Nach den US-Wahlen „Auch unter Joe Biden bleibt es für Huawei schwierig“

Unbeirrt stellte Huawei im September auf der Konsumentefunkmesse  IFA in Berlin aus. Dabei verkaufen sich ihre Handies ohne Google-App-Store in Europa schleppend. REUTERS/Michele Tantussi/File Photo Quelle: REUTERS

Der deutsch-amerikanische Telekommunikationsexperte Roger Entner erwartet auch unter Joe Biden keine Lockerungen der US-Sanktionen gegen Huawei. Er glaubt, dass China im Gegenzug die Übernahme vom Chiphersteller ARM durch Nvidia ausbremsen wird.

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WirtschaftsWoche: Kann Huawei mit dem Wahlsieg Joe Bidens aufatmen? Oder wird er genau wie der amtierende Präsident Donald Trump Huawei als Vorzeigefeind weiter aufbauen?
Roger Entner: Der Ton in Amerika wird sich ändern, nicht aber die Grundlagen des Streits. Auch unter der Präsidentschaft von Joe Biden bleibt es für Huawei schwierig. Man ist sich in den USA parteiübergreifend einig, dass der chinesische Staat die chinesischen Unternehmen kontrolliert. Es ist ein beängstigendes Gedankenspiel, dass plötzlich alle technischen Herzschrittmacher in Amerika oder in Deutschland nicht mehr funktionieren könnten. Die Vorstellung wird viel bedrohlicher, wenn man sich vorstellt, dass die Telekommunikationsnetzwerke von solch einem Angriff betroffen wären, ohne die das moderne Leben nicht möglich ist. 

Wie beim neuen Mobilfunkstandard 5G.
Mit der Einführung von 5G gibt man die Kontrolle ein Stück weiter ab, weil die Vernetzung zwischen Anbieter und Lieferant enger wird. Gab es bei 4G jedes halbe Jahr oder jedes Jahr ein Update, werden die 5G-Netze wöchentlich in Echtzeit optimiert, so ähnlich wie ein iPhone. Keine Regulierungsbehörde kann diese Updates rund um die Uhr kontrollieren – insbesondere, wenn ein Problem oder Hintertürchen nur eine Woche lang auftauchen könnte, um dann wieder zu verschwinden. Es ist extrem schwierig, zwischen schlampigem Programmieren und böswillig eingebauten Hintertüren zu unterscheiden. 5G ist schlichtweg Vertrauenssache.

Und dieses Vertrauen hat sich Huawei verspielt?
China hat sich das Vertrauen verspielt: Die Konzentrationslager in Xianjiang, die Unterdrückung der Demokratie in Hongkong, das expansive Inselbauen im Südchinesische Meer. Dass Kanadier ohne Grund inhaftiert werden. Huawei ist als Spielball zwischen die Politik geraten und wird zwischen den Fronten aufgerieben.

Vertrauen ist gut – ein Ausschluss besser? Die Bundesregierung findet keine Linie, wie sie es mit Netzausrüster Huawei halten soll. Das Hin und Her beim 5G-Ausbau steht sinnbildlich für die deutsche Chinapolitik.
von Sonja Álvarez, Daniel Goffart, Max Haerder, Nele Husmann, Thomas Kuhn, Jörn Petring

Das Silicon Valley hat massiv den Wahlkampf von Joe Biden unterstützt. Erwarten die nicht wenigstens, dass Biden das Gesetz gegen den Export von Chips an China und Huawei zurücknimmt?
In Sachen Chips hat Trump ja mit dem Säbel gerasselt und dann doch weiter nach China verkauft. Intel hat bereits eine Ausnahmegenehmigung erhalten, so dass sie weiter an Huawei verkaufen dürfen. Der entsprechende Antrag von Qualcomm wird aktuell bearbeitet. Die Chipwirtschaft spielt eine zu entscheidende Rolle für die US-Wirtschaft, als dass die Regierung Verkäufe ernsthaft unterbinden könnte. Rund ein Viertel aller US-Chips werden nach China verkauft. Das entspricht 30 Milliarden Dollar von einem Gesamtumsatz von 132 Milliarden Dollar. Die Kurse an der Börse würden entsprechend einbrechen. 

