5G-Netze Warum Sunrise-CTO Elmar Grasser weiter auf Huawei setzt

Elmar Grasser, Chief Technology Officer (CTO) beim Schweizer Mobilfunkunternehmen Sunrise. Quelle: Presse

Großbritanniens Entscheidung gegen Huawei-Bauteile im 5G-Netzwerk schlägt hohe Wellen. Der Telekomkonzern Sunrise sieht bei Huawei keine größeren Risiken. Sunrise-CTO Grasser erklärt, warum die Strategie deutscher Anbieter Kunden enttäuschen wird.

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Elmar Grasser ist seit April 2013 Chief Technology Officer (CTO) beim Schweizer Mobilfunkunternehmen Sunrise.

Die Entscheidung der britischen Regierung, dass Huawei-Bauteile bis 2027 komplett aus dem 5G-Netzwerk abgebaut werden müssen, schlägt Wellen in Europa. Die Deutsche Telekom hatte sich gerade erst zur Vertragsverlängerung mit Huawei entschieden. Der schweizerische Telekommunikationskonzern Sunrise aber sieht bei Huawei keine größeren Risiken als bei anderen Mobilfunk-Ausrüstern. Er nutzt im Mobilfunk fast ausschließlich deren Technologie – und bringt so das schnellste 5G selbst bis in die Berghütten. Er erklärt, warum die Strategie deutscher Anbieter viele Kunden enttäuschen wird.

WirtschaftsWoche: Sunrise verlässt sich auf Huawei als Ausstatter. Muss die Schweiz sich nicht ähnlich wie Großbritannien, Deutschland und die USA um Staatsgeheimnisse und einen möglichen versteckt einprogrammierten Abschaltknopf sorgen?
Elmar Grasser: Wir nehmen die Datensicherheit extrem ernst – sie ist eine der größten Herausforderungen bei der Digitalisierung. Auch wenn wir das nicht groß diskutieren, sind wir sehr wachsam. Wir haben ein Expertenteam, das unser Netz jederzeit überwacht und mit einem KI-System nach auffälligen Mustern untersucht. Wir sind da sehr auf der Hut. Leider sucht die Politik eine einfache Lösung für ein komplexes Problem. Wir erhalten nicht mehr Cybersecurity durch den Ausschluss eines Herstellers. Die Gefahr droht von überall, nicht nur von China. Wir haben keinerlei Hinweise oder Beweise, dass Huawei in irgendeiner Form unzuverlässig wäre. Wir setzen auf Rationalität – ergibt es denn Sinn für die Betreiber, einen der wenigen Hersteller hochwertiger Technologie auszuschließen und den Wettbewerb einzudämmen? Wir verschlüsseln die Kunden-Daten lieber mit einer Ende-zu-Ende-Technologie, die auch Geheimdienste nicht so leicht knacken können.

Es wäre ja auch das Ende von Sunrise, wenn Huawei verboten würde. Dann müssten Sie Ihre ganze Infrastruktur wegwerfen.
Wir haben keinen Hinweis, der ein solches Verbot begründen würde. Der Schweizer Nachrichtendienst hat sich gegen einen Ausschluss ausgesprochen. Die Schweiz als Land ist zu klein, als dass die Strategie, mit verschiedenen Zulieferern innerhalb eines Mobilnetzes zu arbeiten, für uns sinnvoll wäre. Aber als Land haben wir die Technologien von drei Anbietern am Start, so dass die Mobilfunkinfrastruktur insgesamt weiter funktionieren würde, wenn ein Anbieter ausfiele. Ein Netz abzuschalten wäre ein Kriegsszenario, dann haben wir auch noch ganz andere Sorgen als nur das 5G-Netz. Und den Schlüssel für unseren Betrieb halten wir selbst in der Hand. Das stellt nicht einfach jemand von außen ab.

Wie weit ist Huawei in seiner Technologie Ericsson und Nokia voraus?
Huawei ist sehr weit vorne und unserer Ansicht nach am weitesten fortgeschritten. Aber auch Ericsson ist sehr gut. Nokia liegt derzeit etwas hinten, aber das wird sich angleichen. Wir fahren mit Huawei sehr gut und haben ein extrem zuverlässiges Netz, das auch den Sonderbelastungen der Coronakrise gut standgehalten hat. Das hängt teils von der Hardware und der Software ab, liegt teils aber auch an unserem Netzdesign, das viele Redundanzen eingeplant hat. Der Mobilfunk ist technologisch hochkomplex – der laufende Ausbau ist, als würden Sie an einem Bus bei voller Fahrt mit 140 Stundenkilometern auf der Autobahn den Reifen wechseln – ohne dass die Passagiere etwas merken.

