Export-Weltmeister unter Druck Wird Deutschlands Stärke zur Schwäche?

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„Der amerikanische Präsident ist immer für Überraschungen gut“

Anders dagegen ist die Lage bei manchem Maschinen- und Anlagenbauer. Für das Unternehmen Albrecht Bäumer, für das die USA ebenfalls der größte Absatzmarkt sind, bedeute der Einreisestopp, „dass wir derzeit keine Monteure entsenden können, Inbetriebnahmen, Liefer- und Reparaturtermine absagen müssen“. Maschinenfabrikant Haver&Boecker (515 Millionen Euro Umsatz) aus dem westfälischen Oelde muss aufgrund des Einreisestopps eine gerade hochgefahrene „USA-Offensive“ zwangsreduzieren und der schwäbische Anlagenbauer Lingl ist von zwei „größeren Projekten“ in den USA betroffen. Er geht davon aus, „dass es nicht bei diesen 30 Tagen bleiben wird und auch andere Länder die Grenzen dicht machen werden. Tatsächlich erwarten wir, dass in zwei Wochen die Hälfte der EU-Länder die Grenzen schließt.“ Wieder andere wie Bausch+Ströbel, Verpackungsmaschinenhersteller für die Kosmetik- und Pharmaindustrie, hoffen auf „Sondergenehmigungen“.

Sehr konkrete Folgen hat der Stopp auch für Recaro-Chef Mark Hiller, den Flugzeugsitz-Weltmarktführer: Die Firma muss ihr Frühjahrs-Managementmeeting, das ursprünglich am Standort im texanischen Fort Worth geplant war, nun in Stuttgart abhalten. Einen US-Kollegen, der zwei Drittel in Schwäbisch Hall und zu einem Drittel im Home-Office in den USA arbeitet, habe er „gestern in den Flieger in die USA gesetzt“, schreibt Hiller. Auch Landmaschinenbauer Claas aus dem ostwestfälischen Harsewinkel (Umsatz: 3,9 Milliarden Euro) bemerkt Trumps Politik: „Gerade hat eine Kundengruppe aus den USA von sich aus ihre Reise nach Deutschland abgesagt“, teilt die Firma mit.

Mit fatalistischem Humor nimmt es Heribert Rohrbeck, Chef von Bürkert Fluid Control System (532 Mio. Euro Umsatz), einem Mess- und Steuerungssystem-Spezialisten für Gase und Flüssigkeiten: „Wir sind lokal in den USA stark aufgestellt und von daher von dieser Anordnung nicht in besonderem Maße betroffen. Zudem ist der amerikanische Präsident immer für Überraschungen gut.“

Wie ist Ihre aktuelle Situation in den Wirtschaftsräumen China und Italien?

Die Optimisten
Volkswagen teilt mit, in „fast allen“ VW-Werken in China werde wieder produziert – „wenn auch auf niedrigerem Niveau“, weil sich die Kundennachfrage reduziert habe. Aber die Belieferung der Werke funktioniere, vor allem weil die Mitarbeiter in den Bereichen Logistikketten und Einkauf in den vergangenen Wochen „Schwerstarbeit“ geleistet hätten. Die Ketten funktionierten, wenngleich auch nicht überall auf den üblichen Routen: Bestimmte Bauteile, teilt VW mit, verschickt das Unternehmen nun mit dem Flugzeug statt mit dem Schiff. Auch am Brenner staue es sich.

Der Optimismus in China ist unter Deutschlands Weltmarktführern weit verbreitet:
- BASF: Alle großen Produktionsstandorte in China haben seit dem 17. Februar die Arbeit wieder aufgenommen.
- Merck, mit 4.100 Mitarbeitern in China vertreten, teilt mit: Man habe „inzwischen den Großteil unseres Geschäftsbetriebs in China wieder aufgenommen“.
- Continental: Die Produktion in den chinesischen Werken wurde seit dem 10. Februar schrittweise wieder aufgenommen.
- ZF Friedrichshafen: Die rund 40 ZF-Werke in China haben die Produktion inzwischen „wieder aufgenommen oder sind im Hochlauf“ – wenngleich die Produktionsvolumina „noch nicht bei 100 Prozent“ liegen.
- Covestro: „In China hat sich der Betrieb weitestgehend normalisiert. Die Lieferketten sind weitestgehend wieder intakt und die Produktionsstätten haben den Normalbetrieb wieder aufgenommen.“
- GEA: „Alle GEA-Standorte auf der ganzen Welt sind geöffnet und arbeiten weitestgehend auf Normalniveau; so auch in China und Italien.“

Auch kleinere Mittelständler betonen die Rückkehr zur Normalität. Die Grebe Holding, ein Hersteller von industriellen Beschichtungsstoffen im hessischen Weilburg (Umsatz: 211 Millionen Euro), musste ihren Produktionsstandort in Tianjin für fünf Wochen schließen. Der Verlust sei „aber verschmerzbar“. Seit dem 2. März habe man die Produktion auf 40- Prozent-Niveau wieder aufgenommen, bis Ende März will Grebe die Kapazitätsauslastung auf 70 bis 80 Prozent hochfahren. Auch die Hawe Hydraulik SE beobachtet in China „ein deutliches Anziehen des Geschäftes“ und erwartet „einen starken Aufholeffekt der Umsatzausfälle aus Januar und Februar“.

Die Pessimisten
Doch längst nicht alle deutschen Weltmarktführer sehen das China-Geschäft so optimistisch.
Landmaschinenhersteller Claas etwa kämpft zurzeit ohnehin mit einem rückläufigen Landtechnikmarkt in China. Die dortige Produktion sei „im neuen Jahr verzögert und dann mit verringerter Mannschaft angelaufen“. Die Verluste seien „noch nicht präzise abschätzbar“.

Zahlreiche Unternehmen weisen darauf hin, dass ihre Geschäftstätigkeit in China durch Corona „erheblich beeinträchtigt“ (Ottobock) bzw. „negativ beeinträchtig“ (Fuchs Petrolub) sei; in China fehlten „zwei Monate am Markt“ (Bürkert-CEO Heribert Rohrbeck).

Emka, ein nordrhein-westfälischer Hersteller von Verschlüssen, Scharnieren und Dichtungen für Schalt- und Steuerungsschränke (Umsatz: 285 Mio. Euro), nennt die aktuelle wirtschaftliche Situation in China „angespannt“: Die Emka-Firmen in China mussten zwischen vier und sechs Wochen schließen. „Der chinesische Staat übernimmt zwar die Kosten für Sozialversicherung und Steuer, der Löwenanteil der Kosten geht aber zu unseren Lasten.“ Vom prognostizierten Jahresgewinn sei Emka „aktuell ein deutliches Stück entfernt. Eine schnelle Belebung wäre hilfreich“. Und der Filtermedien- und Filz-Hersteller BWF beziffert seine bisherigen Umsatzeinbußen 2020 in China und Italien auf 15 bis 20 Millionen Euro. Es sei noch nicht absehbar, ob und inwiefern diese Einbußen im weiteren Jahresverlauf noch aufgeholt werden könnten: „Eine gewisse Kompensation kann sich aus unserer technologischen Diversifikation in verschiedene Geschäftsfelder ergeben. Im Fall einer breiten Rezession werden aber voraussichtlich alle Bereiche die Folgen zu spüren bekommen.“

Mehr zum Thema: Der Mittelstand ächzt unter den Auswirkungen des Coronavirus, die Politik macht Milliarden für Kredite locker. Ein Überblick über Hilfsprogramme für Unternehmen.

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