Comeback des Trump-Effekts Die neue Euro-Schwäche

Noch Ende August hatte der Euro ein Hoch erreicht. Aktuell kennt er aber nur eine Richtung: abwärts. Der US-Dollar überflügelt die europäische Währung. Das hat drei Gründe – und nicht nur Nachteile.

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Eine Trendwende ist eingeleitet: Der Eurokurs sinkt und sinkt. Quelle: dpa

Düsseldorf Der Euro gibt weiter nach. Hatte die Gemeinschaftswährung noch Ende August die Marke von 1,20 Dollar geknackt – so hoch wie seit Anfang 2015 nicht mehr –, geht es im September vor allem in eine Richtung: abwärts. Mitte September fiel der Euro bis auf 1,1872 Dollar, erholte sich dann nur kurzzeitig. Ende September geht es nun richtig herunter: Am Donnerstag früh sackte der Kurs bis auf ein Tief von 1,1721 Dollar ab. Zuletzt notierte der Euro bei 1,1768 Dollar.

Der amerikanische Dollar legte dagegen zu vielen Währungen moderat zu. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Euro-Referenzkurs am Mittwoch auf 1,1741 Dollar festgesetzt. Der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, stieg am Donnerstag um 0,3 Prozent auf ein Sechs-Wochen-Hoch von 93,658 Punkte.

Wurde vor Kurzem noch darüber spekuliert, dass der Euro den Dollar als sicheren Anlagehafen ablösen könnte, macht die Realität solchen Träumen nun einen dicken Strich durch die Rechnung. Denn offenbar rechne derzeit kaum jemand mit einem neuen Höhenflug, erläuterte ein Börsianer. Tatsächlich hatte der zwischenzeitliche Höhenflug Ende August vor allem weltpolitische Gründe: Nach nordkoreanischen Raketentests und dem sich verschärfenden Atomstreit mit den USA waren Anleger aus dem Dollar und in den Euro geflüchtet.

Das ist nun vorbei. Zwar ist der Streit zwischen Nordkoreas Diktator Kim Jong-Un und Donald Trump alles andere als gelöst, tatsächlich zündelte der US-Präsident zuletzt weiter und beleidigte Kim per Twitter. Den Dollar scheint das jedoch nicht weiter zu belasten. Analysten sehen vor allem drei Phänomene, die den Euro aktuell belasten und den großen Konkurrenten Dollar bestärken: ein kurz-, ein mittel- und ein langfristiges.

1. Deutschland im Umbruch

Blicken Anleger auf Europa, dann herrscht momentan immer noch ein Top-Thema vor: die deutsche Bundestagswahl, oder besser gesagt deren politische Verarbeitung. Nachdem Union und SPD ihre schlechtesten Ergebnisse der Nachkriegszeit eingefahren haben, ist das politische Berlin in Aufruhr. CSU-Chef Horst Seehofer steht zunehmend unter Druck, auch in der SPD rumort es.

Zwar rechnen die meisten Beobachter damit, dass Angela Merkel Regierungschefin bleibt und bald ein schwarz-geld-grünes Bündnis anführt. Doch der Weg zu einer solchen Jamaika-Koalition ist steinig, die Verhandlungen über ein neues Regierungsbündnis könnten sich zäh hinziehen.

„Merkels größte Herausforderung ist es zunächst, die wahrscheinliche Jamaika-Koalition zu schmieden. Der Graben zwischen den beiden Juniorpartnern, der FDP und den Grünen, ist vor allem in der Sozial-, Europa- und Umweltpolitik tief“, kommentiert etwa Deutsche-Bank-Chefvolkswirt David Folkerts-Landau. „Das Risiko liegt offensichtlich in den Unterschieden zwischen den Partnern, zumal die CDU und vor allem die CSU nach dem Wahlergebnis nach rechts driften könnten.“ Die vorherrschende Unsicherheit, noch verstärkt durch die bevorstehende Landtagswahl in Niedersachsen, wirkt sich negativ auf die Aussichten der deutschen und europäischen Wirtschaft aus – und damit zumindest kurzfristig auch auf den Euro-Kurs.

Die ersten Analysten blicken jedoch auch schon wieder nach vorne. Selbst Folkerts-Landau meint: „Wer, wenn nicht die große Moderatorin Angela Merkel, könnte eine solche Konstellation zum Erfolg führen?“ Die vermutlich zähen Verhandlungen über ein neues Regierungsbündnis in Berlin könnten bald wieder in den Hintergrund rücken, glauben Händler: „Am Markt überwiegt das Gefühl, dass der Dax jeden Moment nach oben ausbrechen kann – aus rein technischen Gründen.“ Der deutsche Leitindex ist aktuell nur noch rund zwei Prozent von seinem im Juni aufgestellten Rekord von 12.951 Zählern entfernt. Ein solcher Aufwärtstrend dürfte auch den Euro stützen.

Mittelfristig deutlich belastender für die Gemeinschaftswährung ist jedoch ein Plan von US-Präsident Donald Trump.


Was den Dollar stark macht

2. Trumps Steuerreform

Hauptgrund für den aktuellen Höhenflug des Dollar ist die Hoffnung vieler Anleger, dass US-Präsident Donald Trump nach den Problemen mit seinen bisherigen Prestigeprojekten – der Bau der versprochenen Mauer zu Mexiko kommt nicht voran, die Abschaffung der Gesundheitsreform seines Vorgängers, Obamacare genannt, ist gescheitert, Gerichte torpedieren immer wieder Erlasse des Präsidenten, etwa zur Einwanderung – bald endlich einen Erfolg präsentieren kann.

