Scooter-Anbieter Coup gibt auf Sharingdienste in der Krise

Coup-Aus: Sharingdienste in der Krise Quelle: Presse

Der Fahrdienst Uber, der Scooter-Anbieter Coup und das Tretroller-Start-up Circ kämpfen mit wirtschaftlichen Problemen. Geteilte Mobilität stößt auffallend oft an seine Grenzen. Mangelnde Nachfrage ist nicht das Problem.

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Die Nachricht vom Ende der Coup-Roller in Berlin erwischte viele Kunden der Bosch-Tochter wie ein Schlag. „Oh no“, „Schade:-(„ und „Danke, 3 tolle Jahre“ lauteten einige der vielen Tweets von enttäuschten Nutzern des Scooter-Anbieters. Die grau-grünen Elektroroller zum Minutenpreis, die bis zu 50 Kilometer pro Stunde auf die Straße bringen, hatte seit dem Start 2016 zahlreiche Fans erobert. Doch nun ist Schluss – aus wirtschaftlichen Gründen.

An der Kundentreue dürfte es kaum gelegen haben, dass die Bosch-Tochter Mitte Dezember ihren Betrieb dicht macht. Für 21 Cent pro Minute konnte man einen Scooter ausleihen, nahezu überall im Stadtgebiet abstellen und bequem per App auf- und abschließen. Vorbei am Stau, schneller als der Bus und dazu mit ökologischen Gewissen. Coup hat das moderne Straßenbild der Hauptstadt in den vergangenen Jahren mitgeprägt. Die Enttäuschung bei vielen Berlinern ist groß.

Coup ist nicht das einzige Unternehmen, das in den vergangenen Tagen mit Negativschlagzeilen von sich reden machte. Uber steckt mit seinen Expansionszielen in London fest, der Berliner E-Tretroller-Anbieter Circ angeblich in Fusionsgesprächen mit Wettbewerbern. Die Fusion von Car2Go und DriveNow wurde mit Kostendruck begründet. Und nun hat eben Coup komplett den Stecker gezogen. Aufgegeben, ausgebremst, durchgeschüttelt – es drängt sich die Frage auf: Sind die Sharingmodelle schon am Ende, bevor es so richtig losgeht?

Die Rückschläge der vergangenen Tage und Wochen jedenfalls holen einige Propheten der urbanen Mobilitätswende auf den Boden der Tatsachen. Die Erkenntnisse der jüngsten Flops und Krisen: Kunden lieben das Angebot, aber die Betriebskosten laufen aus dem Ruder.

Gewinne erzielen daher die wenigsten – und ohnehin oft nur in Kooperation mit finanzstarken Partnern. Nun beginnt eine Phase des Übergangs: Die Sharingdienste müssen reifen, quasi erwachsen werden.

Finanziell hatte Coup die besten Voraussetzungen: Der Autozulieferer Bosch hatte das Unternehmen gegründet und bis heute zu hundert Prozent finanziert. Coup-Roller gab es inzwischen in Berlin, Paris, Madrid und Tübingen. Doch Bosch hat sich entschieden, aus dem B2C-Geschäft auszusteigen. Es sei „Teil unserer unternehmerischen Verantwortung, regelmäßig das Portfolio und die Ausrichtung zu prüfen“, erklärte Bosch-Manager Stefan Hartung im „Handelsblatt“-Interview. „Wir haben beispielsweise entschieden, dass wir im Bereich der Mobilitätsservices kein Endkundengeschäft anbieten werden.“ Bosch habe „einiges ausprobiert und dabei viel gelernt“. Man sehe sich als Technologielieferant für Mobilitätsanbieter wie Didi, Uber oder Lyft.

Erneut tritt also ein deutscher Konzern beim schwierigen B2C-Geschäft mit den Verbrauchern den Rückzug an. Schon erstaunlich, denn die Kunden haben Coup lieben gelernt. „Die Nachfrage war da“, sagte eine Bosch-Sprecherin. Aus diesem Grund hatte Coup Anfang des Jahres sogar die Flotte erweitert. Doch Coup bekam offenbar die Betriebskosten nicht in den Griff. Das Unternehmen, das zuletzt 120 Mitarbeiter beschäftigte, setzte von Anfang an auf teure Roller-Modelle der taiwanesischen Marke Gogoro – der Mercedes unter den Elektrorollern. Der Akkutausch ist eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Die Premiumstrategie zahlte sich nicht aus. „Auf lange Sicht war das so nicht darstellbar“, so die Sprecherin.

Was nun mit den Rollern passiert, ist unklar. Zunächst werden die Roller zwischengelagert. Sicher ist, dass ein Verkauf an Privatkunden nicht möglich ist. Die Aufladestationen für die Akkus erfordern einen Starkstromanschluss. Möglich ist der Verkauf an einen Investor.

Den Konkurrenten Emmy hat der Rückzug Coups „überrascht“, sagt Valerian Seither, Gründer und Chef bei Emmy Sharing. Das Unternehmen hat das Scooter-Sharing nach Deutschland gebracht, startete 2015. Anders als Coup sieht Seither aber die Zukunft positiv: „Wir haben von Anfang an darauf geachtet, den Betrieb kosteneffizient zu organisieren.“ Emmy sei bewusst langsamer gewachsen, setzt bislang auf Städte im deutschsprachigen Raum. Nach Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf und Stuttgart geht Emmy nun mit 50 Rollern in Wien an den Start. Die Flotte werde man 2020 ausbauen.

