US-Lieferdienst-Marktführer Doordash-Gründer: „Deutschland ist ein unterversorgter Markt“

Doordash-Kurierfahrer Quelle: Presse

Der US-Lieferdienst Doordash startet seine Deutschland-Expansion. Wie sinnvoll ist der Schritt angesichts der Doordash-Beteiligung am Berliner Lieferdienst Flink und der Übernahme von Wolt? Fragen an Co-Gründer Andy Fang.

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Der Online-Bestell- und -Lieferdienst Doordash wurde 2013 von vier Studierenden an der Uni Stanford gegründet: Andy Fang, Tony Xu, Evan Charles Moore und Stanley Tang. Nach einigen Finanzierungsrunden (u.a. von Softbank) und einer raschen Expansion ging Doordash im Dezember 2020 in New York an die Börse. Heute ist Doordash in den USA Marktführer als Plattform für Restaurantessen-Bestellungen und -Lieferungen, setzt rund 2,6 Milliarden Euro um und wird mit rund 67 Milliarden Euro bewertet. In den vergangenen Wochen gelangen der Jungfirma gleich zwei Expansionsschritte in Europa: Im September beteiligte sich Doordash mit umgerechnet etwa 352 Millionen Euro am Berliner Schnelllieferdienst Flink. Und vergangene Woche verkündete das Doordash-Management die Übernahme des finnischen Lieferdienstes Wolt für rund 7 Milliarden Euro. Dessen ungeachtet startet Doordash nun seinen eigenen Dienst in Deutschland – und zwar zunächst in Stuttgart.

WirtschaftsWoche: Herr Fang, warum braucht Deutschland noch einen weiteren Lieferdienst?
Andy Fang: Wir wollen in unterversorgten Märkten starten. Wenn man sich Deutschland heute anschaut, dann sind nach unserer Marktevaluierung nur 18,5 Prozent der Restaurants in Deutschland überhaupt auf einem Online-Marktplatz vertreten – über 80 Prozent sind es also noch nicht. Das meinen wir mit einem unterversorgten Markt. Es gibt viele Händler und Kaufleute, die Kunden erreichen wollen, die aber aus unterschiedlichen Gründen nicht in der Lage sind, in ihre Geschäfte zu gehen. Wir freuen uns also sehr darauf, ihnen dies nun zu ermöglichen.

Erst vor wenigen Tagen hat Doordash die Übernahme des finnischen Lieferdienstes Wolt angekündigt. Wolt ist bereits in 23 europäischen Ländern aktiv. Mit dem Start von Doordash in Deutschland konkurrieren Sie nun mit Ihrem Übernahmeziel.
Ich kann leider nicht viel zu der Übernahme sagen, da sie technisch noch unter dem Vorbehalt behördlicher Genehmigungen steht beziehungsweise von den Juristen noch nicht genehmigt worden ist. Fakt ist: Wir gehen in Stuttgart an den Start, da ist Wolt nicht.

Doordash-Mitgründer Andy Fang Quelle: Presse

Aber Sie werden Ihre Deutschland-Expansion nicht in Stuttgart stoppen. Das heißt, früher oder später wird es Doordash und Wolt in denselben Städten geben. Wie sinnvoll ist es, dass beide Dienste parallel existieren?
Wie gesagt, der Deal mit Wolt ist noch nicht abgeschlossen, aber: Wir haben eine langfristige Sichtweise. Wenn wir über Initiativen nachdenken, international zu wachsen und ein globaleres Unternehmen zu werden, geht es nicht um Monate, nicht um Jahre, sondern um einen Zeithorizont von zehn Jahren. Wir wollen wirklich sicherstellen, dass wir uns auf den Kunden konzentrieren und dass wir den Kunden die Möglichkeit geben, bequem an die Artikel und Gerichte zu kommen, die sie wollen, und dass wir den Händlern die Möglichkeit geben, Kunden zu erreichen, die sie sonst nicht hätten. Das ist es, was am Ende des Tages wirklich zählt.

Im September hat sich Doordash mit 400 Millionen Dollar an dem Berliner Express-Lieferdienst Flink beteiligt. Werden Sie mit Doordash auch Lebensmittellieferungen in Deutschland anbieten?
Wir freuen uns sehr über diese Investitionsrunde in Flink. Leider kann ich nicht allzu viel über die Bedingungen des Deals sagen. Aber wir sind sehr fasziniert von der Quick-Commerce-Branche. Es ist sehr eng mit unserer eigenen Mission verbunden, die darin besteht, das Wachstum der lokalen Wirtschaft zu fördern.

