Janning Vygen sitzt hinter seinem Schreibtisch vor einem großen Computer-Monitor im dritten Stock eines unscheinbaren Wohn- und Geschäftshauses in einer Seitenstraße der Düsseldorfer Flaniermeile Kö. Holzdielen, Kaffeeküche, ein kleiner Besprechungsraum, Bücherregale, kleiner Balkon. Ein leichter Hauch von Start-up-Atmosphäre weht durch das Büro, das wohl früher mal eine normale Wohnung war. Dabei hat das Unternehmen des 46-jährigen Juristen schon mehr als zehn Jahre auf dem Buckel. Zudem deutet nichts auf das Geschäftsmodell des Mannes in Jeans und T-Shirt hin: Tippspiele, vor allem in Sachen Fußball.
Vygen ist Erfinder und Alleingesellschafter der Tippspiel-Plattform Kicktipp.de, die gerade durch die Decke geht. Webbasierte Tipp-Dienste gibt es mittlerweile zwar wie Sand am Meer. Unangefochtener Marktführer unter den Anbietern ist jedoch seit Jahr und Tag Kicktipp. Den Beweis liefert Vygen auf seinem Smartphone. Stolz zeigt er eine aktuelle Übersicht mit den am häufigsten heruntergeladenen Apps hierzulande: Am Mittwochmorgen, rund 30 Stunden vor dem ersten Anstoß bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland, rangiert die Kicktipp-App auf Platz Eins im Ranking - vor Online-Giganten wie WhatsApp, Instagram, Facebook & Co.
„Das ist natürlich super“, sagt Vygen, „aber in den kommenden Tagen rutschen wir dann auch wieder auf Platz 70 oder 80 ab“. Schließlich haben dann Hobby-Bundestrainer und selbsternannte Fußballexperten die App auf ihrem Handy oder Tablet und ihre Tipps für die 32 Teams in acht Gruppen abgegeben.
Schon im Jahr 2000 sicherte sich Vygen die Domain Kicktipp.de, seinerzeit noch ohne konkrete Geschäftsidee. Für seine ehemaligen Abi-Kameraden – allesamt Fußball-Fans –, die sich in ganz Deutschland verstreut hatten, programmierte Vygen aus Jux und Dollerei ein Tippspiel. Denn eigentlich sollte es für ihn in eine ganz andere Richtung gehen: Jurastudium in Bonn und Heidelberg bis zum ersten Staatsexamen, dann Referendariat in Düsseldorf. Die Juristerei hing er jedoch schnell an den Nagel und machte zusammen mit einem Freund eine Web-Agentur auf. Da hatte er schon längst Anfragen von anderen Nutzern, die ebenfalls lieber online statt auf Zetteln und mit Excel-Tabellen tippen wollten. Irgendwann wurde Vygen klar, dass er eine Marktlücke entdeckt hatte, mit der sich möglicherweise sogar Geld verdienen lässt. 2007 ließ er die Kicktipp GmbH dann ins Handelsregister eintragen. Aus dem Freundeskreis wurden 1000 Tipper, dann 100.000, heute sind es Millionen.
Rund fünf Millionen Menschen haben sich alleine in den vergangenen Tagen und Wochen für eine Kicktipp-Tipprunde im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft in Russland angemeldet. Etwa 500.000 davon tun dies innerhalb von Profipaketen, also bei kostenpflichtigen Tipprunden, die von Firmen für Kunden oder Mitarbeiter gebucht werden. Bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren in Frankreich waren es nur halb so viele. „Da ist querbeet alles dabei“, erzählt Vygen. „Von der Anwaltskanzlei über Getränkemärkte bis zum Dax-Konzern.“ Zu den zahlenden Kunden gehören Allianz, Aldi, Deutsche Bank und Edeka. Allein die weltweit größte Shoppingcommunity Pepper (mydealz) bringt es auf 50.000 Teilnehmer. Die Kosten für die Tipp-Runden sind überschaubar: Eine Tippgemeinschaft, die auf 100 Teilnehmer kommt, zahlt zehn Euro. Runden, die auf 30.000 Nutzer kommen, zahlen 1000 Euro, für jede Erweiterung um 10.000 Teilnehmer werden 400 Euro fällig.




