Die idyllischen Fachwerkhäuser des Donaustädtchens Riedlingen erzittern unter dem Lärm, es scheppert und klappert, rumpelt und kracht. Rund 600 Männer und Frauen sind vor das Rathaus gezogen, schlagen Topfdeckel wie Orchester-Becken gegeneinander, hämmern mit Kochlöffeln auf Pfannen. Dass die Küchengeräte bei dem Krawall Kratzer abbekommen, ist den sonst so peniblen Schwaben egal.
Die Wut der Beschäftigten von Silit, einem Tochterunternehmen der WMF, muss raus, und sie zeigen, gegen wen sie sich richtet: „Holt den Kammerjäger, Heuschrecke KKR im Ländle“ heißt es auf einem der Plakate. Ein anderes sieht aus wie eine Traueranzeige und verkündet: „Silit 1920–2014. Todesursache KKR“.
Hektisch und ruppig
Hinter dem Kürzel verbirgt sich der US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts. Der hat 2012 die Mehrheit an WMF übernommen. Seit das Management des Herstellers von Töpfen, Besteck und Kaffeeautomaten Anfang des Jahres ein Sparprogramm verkündete, ist bei WMF der Teufel los und der neue Eigentümer in der Kritik. Arbeitnehmer und Lokalpolitiker werfen ihm vor, Kultur und Werte des Traditionskonzerns kurzfristiger Renditeoptimierung zu opfern. Das gefährde nicht nur den Betriebsfrieden, sondern mittelfristig auch Ansehen und Erfolg der Marke – und damit das gesamte Unternehmen.
Tatsächlich wirbelt die KKR-Truppe den Topf- und Bratpfannenbauer ordentlich durcheinander. Grundsätzlich ist das Aktionsprogramm zwar durchaus sinnvoll. Die Umsetzung erfolgt aber so hektisch und ruppig, dass viele der rund 6000 Arbeitnehmer überfordert sind. Der aktuelle Streit erinnert an das Jahr 2005, als Finanzinvestoren beim Armaturenhersteller Grohe ein radikales Optimierungsprogramm durchzogen. Das Vorgehen animierte den damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering dazu, die Investoren mit Heuschrecken zu vergleichen. Das Etikett haftet den Private-Equity-Gesellschaften bis heute an.
Wie damals prallen auch bei WMF zwei Welten aufeinander. Auf der einen Seite steht ein scheinbar kerngesunder, in seiner Region verwurzelter Traditionskonzern. Die Württembergische Metall Warenfabrik, blickt auf 161 Jahre Geschichte zurück, ist seit 1887 an der Stuttgarter Börse notiert und gilt als älteste württembergische Aktiengesellschaft. 1980 hatte die Eigentümerfamilie Siegle ihre Anteile an Rheinmetall verkauft, später übernahm ein Konsortium, zu dem die Deutsche Bank und die Münchener Rück gehörten.
WMF auf einen Blick
1853 gründete der Mühlenbesitzer Daniel Straub gemeinsam mit den Metalldrückern Friedrich und Louis Schweizer in Geislingen die Metallwarenfabrik Straub & Schweizer mit anfänglich 16 Mitarbeitern.
1862 wurden die silberplattierten Tafel- und Serviergeräte von Straub & Schweizer auf der Weltausstellung in London mit Medaille ausgezeichnet.
1868 wurde die erste Verkaufsfiliale in Berlin gegründet.
1880 schloss sich das Unternehmen mit der Metallwarenfabrik Ritter & Co aus Esslingen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft zur Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) mit Sitz in Geislingen zusammen. Damit gilt die WMF als älteste Aktiengesellschaft Württembergs.
Zur WMF-Gruppe gehören aktuell die Marken WMF, Auerhahn, Kaiser Backform, Silit und Alfi, sowie im Gastronomie- und Großküchenbereich Boehringer, Hepp und Schaerer. Stammsitz der WMF mit rund 2000 Mitarbeitern ist Geislingen an der Steige, insgesamt arbeiten über 6000 Menschen für die Gruppe.
