Fondsmanager zu Credit-Suisse-Rettung „Die Situation war gespenstisch“

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Binnen weniger Tage brachen in den USA und in der Schweiz Banken zusammen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hatten. Kapitalmarktexperte Jochen Felsenheimer erklärt die Zusammenhänge und erzählt, wie er das Bankenbeben erlebt hat.

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WirtschaftsWoche: Zwei Wochen Bankenbeben: Wie haben Sie als Fondsmanager diese Zeit erlebt?
Jochen Felsenheimer: Die Situation war gespenstisch. Die Silicon Valley Bank war der Auslöser. Es war eine spezifische Krise dieser Bank, denn sie hat langfristige Anlagen mit kurzfristigen Geldern finanziert. Das wurde zum Problem, als plötzlich viele Kunden Einlagen abzogen, ohne rationalen Grund. Dabei handelte es sich vor allem um Investoren und Unternehmen aus der Wagniskapital- und Start-up-Community, die eng vernetzt sind. Es war wild.

Hatten Sie Angst um das Geld Ihrer Kunden?
Nein, ich habe dem Treiben zu jeder Zeit recht entspannt zusehen können, ein bisschen als Außenstehender. Unsere Fonds sind abgesichert gegen Ausfallrisiken und Kursverluste. Es bleibt als Renditebringer noch der Ertrag aus Fehlbewertungen von Finanzinstrumenten übrig. Aber in einer brenzligen Situation muss man immer davon ausgehen, dass sie sich auf die schwächsten Akteure im Markt auswirken wird – dazu gehörte auch die Credit Suisse.

Hätten Sie vorher darauf getippt, dass die Krise in den USA ausgerechnet eine Schweizer Bank mitreißt?
Natürlich besteht kein direkter Zusammenhang zwischen der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse. Die SVB war der Welt eigentlich wurscht. Das war der große Unterschied zur Finanzkrise und zur damaligen Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers, die sehr eng vernetzt war im globalen Finanzsystem. Aber die Credit Suisse wurde schon seit 2021 zu den verletzlichsten globalen Großbanken gezählt. Seit den Skandalen um die auf Lieferantenkredite spezialisierte Greensill Bank, den gescheiterten Hedgefonds Archegos sowie Geldwäschevorwürfen. Schon die Kapitalerhöhung im November war wackelig, und die Aktie stand immer unter Druck. Die Credit Suisse war das schwächste Glied im Bankenmarkt. Ihre Kreditausfallversicherungen wurden auf extremen Niveaus gehandelt, da gingen die Spreads höher als zu Lehman-Zeiten. Aber ich hätte trotzdem nicht gedacht, dass die Wucht der amerikanischen Krise die Schweiz so stark trifft.

Jochen Felsenheimer ist Geschäftsführer von Xaia Investments in München. Der promovierte Mathematiker ist Experte für Kreditmärkte und Derivate-Strategien. Quelle: imago images

Zur Person

Wie haben Sie das Rettungswochenende erlebt, an dem die Credit Suisse praktisch an die UBS verschenkt wurde?
Das war wie ein Thriller. Man konnte praktisch live miterleben, wie sich die Verhandlungen zwischen der Notenbank, der UBS, der Schweizer Regierung und der Finanzaufsicht entwickeln. Ich habe anhand der Meldungen verfolgt, wie die UBS zockt und erst nur eine Milliarde bietet – das war lächerlich wenig. Dann hat die Schweizer Regierung mit Verstaatlichung gedroht, die Kurse der Credit-Suisse-Anleihen fielen. Schließlich wurde man sich mit drei Milliarden Schweizer Franken einig, und es setzte sofort eine Rally ein.

Wo wurden am Wochenende denn überhaupt Kurse gestellt?
Die Handelsräume der Banken waren an dem Wochenende voll. Und dann ist man mit den Händlern immer über Chats verbunden. Außerbörslicher Handel zwischen den Marktteilnehmern findet durchaus zu sehr ungewöhnlichen Zeiten statt. Ich hatte an dem betreffenden Sonntag meinen Rechner in den bayerischen Bergen aufgeklappt und habe zeitweise den Fernblick bei Sonnenschein genossen.

von Georg Buschmann, Frank Doll, Julia Groth, Niklas Hoyer, Anton Riedl, Nell Rubröder, Heike Schwerdtfeger

Trotz Thriller waren Sie relaxed?
Ja, denn selbst eine Abwicklung der Credit Suisse wäre für unsere Strategie kein Problem gewesen und hätte keine Verluste gebracht. Aber es kam bei der Credit Suisse zu einem dramatischen Sonderfall, weil die Haftungskaskade der Eigentümer und Gläubiger der Bank außer Kraft gesetzt wurde. Eigentlich haften die Eigentümer, also die Aktionäre, zuerst, und die Gläubiger danach. An das Drehbuch hat sich die Schweiz nicht gehalten und eine spezielle Anleihe-Art, so genannte Additional-Tier-1-Anleihen, zur Rettung der Credit Suisse herangezogen und quasi auf Null gesetzt. 

