „noch nicht am Ende des Weges“. „Aber diesen Tag finde ich gut, und er wäre ohne die deutsch-französische Zusammenarbeit so nicht erfolgt.“.

Die Bundesregierung sieht in Nord Stream 2 ein rein privatwirtschaftliches Projekt. Den USA wiederum ist die Leitung, die bereits zur Hälfte verlegt ist, ein Dorn im Auge. Ein EU Diplomat sagte, die USA hätten in den letzten Tagen enormen Druck auf die Regierungen der EU-Staaten ausgeübt mit dem Ziel, Nord Stream 2 zu verhindern. Selbst kurz vor Beginn der EU-Sitzung hat es noch einmal letzte US-Lobbyversuche gegeben. Dass die Gasrichtlinie dann fast im Konsens verabschiedet wurde, ist auch auf den wachsenden Unmut unter den EU-Staaten über die versuchte US-Einflussnahme zurückzuführen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%