Umsatz 2013: 1 Milliarde Euro; Gewinn: 25 Millionen Euro
Größter Umsatzbringer sind Tisch- und Küchenartikel, zweitgrößter die Kaffeemaschinen.
Seit 1. August 2013 ist Peter Feld Chef der Württembergischen Metallwaren Fabrik. Seine Karriere begann der Diplom-Ingenieur Feld 1992 bei Procter & Gamble als Manager Product Supply.
2004 ging er zu Johnson&Johnson und stieg dort 2009 zum Chef für Mitteleuropa auf und verantwortet unter anderem den Bereich der Konsumgütersparte sowie des Geschäft mit rezeptfreien Apothekenprodukten.
2010 wechselte er zum Konsumgüterhersteller Beiersdorf nach Hamburg. Als Vorstand war er dort für die Märkte in Europa und Nordamerika zuständig.
Christopher Cheng verantwortete von 2008 bis 2011 für Starbucks Coffee die Region Greater China, davor war er bei Jeans-Label Levi’s. Ab 1980 war in unterschiedlichen Positionen zunächst als Regional General Manager Taiwan, Hong Kong, China später North Asia und schließlich als Vice President Asia Pacific Non Apparel tätig.
Vor seiner Berufung zum Regional Präsident Greater China bei der WMF AG arbeitete Cheng seit 2011 bei einem Unternehmen der Modeindustrie, der chinesischen Hoplun, als Leiter Retail Operations und Vice President Leasing & Development.
Die „Fischhalle“ beherbergt heute den Fabrik-Verkauf der WMF-Gruppe. Den Namen trägt sie, weil das Unternehmen dort ab 1912 in Zeiten steigenden Fleischpreise seinen Mitarbeitern Fisch zum Selbstkostenpreis anbot. Heute hat sich rund um die Fischhalle ein Outlet-Center mit rund zwei Dutzend weiteren Marken wie Nina von C., Kärcher, Kneipp oder Seltmann Weiden entwickelt.
Das Management möchte jährlich 30 Millionen Euro einsparen. 700 Stellen sollen gestrichen werden. Die Logistik wird umgebaut und auf zwei Standorte konzentriert. Verwaltung und Marketing soll in Geislingen gebündelt werden. Die Marke Auerhahn wurde Ende 2014 eingestellt, Alfi an die Thermos-Gruppe verkauft.
Im Hauruckverfahren
Trotz dieser Wechsel hat sich WMF die Kultur eines großen Familienunternehmens bewahrt, ist für die Deutschen ein Synonym für hochwertige Koch- und Küchenware geblieben. Der Ruf reicht weit über die Grenzen hinaus. „International kann eine Marke wie WMF noch viel erreichen“, sagt Peter Pirck von der Brandmeyer Markenberatung in Hamburg voraus. Vor allem Chinesen machen auf ihrer Deutschlandtour gerne einen Abstecher an den WMF-Stammsitz Geislingen, wo sie sich mit reichlich Kochgeschirr eindecken. Kein Wunder, denn im Reich der Mitte, sind die Töpfe Made in Germany so begehrt, dass eine 30-prozentige Luxussteuer auf ihnen lastet.
Der 1976 gegründete US-Investor KKR steht dagegen für Wall Street pur. Die Gesellschaft sammelt Milliarden von Pensionsfonds, Versicherungen und reichen Privatanlegern ein, übernimmt Unternehmen und versucht, im Hauruckverfahren deren Wert zu steigern. Nach fünf bis acht Jahren will KKR mit möglichst viel Gewinn wieder aussteigen. In Deutschland hat das mal mehr, mal weniger gut geklappt. Beim Gabelstaplerhersteller Kion und dem Medienkonzern ProSiebenSat.1 hat sich die Rezeptur aus knallhartem Sparprogramm, Wachstum und Zukäufen rentiert. Bei der Werkstattkette ATU dagegen ist KKR krachend gescheitert.