Die Schweiz telefoniert schon seit April 2019 auf Premium-5G – der neuen Frequenz auf 3,5 Gigahertz. Warum konnten Sie so viel schneller sein als Deutschland?
Das liegt am regulatorischen Umfeld. In der Schweiz wurden die neuen Bandbreiten schnell und in ausreichender Menge versteigert – das führte zu einem vernünftigen Preis. Hier haben alle Betreiber gemeinsam rund 380 Millionen Franken bezahlt und im 3,5-GHz-Bereich 300 Megahertz an Bandbreite ersteigert. In Italien zahlten die Betreiber für diesen Frequenzbereich über sechs Milliarden Euro, in Deutschland mehr als 4,1 Milliarden Euro. Das wirkt wie eine hohe Steuer auf den Ausbau von kritischer Infrastruktur – und lässt den Betreibern kaum Geld für den Ausbau der Netze. Außerdem haben wir in der Schweiz auch einen vernünftigen Wettbewerb um den Ausbau der Netze – die Anbieter liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und unsere Kunden legen Wert auf die Qualität, die durch diesen Wettbewerb entsteht.



In der Schweiz ist selbst das 4G-Netz sehr viel schneller als in Deutschland. Warum?
Wir haben seit 2013 den Ausbau des 4G-Netzes flächendeckend auf niedrigen Frequenzen zum Beispiel von 800 Megahertz vorgenommen, mit denen die Abdeckung besonders weit reicht. So decken wir heute über 96 Prozent der geografischen Fläche der ganzen Schweiz ab – wohlgemerkt ist das etwas anderes als die Abdeckung der Bevölkerung, die in anderen Ländern oft zitiert wird – da erreichen wir über 99 Prozent. In Deutschland stand die gleiche Frequenz zur Verfügung, aber es wurden rein ökonomische Überlegungen an erste Stelle gesetzt. Der Ausbau in abgelegenen Gebieten lohnt sich kurzfristig vor allem für das Kundenempfinden, nicht finanziell. Manchmal muss man für sein Land in Vorleistung gehen, das zahlt sich dann erst später ökonomisch aus.

„Es muss mehr Aufklärungsarbeit geben“

Sie bieten auch „Glasfaser durch die Luft“, wo 5G-Antennen im 3,5-Gigahertz-Frequenzband das Internet zu Routern direkt in die Haushalte liefern, von wo aus Handys, Computer und Fernseher mit einem Gigabit Geschwindigkeit ans Internet eingebunden werden. Lohnt sich das nur in einem Bergland wie der Schweiz, wo viele Haushalte mit Glasfaser nur sehr teuer zu erschließen wären?
Fixed Wireless Access ist unabhängig von der Geographie eines Landes sinnvoll. Der Glasfaserausbau ist davon unabhängig extrem wichtig – wir brauchen es auch, um die Funkantennen anzuschließen und auch den Endkunden zu Hause zuverlässigen Datendurchsatz zu liefern. Aktuell sind circa 35 Prozent aller Haushalte mit Glasfaser erschlossen, das wollen wir bis 2027 auf 70 Prozent erhöhen.

Das „Glasfaser durch die Luft“ ist gerade da interessant, wo wir schon 5G-Antennen, aber die Haushalte noch kein Glasfaser haben. Das wird lange eine Lösung bleiben für glasfaserähnlich schnelles Internet. Glasfaser und 5G sind beide wichtig, die ergänzen sich. Das schnelle Internet auch in der ländlichen Region ist essentiell für das Wirtschaftsleben. Ich kann nicht glauben, dass die Landbevölkerung in anderen Ländern mit 2G, 3G oder auch Edge abgespeist werden soll.

