Rettungsplan aus Sardinien Worüber der Lufthansa-Aufsichtsrat jetzt entscheiden muss

Seite 2/2

Lufthansa: Das sind die Eckpfeiler des radikalen Sparprogramms

Den Anfang machte Spohr, indem er mindestens 30 Prozent der heute angemieteten Büroflächen kündigen lässt. Der eigentliche Kern ist jedoch ein Abbau der Personalkosten von mindestens 20 Prozent. Wollte Spohr bislang 26.000 der zu Jahresbeginn 140.000 Stellen streichen, könnten es nun 30.000 werden, darunter jede fünfte Führungskraft. Der Stellenabbau könnte sogar größer ausfallen, wenn sich die Lage verschlechtert oder der Langstreckenverkehr langsamer zurückkommt als gedacht. „Unser Ziel ist es, die Zahl der Beschäftigten sechsstellig zu halten“, schockierte Spohr seine Webcast-Zuhörer. Zugleich lockte er mit einem Ausweg. Möglich sei ein freiwilliger Gehaltsverzicht, etwa durch mehr Teilzeitarbeit und Jobsharing in Höhe 20 bis 25 Prozent. „Schaffen wir das, kann jeder bleiben“, wirbt Spohr.

Doch eine solche Einigung ist nicht in Sicht, weshalb Spohr die stockenden Verhandlungen mit der Belegschaft eine Katastrophe nennt. Deren Haltung besteht freilich nicht nur aus dem Wunsch, überzogene Besitzstände zu wahren. Viele der zu niedrigeren Gehältern eingestellten Mitarbeiter in der Kabine und beim Bodendienst würden bei einer solchen Kürzung in die Nähe der Sozialhilfe-Sätze rutschen – oder gar darunter. Das räumt Spohr selbst ein. Zudem spüren die Beschäftigten derzeit wenig Einigungsdruck. Dank der jüngsten Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld können alle bis Ende 2021 mit – inklusive Aufstockung durch Lufthansa – 90 Prozent ihres Vorkrisenlohns rechnen.



Stutzen kann Spohr dagegen die Zahl der Flugbetriebe. Derzeit betreibt der Konzern in Deutschland seine Jets noch in acht solcher offiziell AOCs genannten Gesellschaften mit einer jeweils eigenen Organisation. Künftig sollen es nur vier sein, darunter eine neue: die Billigtochter Ocean, die anstelle der AOCS Sun Express, City Line und SN Brussels die Billiglangstrecke und den Discountverkehr in München organisieren wird.

Die Flotte wird zudem deutlich verkleinert. Von den heute rund 700 Maschinen des Kranichkonzerns sollen statt der bisher anvisierten 100 nun bis zu 150 Flieger stillgelegt oder verkauft werden. Dabei werden von den bisher genutzten 17 Typen acht ausscheiden, darunter der A380, der in ein sogenanntes „Langzeitparkmodus“ gestellt wird. Offiziell soll er zwar in zwei Jahren zurückkommen, „doch wenn Spohr den Jumbojet Boeing 747-8i als das einzige vierstrahlige Flugzeug mit Zukunft bezeichnet, deutet alles auf ein Ende der A380 auch bei Lufthansa“, so ein Konzernkenner. Durch die Flottenentscheidungen rechnet die Lufthansa mit einer weiteren Wertberichtigung in Höhe von bis zu 1,1 Milliarden Euro, die noch im dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres verbucht werden soll.

Schlussendlich steht der Verkauf von Konzernteilen auf dem Plan – inklusive „Tafelsilber“, so Spohr selbst. „Ohne das werden wir unsere Schulden nicht zurückzahlen können.“ Im Visier hat der Lufthansa-Chef alle Teile des bislang recht breit aufgestellten Konzerns außerhalb von Passagier- und Frachtflug. Die europäischen Flugküchen der LSG sollen den Konzern zum 1. Oktober verlassen. Dann folgt alles, was „wenig Synergien zum Kerngeschäft Flug“ habe, so Spohr. Die Finanztochter Airplus hat offenbar ernsthafte Interessenten. Und „wenn der Preis stimmt“, so Spohr, könne ein großer Minderheitsanteil an der bislang hochrentablen Wartungstochter Lufthansa Technik an Investoren wandern.

Noch etwas unscharf ist im Programm aus Sardinien der Zukunftsteil. „Das ist ja auch angesichts der sich verschlechternden Lage derzeit noch nicht ganz so dringend“, so ein Insider.


Das interessiert WiWo-Leser heute besonders


Douglas ist kein Einzelfall

So schummels sich Ikea, Karstadt & Co. am Lockdown vorbei


„Doppelt so lang schwätzen, halb so viel verdienen“

Warum VW-Händler keine E-Autos verkaufen wollen


Curevac-Gründer Ingmar Hoerr

„Ich dachte, der KGB hätte mich entführt“


Was heute wichtig ist, lesen Sie hier



Als erstes Feld hat Spohr hier einen besseren Dienst am Kunden im Auge. Zwar sieht er die Lufthansa beim Service zumindest nicht weit abgeschlagen hinter den größten Bewerbern. Doch er gibt zu, dass die Linie zuletzt die Nerven der Kunden strapaziert hat – unter anderem durch verzögerte Rückzahlung von Tickets abgesagter Flüge. Darum will er so viel Geld wie möglich in eine bessere Betreuung stecken. Doch angesichts der Krise sind die Mittel beschränkt. Zu den wenigen absehbaren Neuerungen zählt ein früherer Einsatz der fertig entwickelten neuen Business Class auf der Langstrecke. Wie Insider berichten, redet Lufthansa mit Airbus darüber, die neuen Stühle nicht erst 2022 in die neue Boeing 777X einzubauen, sondern bereits vorher in den künftigen A350.

Kaum mehr Details gibt es beim Zukunftsthema Nachhaltigkeit. Hier nennt Spohr bisher lediglich Dinge, die weitgehend außerhalb seiner Macht liegen wie mehr Flüge durch Zugverbindungen zu ersetzen oder klimaneutral erzeugtes Flugbenzin zu tanken.

Trotz solcher Lücken gibt sich Spohr optimistisch, mit seinem Plan den zuletzt ungeduldigen Aufsichtsrat zu überzeugen. Der muss das Sparprogramm nämlich noch absegnen. „Wenn wir an uns glauben, tun das auch unsere Kunden, Politiker und Investoren“, so der Manager im Schlusswort seiner virtuellen Betriebsversammlung. Worte, die sich in den kommenden Tagen beweisen müssen.

Mehr zum Thema: Der A380 ist ein Wundervogel – dem die Coronakrise endgültig die Flügel stutzt. Eine exklusive Auswertung enthüllt, wo die größte Passagiermaschine der Welt überhaupt noch abhebt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%