Türkei Säuberungswellen erreichen deutsche Wirtschaft

In Istanbul ist ein Shopping-Center beschlagnahmt worden, weil der Eigentümer der Gülen-Bewegung nahestehen soll. Die deutsche Betreibergesellschaft ECE zieht sich aus dem Center-Management zurück – freiwillig.

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Der CEO von ECE Projektmanagement zieht sich mit seiner Firma aus dem Management eines Einkaufszentrums in Istanbul zurück. Quelle: Carsten Dammann für Handelsblatt

Zürich Das erste deutsche Unternehmen zieht konkrete Konsequenzen aus den Säuberungsaktionen in der Türkei. Die Firma ECE Projektmanagement ziehe sich aus dem Management eines Einkaufszentrums in der Metropole Istanbul zurück, bestätigte ein Firmensprecher dem Handelsblatt. Zuvor war die Inhabergesellschaft des „Modern East“-Zentrums im asiatischen Teil der Stadt beschlagnahmt worden – vermutlich, weil die Inhaber der Gülen-Bewegung nahestehen.

Die Firma ECE, die wie die Otto Group der Eigentümerfamilie Otto gehört, ist in der Türkei seit dem Jahr 2000 aktiv und betreibt dort inzwischen insgesamt 13 Center, ein weiteres soll im nächsten Frühjahr eröffnet werden. Als Investor und Full-Service-Anbieter kümmere sich ECE um alle Angelegenheiten, die mit Bau und Betrieb eines Einkaufscenters einhergehen, darunter Architektur, Management und Finanzierungen.

Da die Firma nur Betreiber und nicht Miteigentümer des Shopping-Centers sei, hätten sie keine offizielle Begründung für die Beschlagnahmung erhalten, erklärte ein Sprecher. Ein Treuhänder habe nun die Geschäfte übernommen und bekanntgegeben, das Center solle verkauft werden.

Für ein professionelles Management benötige ECE einen aktiven Investor, der regelmäßig Entscheidungen treffe, etwa bezüglich der Mietverträge oder beim Marketing. „Dies war hier nicht mehr gegeben, so dass es für uns keinen Sinn gemacht hat, das Center weiter zu führen“, erklärte der Sprecher. Zuerst hatte das Fachmagazin „Textilwirtschaft“ über den Rückzug des Unternehmens berichtet.

Seit dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli gehen türkische Behörden mit aller Härte gegen die mutmaßlichen Drahtzieher des Umsturzes vor. Der Regierung zufolge soll der in den USA lebende Geistliche Fetullah Gülen Rädelsführer des Aufstandes gewesen sein, dem rund 250 Menschen zum Opfer fielen.


Schon fast 500 Firmen übernommen

Neben zehntausenden Verhaftungen und Entlassungen im Staatswesen bringen türkische Behörden immer wieder auch Firmen unter ihre Kontrolle, darunter auch Banken und große Konzerne wie die Boydak-Holding, einer der größten Möbelproduzenten des Landes. Den Eigentümern wird in der Regel vorgeworfen, der Gülen-Bewegung nahezustehen. Laut Wall Street Journal wurden bisher 496 Firmen übernommen und dichtgemacht. Mittels eines Ende Juli ausgerufenen Ausnahmezustandes findet das Vorgehen im Rahmen des Gesetzes statt. Offiziell läuft der Ausnahmezustand bis Januar; ob er verlängert wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar.

Zusätzliche Schwierigkeiten bereiten ausländischen Unternehmen die durchgeschüttelte türkische Wirtschaft sowie der Finanzmarkt. Wegen der unsicheren Lage ziehen sich Investoren zurück, Projektgesellschaften wie ECE gehen somit die Financiers für ihre Engagements aus. Zudem birgt die schwache Türkische Lira ein Währungsrisiko – erst recht, wenn die Erträge in Lira anfallen, die Kosten aber in Euro oder Dollar.

Der Shoppingbetreiber ECE wird nun als eine der ersten ausländischen Firmen Opfer der repressiven Politik aus Ankara. Trotzdem wolle die Firma an ihrem Türkei-Engagement weiter festhalten. Zwei der betriebenen Center, die sich zum Teil im Besitz der Familie Otto befinden – Marmara Park Istanbul und Espark Eskisehir –, seien bisher nicht beeinträchtigt. „Die Umsatzentwicklungen sind weiterhin stabil.“

Die derzeitigen Management-Mandate wolle Türkei-Chef Andreas Hohlmann daher weiterführen und weitere dazu bekommen. „Lediglich der Markt für Neuentwicklungen ist derzeit schwierig, da westliche Investoren im Moment eher nicht in der Türkei investieren möchten“, erklärte der Sprecher. Auf Nachfrage betonte er, der Ausstieg aus dem Management des beschlagnahmten Shoppingcenters erfolge freiwillig. Der Kontakt mit dem Treuhänder der Regierung sei „sehr geregelt und professionell“ verlaufen. „Einen besonderen Druck zur Auflösung des Vertrages hat es nicht gegeben.“

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