Selbstbedienungskassen gehören in vielen der 56.000 Minisupermärkten in Japan trotz einer geringen Durchschnittsgröße von nur 100 Quadratmetern zum Standard. Viele andere Kassen sind teilautomatisiert: Ein Ladenmitarbeiter scannt noch die Ware, aber die Kasse befindet sich auf Kundenseite, die den Bezahlvorgang selbst abwickeln.
Die Maschinen nehmen Bargeld, Kreditkarten, Geldkarten und akzeptieren auch Zahlungen per Smartphone-Apps. Diese Revolution kam schleichend daher, ausgelöst durch den starken Mangel an Personal und dann beschleunigt durch die Pandemie. Die Automatisierung schreitet auch in anderen Service-Bereichen voran: In vielen Kettenrestaurants fahren Servierroboter das Essen zu den Gästen, während in den Küchen immer mehr Maschinen die Gerichte zubereiten. Die hohen Investitionen in maschinelle Helfer stützen die japanische Wirtschaft. Im Auftaktquartal 2023 wuchs das Bruttoinlandsprodukt laut der heutigen, revidierten Schätzung um 0,7 Prozent zum Vorquartal.
Aufs Jahr hochgerechnet legte die Wirtschaftsleistung um 2,7 Prozent zu. Die Kapitalausgaben der Unternehmen wuchsen um 1,4 Prozent zum Vorquartal bereits zum vierten Mal hintereinander. Schon zuvor hatte die Regierung in Tokio erstmals seit zehn Monaten die Wirtschaftslage besser eingeschätzt. Die starken Zahlen kamen nicht überraschend.
„Japan ist der positive Ausreißer in diesem Jahr“, erklärt der Ökonom Robert Feldman vom Brokerhaus Morgan Stanley MUFG. Die Volkswirtschaften der zehn größten Industrienationen wachsen laut seiner Prognose in 2023 im Schnitt nur um 0,5 Prozent, Japans Wirtschaft aber um 1 Prozent. Die Weltbank erwartet für Japan ein Wachstum von 0,8 Prozent und damit doppelt so viel wie für die Eurozone. Und die OECD sagt in ihrem jüngsten Ausblick einen Anstieg des Bruttoinlandproduktes um 1,3 Prozent vorher, die deutsche Wirtschaft soll dagegen stagnieren.
Seien wir fair, man kann es auch anders betrachten: Während Japans Konjunktur relativ gut läuft, da das sogenannte Potenzialwachstum nur magere 0,5 Prozent beträgt, bremsen die Euro-Volkswirtschaften gegenüber dem Vorjahr ab. Japan lässt sich also auch als der Einäugige unter den Blinden beschreiben. Aber ausländische Investoren reagierten auf den Aufschwung und kauften im April und Mai für netto 27 Milliarden Euro japanische Aktien. Die führenden Aktienbarometer Nikkei 225 und Topix kletterten auf 33-jährige Höchststände. Die Konjunktur läuft „hervorragend“, meint auch die US-Investmentbank JP Morgan unter Verweis auf aktuelle Daten: Der Einkaufsmanagerindex für alle Industrien stieg im Mai auf den höchsten Wert seit einem Jahrzehnt und steht nur knapp einen Punkt unter seinem Rekord.
Auch der Index für das produzierende Gewerbe schaltete im Mai wieder auf Expansion, weil die verbesserte Versorgung mit Halbleitern die Autoproduktion ankurbelt. Währenddessen profitieren die Servicebranchen von der Rückkehr der Auslandstouristen nach dem Ende der Pandemie. Dank des festen Privatkonsums und der hohen privaten Kapitalausgaben könnte die japanische Wirtschaft nach einer Einschätzung von UBS Japan selbst eine US-Rezession in der zweiten Jahreshälfte gut meistern. Ein Grund für diese Sonderentwicklung: Japan zeichnet sich als Gewinner der Deglobalisierung ab. Auslandsinvestoren ziehen derzeit Kapital aus China und Hongkong ab, aber es soll in Asien bleiben. Japan bietet sich als naheliegende Alternative an.
Chronik: Die Kursentwicklung des Euro seit der Einführung
Januar 1999: Der Euro wird von den elf Gründerländern der Europäischen Währungsunion (EWU) aus der Taufe gehoben. Der Umrechnungskurs für die D-Mark beträgt 1,95583 DM je Euro. Am 4. Januar startet der Handel in Sydney mit 1,1747 Dollar. Zeitweise steigt der Euro auf knapp 1,19 Dollar. Angesichts des sich anbahnenden Krieges im Kosovo geht er aber bald auf Talfahrt.
Dezember 1999: Der Euro rutscht erstmals auf einen Dollar.
September/Oktober 2000: Der Euro erreicht am 26. Oktober sein vorläufiges Rekordtief von 0,8225 Dollar. Doch die Zentralbanken, die eine Destabilisierung der Weltwirtschaft fürchten und schon zuvor der jungen Währung unter die Arme gegriffen haben, verstärken nun ihre Interventionen. Damit beenden sie letztlich die Talfahrt.
