Herr Hjelm, an diesem Freitag entscheidet der Bundesrat über eine Verordnung, die den Weg für E-Scooter in Deutschland ebnen würde. Nehmen wir einmal an, dass der Bundesrat zustimmt: Was passiert dann eigentlich?
Ich hoffe auf jeden Fall, dass der Verordnung zugestimmt wird. Danach könnte es ein paar Tage oder vielleicht auch einen Monat dauern, bis sie in Kraft tritt. Darauf haben wir uns selbstverständlich vorbereitet.
Wie?
Seit dem Sommer letzten Jahres sprechen wir mit Städten in ganz Deutschland. Und wir haben einige Monate an einem neuen Modell unseres leihbaren Scooters gearbeitet, das wir exklusiv für den deutschen Markt produzieren.
Warum brauchte es denn für Deutschland extra ein neues Modell?
Die deutschen Anforderungen an den Scooter sind sehr streng. Wir haben lange an einem Modell gearbeitet, das sie erfüllt. Deutschland ist für uns deshalb bisher der härteste Markt.
In welchen deutschen Städten werden Ihre Scooter zu finden sein?
Wir haben mindestens 30 Städte auf unserer Liste für dieses Jahr.
Das müssen Sie konkretisieren.
Lübeck ist die erste deutsche Stadt, mit der wir eine Vereinbarung getroffen haben. Wir sind natürlich auch mit den großen Städten wie Berlin, Hamburg, Köln oder München in Gesprächen. Hier gibt es zurzeit bloß noch keine offiziellen Abkommen, doch in der nächsten Zeit werden wir gewiss weitere Partnerschaften verkünden.
Ist in den Städten überhaupt Platz für Voi? Immerhin gibt es zahlreiche Konkurrenten wie Bird, Lime, Tier, Flash oder auch Uber und Lyft.
E-Scooter sind glücklicherweise kein „The winner takes it all“-Geschäft. Vielmehr geht es darum, mit den Städten zusammenzuarbeiten und mit einigen anderen Unternehmen dort aktiv zu sein.
Neben den US-amerikanischen Start-ups Bird und Lime gibt es bereits viele europäische. Wie wollen Sie sich da durchsetzen?
Wir haben uns doch längst bewiesen: Wir waren der erste europäische Anbieter am Markt, bei uns wurden die meisten Fahrten durchgeführt, wir haben das meiste Kapital eingesammelt und sind einfach weit vor Unternehmen wie Tier oder Flash. Und dank unserer Partnerschaften und eines sehr lokalen Ansatzes werden wir auch weiterhin der europäische Marktführer bleiben.
Brauchen wir denn so dringend einen europäischen Anbieter?
Ich denke schon. Denn wir verstehen den Markt viel besser, als es die US-Unternehmen tun. Und wir wissen, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Städten ist. Die Amerikaner machen immer wieder dieselben Fehler.
Welche?
Uber ist zum Beispiel auf einige Märkte gestoßen, ohne um Erlaubnis oder Kooperationen zu fragen. Das passt nicht in das Konzept der europäischen Städte. Ich kenne kein europäisches Unternehmen, das aus Städten verbannt wurde. Bei den Firmen aus den USA ist das anders.
Aber es wird die Kunden doch nicht stören, ob auf dem Scooter nun ein Logo von Voi ist, oder ob er von Uber stammt – Hauptsache der Preis stimmt.
Nun ja, das ist dieselbe Frage wie bei dem Kauf eines Smartphones oder eines Autos: Würden Sie sich da aufgrund der Qualität einer Marke oder aufgrund der Kosten für einen Kauf entscheiden? Bei Scootern dürfte das ähnlich sein.
Wie alltagstauglich sind die neuen Tretroller?
Sie fürchten mit mehreren Milliarden Dollar bewertete Start-ups wie Bird oder Lime also nicht?
Nein, weil wir zum Beispiel nur wenige Monate nach Lime an den Start gegangen sind. Wir können vielleicht nicht mit ihrem Kapital mithalten, aber haben deutliche stärkere Partnerschaften geschlossen.
Die Unternehmensberatung McKinsey schätzt die Größe des europäischen Markts für Mikromobilität im Jahr 2030 auf bis zu 150 Milliarden Dollar. Das dürfte auch ganz große Unternehmen locken. Einige Übernahmegerüchte rund um Bird oder Lime gibt es bereits. Wie steht es um eine Übernahme von Voi?
Es wird Übernahmen geben. Der Markt wird sich mehr und mehr konsolidieren. Wie sich das im Detail abspielen wird, das weiß heute allerdings niemand.
Bedenkt man das Potenzial der Mikromobilität, dann erscheint das langwierige juristische Hin und Her in Deutschland innovationshemmend. Können Sie diese Prozedur verstehen?
Als wir und andere Unternehmen in Europa gestartet sind, hat das die Gesetzgeber definitiv zum schnelleren Handeln bewegt, denke ich. Und das hat nun hoffentlich auch in Deutschland am Ende eines langen Prozesses funktioniert.
Was haben die Städte denn erkannt?
Einige von ihnen sind bereits dabei, private Autos in ihren Innenstädten zu verbieten wie zum Beispiel Oslo, Antwerpen oder Madrid. Ich bin mir sicher, dass das früher oder später in ganz Europa passieren wird. Und eine signifikante Anzahl der innerstädtischen Autofahrten werden wir mit Angeboten der Mikromobilität ersetzen. Sei es mit Fahrrädern oder Scootern.
Dafür muss das Geschäft allerdings nachhaltig sein. Ab wann rentiert sich der Scooter-Verleih für Sie?
Die Kosten variieren natürlich in jeder Stadt. Ein Scooter von Voi muss pro Tag zwischen zwei und vier Mal ausgeliehen werden, damit er für uns rentabel ist. Doch das ist wie gesagt unterschiedlich: In Portugal sind die Kosten für Genehmigung und Reparaturen zum Beispiel geringer als in Norwegen. Um dem entgegenzuwirken, haben wir nun die neuen Rollermodelle, die stabiler sind und die wir mit der neuesten Technologie ausstatten.
Private E-Scooter könnten in Deutschland ziemlich populär werden und Ihr Geschäftsmodell bedrohen. Was sagen Sie dazu?
Das finde ich super. Denn unsere Erfahrung zeigt, dass Leute unsere Scooter immer noch nutzen, obwohl sie einen eigenen besitzen. Diesen wollen sie nämlich nicht immer zum Mittagessen oder zu Meetings mitschleppen – das ist unbequem. Weil der Markt so groß ist, sind wir nicht gegen den privaten Besitz von E-Scootern.
Doch was wird sich durchsetzen?
Schwierig zu sagen. Ich denke, dass in Zukunft auf jeden Fall mehr geteilt wird, als das in der Vergangenheit der Fall war.