Auch jetzt schon in Stuttgart?
In Stuttgart bieten wir neben der Restaurant-Plattform zum Start auch die Lieferung von Blumen und Alkohol an. Wir bieten auch ein einzigartiges Produktangebot für Händler an, das wir Storefront nennen. Dabei handelt es sich um einen Service, mit dem Händler die Doordash-Technologie nutzen können, um Online-Bestellungen auf ihrer eigenen Website zu ermöglichen.

Haben Sie ein Beispiel?
Das Stuttgarter Restaurant Masseria. Wir haben mit der Besitzerin gesprochen, und sie freut sich, dass sie über die Doordash-App eine Lieferung anbieten kann, und auch, dass sie mit Storefront die Aufmerksamkeit auf ihre Webseite lenken kann.

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Worin sehen Sie auf lange Sicht mehr Potential: Bestellung und Lieferung von Restaurant-Mahlzeiten oder das schnelle Liefergeschäft mit Supermarktartikeln?
Restaurants und deren Speisen sowie Quick-Commerce sind nur zwei Bereiche der lokalen Wirtschaft, in denen wir ein wachsendes Interesse an bequemen Lieferdienstleistungen feststellen.

Sie konkurrieren also mit sich selbst in diesem Geschäft – und mit anderen wie Lieferando und Delivery Hero. Doordash ist dagegen hierzulande noch nahezu unbekannt. Wie viel Geld werden Sie für das Marketing in Deutschland ausgeben müssen, um das zu ändern?
Zu den genauen Beträgen kann ich nichts sagen. Hier in Stuttgart nutzen wir einen Multi-Channel-Ansatz für das Marketing, das heißt wir nutzen Out-of-Home-Kampagnen, Zeitungsanzeigen, Youtube-Werbung, und wir haben auch einige Verbraucher-Promo-Aktionen. Zum Beispiel: die ersten 30 Tage eine kostenlose Lieferung.

Es gibt nicht viele Unterscheidungsmerkmale in Ihrem Geschäft. Warum sollten Nutzer, die bisher ihr Essen etwa über Lieferando oder Wolt bestellt haben, jetzt zu Doordash wechseln? Was zeichnet Sie aus?
Eines unserer Arbeitsprinzipien hier bei Doordash ist: Wir sind kundenorientiert, nicht konkurrenzorientiert. Was für die Deutschen sehr überzeugend sein wird, ist Nachhaltigkeit. Vom ersten Tag an werden alle unsere Lieferungen CO2-neutral sein. Wir werden unseren Kunden die Möglichkeit bieten, selbst zu entscheiden, wie sie den CO2-Anteil aus ihrer Lieferung entfernen wollen.

Wie das?
Nach jeder abgeschlossenen Bestellung können die Kunden direkt in der Doordash-App aussuchen, welches nachhaltige Projekt sie unterstützen wollen. Über unseren Partner Watershed stehen immer mehrere zur Auswahl. Zudem arbeiten wir mit Choco für nachhaltige Verpackungen zusammen. Wir wissen, dass das ein nachhaltiges Angebot für die deutschen Kunden sehr wichtig ist. Ein weiteres Differenzierungsmerkmal ist, dass wir Händlern mehrere Möglichkeiten bieten, den Online-Verkauf auf eine Art und Weise voranzutreiben, die es bisher auf dem Markt nicht gab.

„Das Einzige, was die Leute interessiert, ist, ob und wie man sie bedient“

Werden die Restaurants die Bestellungen selbst ausliefern können - oder wird Doordash sich immer darum kümmern?
Wir geben den Gastronomen die Möglichkeit, beides zu tun. Wir haben eine Option zur Selbstlieferung, die Restaurants nutzen können, wenn sie über Fahrer verfügen. Wir setzen aber auch eine Kurierflotte ein, um die Zustellung zu unterstützen. Wir stellen unsere Fahrer über eine externe Agentur namens Jobandtalent ein. Wir starten in Stuttgart mit zunächst 30 Kurieren.