Januar 2002: Die reibungslose Einführung des Euro-Bargelds honorieren die Finanzmärkte mit Euro-Käufen. Im Juli steigt die Gemeinschaftswährung über einen Dollar. In den Folgejahren wächst das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung weiter.
2007 und 2008: Die Serie von EZB-Zinserhöhungen seit Ende 2006 gibt dem Euro kontinuierlichen Auftrieb, während die Fed wegen der heraufziehenden Finanzkrise bereits ab Sommer 2007 die Geldpolitik wieder lockert. Im Gegenzug steigt der Euro erstmals über 1,40 Dollar.
Juli 2008: Eine letzte EZB-Zinserhöhung kurz vor dem endgültigen Ausbruch der Finanzkrise hievt den Euro auf sein bisheriges Rekordhoch von 1,6038 Dollar.
September 2008: Im Sog der Finanzkrise mit der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers geht es für den Euro wieder bergab. Der Schock über ein überraschend hohes Haushaltsdefizit Griechenlands und Zweifel an der Entschlossenheit der Europäer, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, machen dem Euro zu schaffen. Der Oktober 2008 ist mit einem Minus von fast zehn Prozent der bislang schwärzeste der Gemeinschaftswährung. Mit einem Kurs von 1,238 Dollar notiert er zeitweise 23 Prozent unter seinem Rekordhoch vom Juli. Im Dezember 2008 steigt der Euro wieder um zehn Prozent, so stark wie noch nie innerhalb eines Monats.
7. Juni 2010: Der Euro fällt auf 1,1875 Dollar und liegt damit noch knapp über dem Einstiegsniveau von 1999.
Mai 2014: Die Anleger haben wieder Vertrauen in den Bestand der Währungsunion gefasst: Der Euro steigt auf fast 1,40 Dollar.
September 2014: Die EZB überrascht die Märkte mit einer Zinssenkung. In den USA deutet dagegen vieles auf steigende Zinsen hin. Die wachsende Differenz drückt den Euro bis zum Jahresende auf 1,21 Dollar.
22. Januar 2015: Die EZB kündigt Anleihenkäufe für eine Billion Euro an und drückt den Euro so binnen kurzer Zeit auf etwa 1,11 von zuvor über 1,16 Dollar.
24. Juni 2016: Das "Ja" der Briten zum Brexit brockt dem Euro innerhalb weniger Stunden einen Kursverlust von fünf US-Cent auf 1,0914 Dollar ein, ehe er sich stabilisiert.
9. November 2016: Donald Trump wird neuer Präsident der USA. Die Aussicht auf Konjunkturprogramme lösen Spekulationen auf steigende US-Zinsen aus. Der Euro fällt unter 1,06 Dollar.
15. Dezember 2016: Die Fed erhöht erneut die Zinsen.
3. Januar 2017: Spekulationen auf weitere US-Zinserhöhungen drücken den Euro auf ein 14-Jahres-Tief von 1,0342 Dollar.
20. Juli 2017: Mit der Ankündigung, die Anleihenkäufe im Herbst zu überprüfen, löst die EZB einen Run auf den Euro aus, der erstmals seit zwei Jahren über 1,16 Dollar steigt. Wenige Wochen später erobert er erstmals seit Januar 2015 die 1,20er Marke zurück.
März 2020: Der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie löst ein erneutes weltweites Börsenbeben aus. Der Euro steigt zunächst auf ein 13-Monats-Hoch von 1,1492 Dollar und fällt binnen Tagen auf ein Drei-Jahres-Tief von 1,0636 Dollar. Wie bereits 2008 schreiten die Notenbanken mit billionenschweren Geldspritzen ein, um einen Absturz der Konjunktur zu verhindern.
Januar 2021: Spekulationen auf eine rasche Erholung der Weltwirtschaft von den Pandemie-Folgen und anlaufende Massenimpfungen geben dem Euro Auftrieb. Er steigt zeitweise auf 1,2349 Dollar, den höchsten Stand seit fast drei Jahren.
2021 bis Anfang 2022: Da Pandemie-bedingte Beschränkungen des öffentlichen Lebens Lieferketten stören, verteuern sich zahlreiche Produkte. Die EZB bezeichnet den Teuerungsdruck als vorübergehend und hält an ihrer ultralockeren Geldpolitik fest, während die Fed zum Jahreswechsel 2021/2022 die Zinswende einleitet. Der Euro fällt auf etwa 1,12 Dollar zurück.
Februar 2022: Der russische Einmarsch in die Ukraine verschärft die Lieferketten-Probleme und damit den Inflationsdruck. Rohstoffe wie Nickel oder Getreide werden knapper. Die Diskussion um ein Embargo russischer Öl- und Gaslieferungen treibt die Energiepreise. Da eine EZB-Zinserhöhung noch in weiter Ferne scheint, fällt der Euro in den Folgemonaten zeitweise auf ein Fünfeinhalb-Jahres-Tief von 1,0470 Dollar.
12. Juli 2022: Die Fed bekämpft die Inflation weiter mit der Brechstange. Für Investoren gilt als ausgemacht, dass sie ihren XXL-Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten vom Juni bei der kommenden Sitzung wiederholen wird. Die EZB steht zwar ebenfalls vor einer Zinserhöhung, äußert sich wegen der drohenden Rezession zurückhaltender. Der Euro verfehlt die Parität mit 1,00005 Dollar um Haaresbreite.