Das Start-up setzt auf weiteres Wachstum, um langfristig die Kosten für Verwaltung und Marketing zu tragen. „Unser Ziel ist es, effiziente Operationen aufzubauen“, sagt Seither. Und zwar „Schritt für Schritt statt auf einen Schlag“ – ein offensichtlicher Unterschied zu Coup. Dazu arbeite Emmy mit „lokalen Akteuren zusammen“. In Berlin werden die roten Roller vom Energieproduzenten Vattenfall gesponsert, in Düsseldorf (unter den Namen Eddy) und anderswo von den Stadtwerken.

Uber, Circ, Coup: Sharingdienste in der Krise? Quelle: imago images

Auch Emmy hat die Gewinnzone noch nicht erreicht. Emmy-Chef Seither ist allerdings überzeugt, dass sein Unternehmen bald die Gewinnschwelle erreichen wird. „Der Roller ist das perfekte Fortbewegungsmittel in der Stadt“, sagt er. Die Vorteile: Der Kunde könne flexibel durch die Stadt kurven und den Roller überall abstellen. Für den Betreiber lohne sich der Betrieb schneller, weil die Startinvestitionen und Energiekosten geringer seien als etwa bei einem Elektroauto-Anbieter. „Wir werden unsere Flotten und die Zahl der Städte daher weiter ausbauen.“

Gleichwohl will auch Emmy keine Zahlen zum Nutzungsverhalten verraten. Mehr als 250.000 Nutzer hätten sich angemeldet. Wie viele davon den Roller nutzten und vor allem wie regelmäßig und wie lange, darüber will Emmy nicht informieren – Geschäftsgeheiminis. Dass Emmy in einigen Städten auf die massige Elektro-Schwalbe (siehe Bild) gesetzt hat, sieht Seither nicht als Nachteil. „Es gibt ein Für und Wider für die Schwalbe“, sagt er. „Der Tausch der Akkus ist zwar etwas zeitaufwendiger, aber dafür ist der Roller auf der Straße präsent. Das ist super Marketing.“

Sharing: Beobachter erwarten eine Marktbereinigung

Den Optimismus haben auch andere Sharingunternehmen nicht verloren. Dabei scheint es auch in der Kickroller-Branche erste Opfer zu geben. Jedenfalls laufen die Spekulationen gerade heißt. Die Nachrichtenseite Techcrunch veröffentlichte Gerüchte über finanzbedingte Entlassungen beim Tretroller-Anbieter Circ. Das Berliner Unternehmen des Mehrfach-Gründers Lukasz Gadowski soll keine neuen Investoren finden und ohnehin nicht so finanzstark ausgestattet sein wie die Wettbewerber Voi aus Schweden, Bird und Lime aus den USA und Tier aus Berlin. Anders als beim Scooter-Verleih für Tempo 50 mit mehr oder weniger zwei Anbietern in Deutschland, schlagen sich ein halbes Dutzend Anbieter im Verleih von Kickrollern (oder Scootern bis Tempo 20) in einem scheinbar überhitzten Markt.

Die Konsolidierung ist laut Experten nur eine Frage der Zeit. Wie bei den Scootern ist die Nachfrage nach den E-Tretrollern durchaus vorhanden. Die Anbieter berichten über millionenfache Buchungszahlen seit Start im Sommer 2019. Eine Ausleihe kostet mindestens einen Euro – plus 15 Cent pro Minute. Gleichwohl kämpfen sie mit hohen Betriebskosten. Der Hoffnungsschimmer: Bislang mussten die Roller ganz eingesammelt und aufgeladen werden. Künftig versprechen sich Lime und Tier, die operativen Kosten durch Tausch-Akkus senken zu können.

Die Betriebskosten sind daher die Achillesferse der Sharingdienste. Das laufende Geschäft ist personalintensiv. Die Unternehmen brauchen Mitarbeiter als Akkutauscher, an der Hotline, in Werkstätten und für Buchhaltung und Marketing. Nur wer die Kosten in den Griff bekommt, kann dauerhaft reüssieren.

Beobachter erwarten daher schon bald eine Marktbereinigung. Verkehrsforscher Andreas Knie hat gegenüber der WirtschaftsWoche bereits mehrfach gesagt: „Ohne eine Kommune oder einen finanzkräftigen Unternehmenssponsor ist ein Sharingsdienst aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachhaltig schwer zu betreiben.“ Anbieter des öffentlichen Personennahverkehrs oder große Konzerne könnten diese Rolle übernehmen.

Wie schwer das Business in der Sharingindustrie ist, zeigen auch die Bremsspuren beim Milliardenkonzern Uber. Das US-Unternehmen, das vor rund zehn Jahren gegründet wurde, setzte im vergangenen Jahr zwar mehr als elf Milliarden Dollar um. Doch das Wachstum wurde mit Milliardenverlusten erkauft – und wird zunehmend ausgebremst.

Und nun entzog die Londoner Transportbehörde TfL Uber die Fahrlizenz. Grund seien Sicherheitsbedenken, weil ein Großteil der Fahrten von unlizenzierten Fahrern durchgeführt wurde. Die Aktie verlor kräftig. London gilt als Prestigeregion. 3,5 Millionen Nutzer hätten sich die App runtergeladen. 45.000 Fahrer sind dort beschäftigt. Fehlende Nachfrage ist also nicht das Problem, in diesem Fall eher die Gesetze – beziehungsweise die Missachtung dieser.

In Deutschland sind Taxiverbände mehrfach erfolgreich gegen Uber vorgegangen. Das liegt zwar auch an dem teils völlig überholten Personenbeförderungsgesetz (PbefG), das Verkehrsminister Andreas Scheuer nach wie vor nicht novelliert hat. Doch solange die Gesetze sind, wie sie sind, tun sich Anbieter der geteilten Mobilität schwer. Die Sharing-Revolution auf der Straße lässt noch auf sich warten.

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