Das Huawei-Verkaufsverbot gegenüber Google besteht aber, oder?  
Bei Google und ihrem Android-Betriebssystem hat die Trump-Regierung wirklich Zähne gezeigt. Ohne das amerikanische Betriebssystem und Googles App-Store ist der Verkauf von Huawei-Smartphones außerhalb von China völlig zusammengebrochen. Innerhalb Chinas hatte es keinen Einfluss, da Googles Dienste dort ohnehin verboten sind.

Handlanger der Kommunistischer Partei beim Vorantreiben von Chinas Interessen oder erfolgreicher Konzern, der zum Spielball der Politik wird? Huaweis Deutschlandchef David Wang nimmt Stellung zu der schwierigen Position.
von Nele Husmann

Huawei zumindest sagt, dass die Lieferbeschränkungen der USA sie unter Druck setzen – sie verkauften sogar ihre Low-Cost-Handy-Marke Honor. Kann Huawei überleben?
Huawei beteuert ja immer, kein Staatsbetrieb zu sein, aber Honor wird an einen Staatsbetrieb in Shenzen, wo Huawei beheimatet ist, verkauft. Das liegt ja alles nicht so weit auseinander. Die Lieferbeschränkungen setzten Huawei sicherlich unter Druck. Huawei wird das überleben – aber wohl als Unternehmen, das einen viel schärferen Fokus auf China legt, einen Markt mit 1,4 Milliarden Kunden, wo sie Marktführer sind und bleiben. Europa fällt weg mit einem Drittel der Kunden. Die Entwicklungs- und Schwellenländer müssen wiederaufgebaut werden – aber anstatt mit Android mit Huaweis Harmony OS und Applikationen, die Google, Facebook und andere ersetzen. Mit viel Arbeit und niedrigen Kosten kann das alles sogar eine große Chance für Huawei und andere chinesische Softwareanbieter wie WeChat werden. Denn so sind sie viel unabhängiger.



Stachelt das hohle Chip-Export-Gesetz China nicht erst Recht an, sich technologisch komplett unabhängig zu machen von US-Importen?
China steht das Wasser bis am Hals – die wollen eigene Chips herstellen können. China hat sein Projekt „Made in China 2025“ noch mehr beschleunigt, das die Technologie-Unabhängigkeit vom Westen herbeiführen soll. Ohne den Intel-Chip X86 gibt es keine PCs. Aktuell können nur drei Unternehmen weltweit ihn herstellen – Intel, AMD und die taiwanesische VIA. Noch deutlicher sind ARM-Chips betroffen, die in allen führenden Smartphones verbaut sind. Noch gehört das in Großbritannien ansässige ARM zum japanischen Softbank-Konzern, aber die wollen das Unternehmen an den US-Chipkonzern NVIDIA verkaufen. Dazu allerdings brauchen sie kartellrechtliche Genehmigungen von der EU, Großbritannien, Japan, den USA und auch China. Und China wird diesen Zusammenschluss nicht erlauben: Durch den Verkauf würde ARM noch stärker unter die Kontrolle des US-Gesetzgebers rücken.


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Weshalb hat China Einfluss auf den Zusammenschluss westlicher Unternehmen?
China hat ein Kartell-Gesetz, dass auch alle Unternehmen umfasst, die nach China liefern. Bei heimischen Firmen ist Chinas Kartellbehörde noch nie aktiv geworden. Insgesamt sieht es so aus, als das sie 100 Prozent aller Anträge abnicken würde. Doch de facto ist das anders: Als Qualcomm den niederländische Hersteller, NXP, der wichtige Prozessoren für die Elektronik im Auto herstellt, kaufen wollte, hat die chinesische Kartellbehörde diesen Zusammenschluss einfach zwei Jahre lang weder erlaubt, noch abgelehnt. Die saßen das so lange aus, bis Qualcomm aufgegeben hat. Dasselbe Schicksal droht jetzt dem Nvidia-ARM-Deal.

Mehr zum Thema: Die Huawei-Frage spaltet die Bundesregierung

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