Überraschend verstorben Ferdinand Piëch, der große Patriarch der Autoindustrie

Ferdinand Piëch ist tot Quelle: imago images

Er prägte Deutschlands größten Autokonzern Volkswagen über Jahrzehnte: Der frühere VW-Vorstands- und Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch ist tot.

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Mit dem Tod von Ferdinand Piëch geht für Volkswagen und die deutsche Automobilindustrie eine Ära zu Ende. Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche galt als begnadeter Ingenieur und hat das Wolfsburger Unternehmen zu dem gemacht, was es heute ist: zu einem weltumspannenden Megakonzern, der vom Kleinwagen bis zum Schwerlaster alles anbietet, was auf den Straßen rollt – bis hin zum Supermotorrad der Marke Ducati.

Der VW-Patriarch führte den Konzern mit eiserner Hand und duldete keinen Widerspruch – von 1993 bis 2002 als Vorstandschef und bis 2015 als Aufsichtsratsvorsitzender. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff des Wolfsburger Imperiums, das die Autowelt beherrscht. Piëch galt als mächtiger Strippenzieher und Königsmacher hinter den Kulissen. Kritiker sehen in dieser Führungskultur, die von Piëchs Ziehsohn und späterem Nachfolger an der Unternehmensspitze, Martin Winterkorn, übernommen wurde, aber auch einen Grund für den Dieselskandal, der die Existenz von Volkswagen vor fast vier Jahren in Gefahr brachte. Durch den von Piëch eingeführten Managementstil konnte nach Ansicht von Kritikern über viele Jahre ein System der Angst entstehen, in dem Ingenieure lieber manipulierten, als zugaben, dass Abgasgrenzwerte nicht eingehalten werden konnten. Die Diesel-Krise, die bei VW ihren Ausgang nahm, hat inzwischen auch andere Hersteller wie Daimler erfasst.

Seinen ersten schweren Rückschlag, von dem er sich nie richtig erholte, erlebte der Machtmensch Piëch, als er im April 2015 Zweifel an Winterkorn säte, um ihn als Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrats zu verhindern: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, zitierte ihn der „Spiegel“ damals. Doch womit Piëch selbst wohl am wenigsten rechnete, trat ein: Sowohl der mächtige Betriebsratschef Bernd Osterloh und die IG Metall als auch das Land Niedersachsen stützten Winterkorn. Während sich Piëch nach dem verlorenen Machtkampf grollend in sein Salzburger Domizil zurückzog, blieb Winterkorn zunächst im Amt. Er musste dann allerdings im September 2015 zurücktreten, nachdem die Dieselmanipulation in den USA aufgeflogen war. Sein Nachfolger wurde Matthias Müller, der wiederum 2018 als Konzernchef von VW-Markenchef Herbert Diess abgelöst.

Das Leben des Ferdinand Piëch
Mit Autos kommt er schon früh in Kontakt: Ferdinand Piëchs (rechts) Großvater war der legendäre Käfer-Konstrukteur Ferdinand Porsche (Mitte). Auf dem Bild bewundern sie gemeinsam sie ein Modell des Porsche 356 Nr. 1. Quelle: obs
Die Leidenschaft ist geweckt: 1963 beginnt der junge Ferdinand Piëch, beim Autobauer Porsche zu arbeiten. Das Foto zeigt ihn 1967 mit Cowboyhut an der Rennstrecke. Quelle: Presse
Bei Porsche arbeitet sich der Maschinenbauer hoch, bis er 1971 technischer Geschäftsführer wird. Hier ist Piëch (rechts) mit Porsche-Pilot Jo Siffert am Rande der belgischen Rennstrecke Spa-Francorchamps zu sehen. Quelle: Getty Images
1972 wechselt Piëch zu Audi, zwei Jahre später leitet er bereits die technische Entwicklung – und nur ein Jahr später ernennt ihn der Autobauer zum technischen Vorstand. Hier präsentiert er 1982 eines seiner Prestigeobjekte: den Audi 100. Quelle: dpa Picture-Alliance
An der Spitze von Audi angekommen, wird Piëch 1988 Vorstandsvorsitzender. In seine Zeit fällt unter anderem das 25-jährige Audi-Bestehen mit sieben Millionen verkauften Fahrzeugen. Quelle: dpa Picture-Alliance
1993 folgt der nächste Schritt auf der Karriereleiter: Piëch wird Vorstandsvorsitzender bei VW, den Posten behält er bis 2002. Bundeskanzler Schröder (links) galt für ihn als verlässlicher Unterstützer – beide liebten die Macht. „Ferdinand Piëch hat die Automobilbranche geprägt wie kein Zweiter“, sagte der Ex-Kanzler einmal über Piëch. Der entgegnete, Autobauen sei nur sein Hobby. Quelle: dpa
2002 übergibt Piëch die Geschäfte bei VW an seinen Nachfolger Bernd Pischetsrieder (rechts). Er selbst wechselt in den Aufsichtsrat. Quelle: dpa