In Deutschland wird 5G gerade hauptsächlich auf bestehenden 2,1-statt der neuen 3,5-Gigahertz-Frequenzen aufgebaut – bringt das dieselbe Leistung?
Das ist so, als würden Sie eine bestehende Straße mit 5G neu asphaltieren, Sie geben am Rand etwas Platz hinzu. Da kommt dann insgesamt eine um zehn Prozent bessere Leistung heraus - und nicht das revolutionäre 5G, das alle erwarten. Die faszinierenden und komplexen neuen Technologien wie „Massive MIMO“ und „Beam Forming“, die die effiziente Auslastung des Spektrums ermöglichen, kommen gar nicht zum Einsatz. Natürlich ergibt auch der neue Asphalt Sinn, aber dass das dann auch 5G heißt, ist zwar technisch korrekt, kann aber beim Kunden zur Enttäuschung führen.

In Deutschland launcht Vodafone auch mit dem Partner Huawei Fixed Wireless Access auf der 700-Megahertz-Frequenz. Ist das dasselbe, was Sie in der Schweiz anbieten?
Wir bieten Fixed Wireless Access auf Basis der 3,5-Gigahertz-Frequenzen an, das schafft reale Geschwindigkeiten von über einem Gigabit und zwölf Millisekunden Latenz. Auf der 700-Megahertz-Frequenz muss 5G mit 4G aggregiert werden. Ich bezweifele, dass dabei solche Geschwindigkeiten zustande kommen können.

Ist das denn störungssicher?
Beim hohen Frequenzbereich deckt eine Antenne nur Häuser im Umfeld von 300 bis 400 Metern ab. Fenster und Wände stellen Barrieren dar. Wir testen gerade kleine Außenantennen, die man ans Haus anbringt. Ein flaches Kabel führt dann ins Innere zum Router. So bleibt die Bandbreite auch im Haus verfügbar.

Auch in der Schweiz leben Sie nicht im Land der Seeligen. Die strengen staatlichen Auflagen hemmen den weiteren Ausbau des Funknetzes. Kann es sein, dass Deutschland am Ende doch noch an der Schweiz vorbeizieht?
Das Problem der Schweiz ist, dass wir in der elektromagnetischen Dosis, die wir senden dürfen, stark limitiert sind, und zwar auf ein Zehntel im Vergleich zu anderen Ländern. Dadurch können wir die neuen Frequenzen kaum nutzen. Zum Vergleich: In Wien fördern SPD und Grüne den Ausbau von 5G massiv. Der Datenverkehr wächst jedes Jahr exponentiell. Die Datenmenge verdoppelt sich alle 16 bis 18 Monate. Wer sagt, dass ihm die aktuelle Geschwindigkeit reicht, hat nicht verstanden, dass wir in drei Jahren kollabieren, wenn wir nur die bestehenden Systeme beibehalten können. Wir haben in der Schweiz ein Riesenpotential für die Zukunft – aber der Bund hätte die Aufgabe aufgrund von rationalen Studien zu sagen, was Sache ist.

In der Schweiz kursieren sogar Gerüchte, dass das Coronavirus von 5G-Masten verstrahlt würde.
Es muss mehr Aufklärungsarbeit geben. Als Anbieter sind wir aber nicht glaubwürdig. Das ist wirklich schwierig, wenn die Diskussion so irrational geführt wird. Nicht-ionisierende Strahlen haben eine niedrige Frequenz, sie liegen unterhalb des sichtbaren Lichts und haben Wellen von einem bis zehn Zentimeter. Röntgenstrahlen dagegen liegen weit über der Sichtbarkeit von Licht und haben Wellenlängen im atomaren Bereich. Die Radiofrequenzwellen haben einen thermischen Effekt. Doch haben Sie jemals gesehen, dass Menschen sich im Winter zum Aufwärmen um Antennenstationen gruppieren? Das liegt daran, dass die Signale so schwach sind, dass keine spürbare Wärme entsteht.

Leider schwingt in unseren von Wohlstand verwöhnten Gesellschaften viel Angst mit, wenn es um 5G geht. Auch Angst vor Robotern, die Arbeitsplätze wegnehmen und dem Überwachungsstaat. In Asien und insbesondere China wird die Technologie als Hoffnungsträger erlebt. Wir leben auf dem besten Platz in der Welt – wir müssen schauen, dass wir das nicht verlieren.

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Die Entscheidung der Briten gegen Huawei dürfte das ohnehin schon angespannte Verhältnis mit Peking zusätzlich verschlechtern. Der Ausbau des superschnellen 5G-Netzes in Großbritannien wird sich wohl um Jahre verzögern: Großbritannien schließt Huawei vom Ausbau seines 5G-Netzes aus.

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