Von Reuters
Der Trend zum „Friendshoring“ bei Lieferketten – also die Ansiedlung von Produktionsstätten in befreundeten Ländern – löst einen Boom im Halbleitersektor aus. TSMC, Micron und Samsung investieren in Nippon, das zur „Chip-4“-Allianz von USA, Südkorea und Taiwan gehört. Auch sitzt Japan wie eine Spinne im Netz aller Freihandelsverträge in Asien. „Die Rivalität zwischen den USA und China hat in Japan ein hohes Krisenbewusstsein für die eigenen wirtschaftlichen Abhängigkeiten erzeugt“, erläutert der deutsche Japan-Ökonom Jesper Koll. „Wie vertrauenswürdig ist China noch? Und auch wenn man es nicht laut sagt: Wie vertrauenswürdig sind eigentlich die USA? Davon sind viele Entscheidungen getrieben.“ Das bessere Abschneiden von Japan lässt sich auch mit Sonderwegen erklären. „Ob in der Geldpolitik, der Fiskalpolitik oder der Ordnungspolitik – Japan gibt Vollgas in Sachen Wachstum“, meint Koll. In der Geldpolitik folgt Japan den USA und Europa nicht und verweigert jede Straffung.
Die Notenbank hält auch unter ihrem neuen Gouverneur Kazuo Ueda konsequent an der Nullzinspolitik fest, obwohl die Inflation stabil über drei Prozent liegt – eine so hohe Rate gab es seit den 1990er Jahren nicht mehr. Aber die Inflation ist deutlich niedriger als etwa in Deutschland, weil Strom und Energie nicht ganz so teuer wurden. Japan betreibt zehn Atomkraftwerke, weitere Meiler sollen im Sommer ans Netz gehen. Außerdem bezieht die japanische Wirtschaft weiter Flüssiggas aus Russland. Eigentlich müsste der neue Notenbankchef längst handeln, da sein Inflationsziel von zwei Prozent seit dem vergangenen Jahr deutlich überschritten ist. Auch die Löhne zogen im Frühjahr erstmals seit drei Jahrzehnten kräftig an. Die Großunternehmen, die knapp ein Drittel der Japaner beschäftigen, gewährten einen tiefen Schluck aus der Lohnpulle.
Das Plus von 3,9 Prozent war die höchste Steigerung seit 1993. Auch 60 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen, die sonst extrem knauserig sind, zahlen ihren Mitarbeitern mehr. Doch Ueda will die monetären Stellschrauben erst anfassen, wenn die Lohnkosten weiter steigen und zu höheren Preisen führen. Dafür nimmt Ueda auch den Wertverfall der eigenen Währung in Kauf. Seit März 2022 wertete der Yen allein zum Euro um 20 Prozent ab.
Die Entwicklung wird inzwischen zum Selbstläufer: Denn je mehr der Yen fällt, desto mehr kaufen Privatanleger ausländische Währungen, was den Yen weiter aufweicht. Aber die Zentralbank muss auch den Immobilienmarkt im Blick behalten. Nach über zwei negativen Jahrzehnten werden Grundstücke für Wohnimmobilien wieder teurer, wenn auch nur leicht. Eine Anhebung der Zinsen würde diesen positiven Vermögenseffekt zunichtemachen – noch ein Grund zum Abwarten. „Die Kosten einer zu späten Verschärfung der Geldpolitik sind höher als die eines zu frühen Handelns“, formulierte Ueda sein Credo. Auch Premierminister Fumio Kishida will derzeit kein Ende der ultralockeren Geldpolitik. Sonst müsste er teuer für die steigende Neuverschuldung durch seine neuen Projekte bezahlen: Der Verteidigungsetat soll binnen fünf Jahren um zwei Drittel nach dem Vorbild der NATO auf zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes steigen.
Außerdem plant Kishida zusätzliche 23 Milliarden Euro an Familienhilfen, um die Geburtenrate anzukurbeln. Höhere Steuern lehnt der Premier aber vorerst ab. „Die Regierung toleriert die höhere Inflation, weil die Schuldenquote dabei sinkt“, kommentiert Ökonom Toru Sasaki von JP Morgan Securities. Japans Aufschwung könnte noch eine Weile weitergehen. Die OECD sagt für 2024 ein Wachstum von 1,3 Prozent vorher. Allerdings sehen einige Analysten dunkle Wolken heraufziehen: „Wir sollten die japanischen Exporte nach China beobachten – in zyklischer Hinsicht sollten sie zunehmen“, warnt Ökonom Koll. Denn neben den Investitionen der Unternehmen und dem Privatkonsum bleiben die Ausfuhren ein wichtiges Standbein der japanischen Wirtschaft.
Die größte Gefahr sieht der Deutsche daher darin, dass die chinesische Regierung ihre Währung Yuan abwertet, um die Wirtschaft anzukurbeln. Damit würde sich China einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber Japan verschaffen.
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