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Neues KI-ModellKann Google OpenAI aushebeln?

Alle reden bei KI über OpenAI und nicht über Google. Dessen Chef Sundar Pichai will das nun ändern. Doch die Offensive namens Gemini wirkt überstürzt.Matthias Hohensee 07.12.2023 - 11:06 Uhr

Gemini: Die neue KI aus dem Hause Google.

Foto: imago images

Für Google könnte sich 2023 als Schicksalsjahr entpuppen. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr – Google wurde im Herbst 25 – muss der Silicon-Valley-Technologiekonzern mit gleich zwei Traumata fertig werden.

Trauma 1 war im Januar der überraschende Rauswurf von 12.000 Mitarbeitern, weil das Management während Covid die Belegschaft zu stark vergrößert hatte. Die Entlassungswelle zerstörte das Bild vom treu sorgenden väterlichen Arbeitgeber, welches Google über viele Jahre sorgfältig gepflegt hatte.

Trauma 2: Der überraschende Erfolg des KI-Bots ChatGPT von OpenAI, der in der Rekordzeit von nur zwei Monaten 100 Millionen Nutzer auf der ganzen Welt gewann, direkt unter der Nase von Google. Und sich im Februar noch enger mit Microsoft verbündete, um unter anderem dessen Exoten-Suchmaschine Bing auf die Sprünge zu helfen.

Seitdem hat das Image des weltweiten Trendsetters bei KI heftige Kratzer erlitten, allen wissenschaftlichen Durchbrüchen und langjährigen Investitionen zum Trotz. Eilig zog Google Anfang Februar den Start seines Chatbots Bard vor und verpatzte diesen auch noch, als Bard eine vorausgewählte Frage zum James-Webb-Weltraumteleskop falsch beantwortete. Nicht dieses schoss das erste Foto eines extrasolaren Planeten, die Ehre gebührt dem Großteleskop der Europäischen Südsternwarte in Chile, dem das bereits 2004 gelungen war.

Der Irrtum machte weltweit Schlagzeilen und kostete Google unmittelbar 100 Milliarden Dollar an Börsenwert. Die sind zwar inzwischen mehr als ausgewetzt. Google hat seitdem knapp 30 Prozent an Wert zugelegt, was ungefähr 350 Milliarden Dollar entspricht.

Das eigentliche Problem ist, das Bard nur die zweite Geige spielt. Bei der Internet-Suche denkt man zuerst an Google, bei Chatbots an ChatGPT. Das birgt die Gefahr, dass Google sich ein weiteres Trauma einhandelt, an dem Microsoft seit vielen Jahren mit seiner Suchmaschine Bing leidet: Egal, wie stark Bing verbessert wird, es fällt niemandem auf. Weil sich alle schon an Googles Suchmaschine gewöhnt haben.

Ist das Kind – in diesem Fall Bard – schon in den Brunnen gefallen? Das ist noch unklar. Investoren sitzen Google-Chef Sundar Pichai mit unbequemen Fragen im Nacken, wann der große Turbo eingelegt wird, um OpenAI endlich zu überholen.

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Am Mittwoch haben Pichai und sein oberster KI-Wissenschaftler Demis Hassabis, der Mitgründer von Deep Mind, ihn gezündet. Und zwar in Form eines neuen Modells namens Gemini. Die Arbeit an ihm hatte Pichai im Mai auf seiner Entwicklerkonferenz bereits erwähnt. Doch die Premiere zum jetzigen Zeitpunkt überrascht, weil zumindest der Einsatz des Modells überstürzt wirkt. Offenbar will man die derzeitige Schwäche von Wettbewerber OpenAI nutzen, der wegen eines erratischen Machtkampfes angeschlagen wirkt.

Salopp beschrieben, tauscht Google den Motor bei Bard aus, um zugkräftiger zu werden. Oder – um in den typischen Superlativen des Silicon Valley zu bleiben – „eine neue Ära zu starten.“ Es sind drei Motoren mit unterschiedlicher Stärke. Das kleinste namens Gemini Nano ist für Smartphones gedacht und steht ab sofort für Googles Smartphone-Topmodell Pixel Pro 8 bereit.

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Das Flaggschiff des neuen Modells ist das für Rechenzentren entwickelte Gemini Ultra sowie das weniger umfangreiche Gemini Pro. Bard wird ab sofort mit einer speziell aufbereiten Version von Gemini Pro ausgestattet, allerdings nur in Englisch. Anfang nächsten Jahres kommt dann eine spezielle Version von Bard, die auf Gemini Ultra läuft. Unklar ist, ob diese Variante ähnlich wie bei Chat GPT als Abomodell offeriert werden wird und zu welchen Kosten. Europa wird vorerst ausgespart, bevor die Regulierung von KI klarer ist.

Gemini – was in der Astronomie fürs Sternbild Zwilling steht – ist multimodal ausgebaut, kann also nicht nur mit Text, sondern mit Bildern, Video und Audio gleichermaßen umgehen.

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Gemini soll Schlüsse ziehen können, also Fragestellungen genauer verstehen und bessere Antworten liefern. Beispielsweise die Inhalte von Dokumenten besser zusammenfassen und diese später ergänzen zu können, falls neue Informationen dazukommen. Allerdings wird es wie seine Wettbewerber weiterhin halluzinieren, also Dinge erfinden.

Die Kernfrage ist, ob Gemini dem derzeitigen Platzhirsch GPT-4 überlegen ist. Google bejaht das, allerdings nur für die Ultra-Variante. Was jedoch umstritten ist, angeblich konnte man GPT-4 nur in einem Benchmark übertrumpfen. Doch wenn Google so überzeugt ist, warum trumpft man nicht gleich mit der erweiterten Version von Bard auf, als auf Anfang nächstes Jahr zu vertrösten?

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Die Antwort: Donnerhall. Es geht nicht nur um Bard, was zwar ein wichtiges Aushängeschild ist, um die KI-Fähigkeiten nach außen zu demonstrieren. Das eigentliche Geschäft steckt jedoch darin, Unternehmen zu bewegen, die KI-Modelle von Google zu verwenden und nicht die von Konkurrenten wie OpenAI und Microsoft. Wenn diese sich erst mal an die Wettbewerber gewöhnt haben, so die Furcht, lassen sie sich nicht so schnell von Alternativen überzeugen – siehe das Schicksal der Suchmaschine Bing.

Googles Cloud-Kunden sollen deshalb schon ab dem 13. Dezember Zugriff auf Gemini Pro erhalten. Einige ausgewählte Pilotkunden arbeiten bereits mit dem Flaggschiff Gemini Ultra.

„Google muss die Messlatte höher legen und hat das mit Gemini nun sehr sichtbar getan, um seinen Ruf als einflussreicher KI-Anbieter zu festigen“, meint Gartner Analyst Daryl Plummer. Die meisten Menschen, so Plummer weiter, würden sich bei KI derzeit an OpenAI und Microsoft orientieren. Nun werfe Google den „Fehdehandschuh hin und zwar nicht nur in Bezug auf die Größe des Modells, sondern auch dessen Möglichkeiten.“

Ergo: OpenAI muss nun auf Google reagieren und nicht wie bislang umgekehrt. Die Antwort könnte ChatGPT-5 lauten. An dem OpenAI-Chef Sam Altman bereits arbeiten ließ, bevor er wegen zu großer Hektik beim Kommerzialisieren von KI kurzfristig seinen Posten verlor.

Lesen Sie auch: Auch KI kann Microsofts Bing nicht helfen

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