Der Strippenzieher

Bis zu seiner krachenden Niederlage setzte Piëch seine Pläne stets gut durchdacht und mit langem Atem durch. „Wenn ich etwas erreichen will, gehe ich auf das Problem zu und ziehe es durch, ohne zu merken, was um mich herum stattfindet“, erklärte Piëch in seiner Autobiografie. „Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt.“ Das bekam auch Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder zu spüren. Der kam mit dem ruppigen Führungsstil des Patriarchen nicht zurecht. Auch damals kam die erste Botschaft über ein Zeitungsinterview. Dabei hatte Piëch Pischetsrieder selbst von BMW in München nach Wolfsburg geholt und ihm nach Einschätzung vieler Autoexperten ein wenig durchdachtes Markenportfolio vererbt.

Piëchs enormer Einfluss fußt aber nicht nur auf seinem Machtbewusstsein, sondern auch auf seiner großen technischen Expertise. Der gelernte Maschinenbauer startete seine Karriere 1963 bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen. Seinen Ruf als detailverliebter Autonarr erwarb sich der gebürtige Wiener bei Audi in Ingolstadt, wo er Entwicklungen von der Aluminium-Karosserie in Leichtbauweise bis hin zum Audi-Quattro-Antrieb vorantrieb – auch wenn nicht alles technisch Machbare immer einen großen Verkaufserfolg zeitigte. 1988 rückte er an die Spitze der VW-Tochter, die er zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten von BMW und Mercedes machte.

Der Taktiker

Sein Meisterstück als Taktiker lieferte Piëch, als der VW-Aufsichtsratschef den Spieß nach der gescheiterten Übernahme von VW durch Porsche umdrehte und der Wolfsburger Konzern sich schließlich Porsche als zehnte Marke einverleibte. Angetrieben von der Idee eines Megakonzerns weitete Piëch seine Macht in dem Unternehmen, das sein Großvater Ferdinand Porsche gegründet hatte, systematisch aus. Seit dem Einstieg der Porsche-Holding als Großaktionär war der Porsche-Miteigentümer Piëch indirekt auch erheblich an VW beteiligt. Sein Erbe hat er schon vor längerer Zeit über zwei Stiftungen geregelt, die seine Witwe Ursula führen soll. Zu seinem 80. Geburtstag vor zwei Jahren würdigte Volkswagen die Verdienste des Managers mit den Worten: „Ferdinand Piëch hat das Automobil, unsere Industrie und den Volkswagen-Konzern in den vergangenen fünf Jahrzehnten maßgeblich geprägt. Sein Lebenswerk ist gekennzeichnet von mutigem Unternehmertum und technologischer Innovationskraft.“

Der Meister des Zweiwortsatzes, wie Piëch wegen seiner sybillinischen Äußerungen in der Öffentlichkeit genannt wurde, hatte trotz seines hohen Alters enormen Einfluss in dem Konzern. Kaum eine wichtige Entscheidung fiel ohne grünes Licht aus Piëchs Büro am Familiensitz in Salzburg. Der Vater von dreizehn Kindern und mehr als doppelt so vielen Enkeln wurde in Wolfsburg regelrecht gefürchtet. Privat wurde er jedoch als warmherziger Familienmensch beschrieben. Er verstarb am Sonntagabend im Alter von 82 Jahren, wie seine Witwe bestätigte. Ihr Mann sei „plötzlich und unerwartet verstorben“, hieß es in der Mitteilung Ursula Piëchs. Die Beisetzung finde im engsten Familienkreis statt.

Mehr zum Leben und Wirken des VW-Patriarchen können Sie in unserem ausführlichen Portrait nachlesen: Die sieben Gesichter des Ferdinand Piëch

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