Wie hoch ist die Provision, die die Restaurants Ihnen zahlen müssen?
Wenn die Restaurants die Lieferung selbst übernehmen, gibt es eine 10-Prozent-Provision. Und wenn wir die Lieferung übernehmen, beträgt die Provision zwischen 25 und 30 Prozent.

Warum starten Sie eigentlich in Stuttgart – und nicht auch in Berlin, wie so viele andere?
Das geht auf unsere Marktforschung zurück, was die Bedienung unterversorgter Märkte angeht. Wir sind der Meinung, dass Stuttgart repräsentativ ist für andere deutsche Städte. Wenn wir also in Stuttgart erfolgreich sein können, können wir es auch in anderen deutschen Städten.

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Welche anderen deutschen Städte werden das sein?
Ich kann leider unsere zukünftigen Deutschlandpläne nicht verraten.

Haben Sie vor, wie in den USA auch in Deutschland sogenannte ghost kitchens zu eröffnen, also ausgelagerte Küchen, ohne Publikumsverkehr, die ausschließlich für Essenslieferungen kochen?
Im Moment starten wir in Deutschland nicht mit ghost kitchen. Aber wir wollen offen bleiben. Während wir in den Vereinigten Staaten gewachsen sind, haben wir eine breite Produktpalette aufgebaut. Wir müssen sehen, welche dieser Produkte auch in Deutschland unseren Kunden dienen können. Und einige dieser Produkte sind vielleicht noch gar nicht entwickelt worden. Unser nachhaltiges Angebot ist zum Beispiel sehr auf den deutschen Markt zugeschnitten. Bezüglich der ghost kitchens evaluieren wir, welche Art von Küche das sein könnte. Wir starten jedenfalls nicht gleich am ersten Tag damit. Aber es könnte etwas sein, das wir ausprobieren, wenn wir dort viel Zugkraft und Nachfrage auf dem Markt sehen.

In den USA ist Doordash Marktführer. Wird es nur dann ein Erfolg für Sie in Deutschland sein, wenn Sie in, sagen wir, vier bis fünf Jahren der deutsche Marktführer sind?
Vier bis fünf Jahre, das ist nicht langfristig genug. Wir wollen im Hinblick auf unsere internationalen Expansionsbestrebungen längerfristig denken. Wir wollen auf jeden Fall eine Größenordnung erreichen, aus der heraus wir unseren Kunden und Händlern wirklich dienen können. Letzten Endes hängt die Größe nicht davon ab, welche Position man auf dem Markt einnimmt. Es geht darum, wie viele Kunden und Händler man bedient. Das ist es, was die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens ausmacht. Das Einzige, was die Leute interessiert, ist, ob und wie man sie bedient, und darauf werden wir uns konzentrieren. Es wird eine langfristige Verpflichtung für uns sein, das zu erreichen.



Aber ist es nicht Ihr Ziel, die Nummer eins zu sein?
Wir wollen uns um den Kunden kümmern, nicht um die Konkurrenz. Wir wollen uns auf Dinge konzentrieren, die wir kontrollieren können. Wir können kontrollieren, wie wir die Händler und die Kunden bedienen - nicht die Marktposition und solche Dinge.

Delivery-Hero-CEO Niklas Östberg sagte vor wenigen Tagen, er merke, dass Lieferando in Deutschland einen beträchtlichen Vorsprung hat. Delivery Hero ist erst vor ein paar Monaten wieder auf den deutschen Markt zurückgekehrt, hat also auch Doordash gegenüber einen Vorsprung. Wie wollen Sie in diesem superharten Wettbewerb bestehen?
Das erinnert mich an unseren Start in den Vereinigten Staaten, wo die damaligen Player einen Marktanteil von über 90 Prozent hatten. Was wir daraus gelernt haben, ist, dass der Markt so jung war, dass der Marktanteil nicht wirklich aussagekräftig war, was die Chancen angeht.

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Aber das ist acht Jahre her.
Ja, aber die Tatsache, dass über 80 Prozent der Restaurants in Deutschland immer noch nicht auf Online-Marktplätzen vertreten sind, ist eine wirklich große Chance für uns zu wachsen. Wir glauben fest daran, dass wir die Möglichkeit haben, in Deutschland einen großen Einfluss zu haben.

Mehr zum Thema: Delivery Hero ist trotz Restaurantöffnungen zuversichtlich für 2021.

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