Die Einbringung der AT1-Anleihen erhöht nun direkt das Eigenkapital, das ist genau der Zweck dieser Instrumente. Sie sollen Verluste im Fall von Bankenrettungen von den Steuerzahlern fernhalten. Problematisch indes ist, das die Aktionäre noch einen Restwert in Höhe des Kaufpreises erhalten und somit quasi vorrangig behandelt werden. Das widerspricht dem Geist der Haftungskaskade.

Ob das rechtens war, müssen Gerichte klären. Die Notenbanken waren jedenfalls bei dem Deal an Bord und haben dafür viel Liquidität zur Verfügung gestellt. Wird das reichen, um weitere Krisen abzuwenden?
Wichtig war die Liquiditätsspritze vor allem für die US-Regionalbanken und um weitere Bank-Runs auch in Europa zu verhindern. Banken können sich gewöhnlich über Aktien, Anleihen oder Kundeneinlagen finanzieren. Alle drei Wege sind zuletzt praktisch ausgefallen. Jetzt ersetzen die Notenbanken zumindest den wegfallenden Teil der Einlagen. Und die Kurse von Bankaktien und Bankanleihen sind zwischenzeitlich wieder gestiegen. Ich bin kein Freund von dauerhaften Liquiditätshilfen, aber hier waren sie wichtig, um die Auswirkungen auf die Wirtschaft zu begrenzen.

Wie nervös waren Ihre Kunden?
Am Montag haben einige Kunden angerufen – die Risikocontroller und Vorstände von Banken, die in unsere Fonds investiert haben, wollten wissen, was los ist.

Da waren Sie wieder runter vom Berg. Wurde es langsam auch bei Ihnen in München hektisch?
Ja, am Montag war es nicht so nett, da wurde schon der nächste Wackelkandidat gesucht. Die Märkte schienen sich unter anderem auf die Deutsche Bank zu stürzen. Die Kreditausfallversicherungen, CDS, für Anleihen der Bank waren von 170 auf 230 Punkte gestiegen. Im Laufe des Tages fielen sie aber wieder auf 170 Punkte. Die Deutsche Bank steht fundamental so gut da wie seit zehn Jahren nicht mehr, das haben viele erkannt.

Die Ansteckungsgefahr ist also gebannt?
Die negativen Übertragungseffekte sind vorerst eingedämmt worden. Ich kann nicht für die letzte US-Regionalbank oder australische Bank sprechen, aber bei den 30 global relevanten Banken ist nichts aufgepoppt, was die Liquidität im Bankensektor weiter beeinträchtigen würde. Wir haben gekauft und viele andere auch. Wir haben vergangene Woche eine Panikreaktion gesehen, und in solchen Situationen entstehen gute Opportunitäten. Es gab attraktive Möglichkeiten im Überfluss. Die gibt es nicht jeden Monat, da muss man zugreifen.

Die Schweizer haben durch das Einstampfen der AT1-Anleihen den Markt für Bankanleihen geschwächt. Wie finanzieren die Banken sich künftig?
Der AT1-Markt ist nicht tot, aber in Zukunft können solche Anleihen wohl nur mit einem höheren Risikoaufschlag platziert werden. Die Kosten sind also für die Banken höher. Sie können nicht einfach auf andere Finanzierungsinstrumente ausweichen, weil sie von der Aufsicht gezwungen sind, eigenkapitalnahe Papiere zu emittieren. Um die gibt es jetzt weiterhin wilde Diskussionen. Die meisten Länder haben aber klargemacht, dass im Fall einer Bankenabwicklung die Haftungskaskade eingehalten wird. Das wirkt beruhigend auf die Investoren, zu denen unter anderem Fonds gehören.

Geht es jetzt um die Frage der Finanz- oder der Preisstabilität? Die Märkte erwarten ja offenbar, dass Notenbanken bei Zinserhöhungen vorsichtiger werden.
Wenn ich die Wahl hätte zwischen drei weiteren Monaten mit hoher Inflation oder einer Bankenkrise, dann würde ich Ersteres wählen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat das so formuliert: Sie bekämpft weiter die Inflation, hält also weitere Zinserhöhungen für nötig. Wenn sie sagen würde, die EZB senkt die Zinsen, würde das Vertrauen in die Stabilität des Bankensektors leiden. So bleibt man bei einem moderaten Zinsanstieg und hält die Geldschleusen offen –  ein Versuch, beide Probleme simultan zu lösen.

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