Robert Holzmann, Gouverneur der Österreichischen Notenbank (OeNB) und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), erwartet keine großen Auswirkungen auf die Konjunktur durch eine mögliche vierte Welle der Corona-Pandemie. „Wir sehen, dass die wirtschaftlichen Effekte mit jeder Welle geringer werden“, sagte Holzmann der WirtschaftsWoche. „Wahrscheinlich wird eine Welle kommen, aber ihre ökonomischen Effekte werden vor allem aufgrund der Impfungen schwächer als jene der dritten sein.“ Holzmann unterstreicht, dass bisher alle Daten darauf hindeuten, „dass die Wirtschaft besser läuft als gedacht.“
Gerade weil sich kein Einbruch der Konjunktur abzeichnet, plädiert Holzmann für ein Auslaufen des Pandemiekaufprogramms der EZB im kommenden Jahr. „Sollten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiterhin günstig bleiben, muss das Pandemiekaufprogramm im nächsten Jahr auslaufen“, unterstreicht der Ökonom. Holzmann zählt mit seiner Forderung zu den Falken, ähnlich wie Bundesbankchef Jens Weidmann und der Gouverneur der niederländischen Notenbank Klaas Knot. Holzmann beobachtet, dass in manchen Ländern die Eurozone die Einsicht noch nicht gereift sei, dass die EZB ihr Aufkaufprogramm auslaufen lassen solle. „Aber in einer Währungsunion kann nicht der Langsamste das Tempo bestimmen.“
Holzmann, der lange Zeit für die Weltbank in Washington gearbeitet hat, schickte Ende August die Aktienmärkte auf Talfahrt, als er öffentlich erwog, die Anleihekäufe der EZB im Rahmen des Pandemiehilfsprogramms (PEPP) auslaufen zu lassen. Im Herbst will der Rat der EZB die Modalitäten des Ausstiegs diskutieren. „Ich denke, den Finanzmärkten ist klar, dass die ultralockere Geldpolitik nicht ewig in dieser Form weitergeführt werden wird.“ Es seien aus dem EZB-Rat jüngst genügend Signale gesendet geworden, dass die EZB über ein Ende der Pandemiehilfe nachdenken.
Am Donnerstag hatte der EZB-Rat um Präsidentin Christine Lagarde bei seiner Sitzung in Frankfurt beschlossen, das Tempo der Notfallhilfen zu drosseln. Im vierten Quartal sollen die Anleiheankäufe im Rahmen des PEPP geringer ausfallen als bisher. Zuletzt hatte die monatliche Summe bei rund 80 Milliarden Euro gelegen. Die PEPP-Käufe sollen noch mindestens bis März fortgesetzt werden. Lagarde deutete an, dass das Ende der Käufe im Dezember auf die Tagesordnung des EZB-Rats kommen könnten, wenn die EZB-Volkswirte ihre Konjunkturprognosen aktualisiert haben.
Wenn die USA schon sehr viel konkreter über einen Ausstieg aus den Corona-Anleihekäufen nachdenken würden als Europa, dann ist dies Holzmann zufolge verständlich, schließlich seien die USA Europa im Konjunkturzyklus mindestens drei, vielleicht sogar sechs Monate voraus. „Die Europäer bringt das in Zugzwang“, unterstreicht Holzmann. Amerika bestimme die Marschrichtung der globalen Geldpolitik. Europa kann sich langfristig nicht komplett von den USA abkoppeln.
„Alle Faktoren sprechen für sinkende Inflationsraten“
Die EZB hat am Donnerstag ihre Inflationsprognose erhöht und erwartet nun für dieses Jahr eine Teuerungsrate von 2,2 Prozent. Im Juni hatte die EZB noch mit 1,9 Prozent gerechnet. Die Inflation hat damit die Zielmarke von zwei Prozent überschritten, die EZB hat gerade erst ihre Politik geändert und will vorübergehende Werte über der Zielmarke hinnehmen. Im August hatte die Inflation in der Eurozone sogar drei Prozent erreicht, den höchsten Wert seit zehn Jahren. In Deutschland war sie im August nach nationaler Berechnungsweise sogar auf 3,9 Prozent hochgeschnellt.
Der österreichische Notenbankgouverneur Holzmann zeigt sich beim Thema Inflation trotzdem entspannt. „Alle Faktoren, die für wieder sinkende Inflationsraten sprechen, haben weiterhin Bestand“, so Holzmann. So gehe die Globalisierung mit ihren preisdämpfenden Effekten trotz aller Probleme weiter. Europäische Unternehmen werden nach wie vor im Ausland produzieren. Eine aktuelle Untersuchung zeige, dass nur zehn Prozent der Unternehmen in der Europäischen Union beabsichtigen, ihre Produktion aus Billiglohnländern nach Europa zurückzuholen. Bei einem derart kleinen Anteil sei kein großer Effekt für die Inflation zu erwarten.
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