Am Mittwochabend hatte Trump seine Pläne für eine große Steuerreform verkündet. Er will unter anderem den Körperschaftssteuersatz auf 20 Prozent und den Spitzensteuersatz für Privatpersonen auf 35 Prozent senken. „Die geplanten Steuersenkungen könnten über zehn Jahre einen Stimulus von fast einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes ergeben“, rechnete Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, vor.

„Wir scheinen einem Steuerplan näher zu sein als vor einem Jahr“, sagte auch Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. „Aber bis zum Jahresende kann angesichts der Unberechenbarkeit des Präsidenten noch viel schiefgehen.“

Deutlich niedrigere Unternehmenssteuern, eine Senkung des Spitzensteuersatzes für Privatleute sowie geringere Steuersätze für Normalverdiener – das klingt in den Augen vieler Händler gut genug, um wieder verstärkt beim Dollar zuzukaufen und den Euro aus den Büchern zu werfen. Sollte der Präsident sein Programm durchbekommen, könnte es der amerikanischen Wirtschaft neue Wachstumsimpulse versetzen. Allerdings: Trump ließ weitgehend offen, wie seine Reform finanziert werden soll, ohne das Haushaltsdefizit weiter zu steigern.

Angesichts der mauen Erfolgsbilanz des US-Präsidenten blicken Beobachter daher noch auf einen anderen Faktor, der den Dollar auch langfristig weiter stärken und den Euro auf Abstand halten könnte.

3. Zinserhöhungen in den USA

Herrscher über die US-Zinspolitik ist die Notenbank Fed – und ihr Einfluss auf den Dollarkurs kann gar nicht überschätzt werden. Analysten erwarten derzeit, dass die amerikanische Notenbank auf Zinserhöhungskurs bleibt, obwohl die Inflation in der größten Volkswirtschaft der Welt hinter den Erwartungen zurückbleibt. Nicht zuletzt die jüngsten Aussagen von Fed-Chefin Janet Yellen lässt die Anleger auf weiter anziehende US-Zinsen hoffen. Und diese Erwartung höherer Zinsen beflügelt den Dollar.

Das gilt umso mehr, als die Entwicklung in Europa gegenteilig ausfällt. Während die Fed sich Stück für Stück vom Niedrigstzinskurs der vergangenen Jahre entfernt, verharrt die Europäische Zentralbank (EZB) nach wie vor bei ihrer Politik des billigen Geldes. Selbst wenn EZB-Chef Mario Draghi im Herbst den Einstieg zum Ausstieg aus dem milliardenschwerden Anleihekaufprogramm verkündet, liegt eine Zinserhöhung nach wie vor in weiter Ferne.

Wie stark der Kursschwenk der Fed die Märkte beeinflusst, zeigt sich etwa bei den Finanzwerten: Die Aussicht auf steigende Zinsen in der weltgrößten Volkswirtschaft verhalf ihnen nach oben, denn Banken und Versicherer leiden vor allem unter den ultraniedrigen Zinsen. Deutschen Bank-Aktien stiegen am Mittwoch um 3,2 Prozent auf 14,45 Euro, womit das bisherige Jahresminus auf rund sechs von neun Prozent schmolz. Commerzbank-Titel gewannen 1,9 Prozent. Seit Jahresbeginn kommen sie auf ein Plus von rund 60 Prozent. Die Papiere der europäischen Konkurrenten legten im Schnitt ein Prozent zu.


Wie die Entwicklung weitergeht

In der kurzen, mittleren und auch in der langen Frist spricht einiges dafür, dass die aktuelle Euro-Schwäche kein schnell vorübergehendes Phänomen ist. Doch wie immer ist die Entwicklung mit Risiken behaftet. Sollte es in Deutschland zu einer schnellen Regierungsbildung kommen, sollte US-Präsident Trump mit seiner Steuerreform scheitern, eskaliert der Konflikt mit Nordkorea, dann könnte der Dollar schnell wieder an Wert verlieren, dürften Anleger erneut in den Euro flüchten.

Wie schnell das Bild sich aber drehen kann, zeigt die Vergangenheit: Aufgrund der Konjunkturstützungs-Versprechen des neuen US-Präsidenten Donald Trump schienen Euro und Dollar zu Jahresbeginn schon auf bestem Wege zur Parität, also hin zu einem Wechselkurs ein Euro gegen einen Dollar. Anfang Januar stand der Euro bereits bei 1,05 Dollar. Das Scheitern Trumps an vielen Fronten und der Konflikt mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-Un setzten den Trend jedoch für einige Monate aus.

Nun schwächelt die europäische Gemeinschaftswährung erneut. Auch gegenüber dem Pfund gab sie im September nach: Der Euro sank hier von 0,9250 bis auf 0,8775 Pfund. Dass der Euro wieder tiefer gegenüber den Konkurrenzwährungen notiert, hat jedoch nicht nur schlechte Seiten: Mit dem niedrigen Wechselkurs verbessern sich die Absatzchancen der europäischen Industrie. Insbesondere die exportstarten deutschen Unternehmen dürften sich darüber freuen.

(Mit Material von Reuters)

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