Für die Zehntausende, die es in Berlin auf die Straße treibt, aber auch für viele andere Deutsche ist klar: Die Wohnkrise kann nur durch einen gelöst werden. Den Staat. Der soll große Wohnungsgesellschaften wie die Deutsche Wohnen enteignen und am liebsten auch sonst stärker eingreifen. Der Mietendeckel in Berlin ist von einer linken Phantasie zur Realität geworden und viele würden ihn gerne auf ganz Deutschland ausweiten.
Diese Sehnsucht nach dem starken Staat hat ihre Gründe, verspricht sie doch eine einfache Lösung. Das Problem ist nur: Der Staat kann diese einfache Lösung nicht bieten. Mehr noch: Er hat die Probleme, vor denen er die Bürger nun retten soll, erst mitgeschaffen.
Das verdeutlicht das neue Schwarzbuch des Bunds der Steuerzahler, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Erstmals enthält es neben den üblichen Fällen von Steuerverschwendung ein ganzes Kapitel, das sich dem Thema Wohnpolitik widmet.





Der Grundtenor ist klar: Der Staat setzt heute auf Anreize wie Baukindergeld oder Regelkorsetts wie Mietbegrenzungen. Am meisten Einfluss auf das Wohnen hätte er aber den Steuerexperten zufolge, wenn er an der Steuerschraube drehen würde. „Entlastungspotenzial besteht vor allem bei der Grund-, Strom-, Mehrwert- und Grunderwerbsteuer“, schreiben die Autoren.
So kamen voriges Jahr sowohl an Grundsteuer als auch an Grunderwerbsteuer jeweils mehr als 14 Milliarden Euro zusammen. Gerade die Grunderwerbsteuer belastet Hausbauer und -Käufer enorm, liegt sie doch je nach Wohnsitz bei einem durchschnittlichen Eigenheim leicht bei 15.000 bis 20.000 Euro.
Der Steuerzahlerbund schlägt vor, sie kurzfristig für das erste Eigenheim ganz zu streichen und mittelfristig für alle zu senken. Schließlich könnten auch Wohnbaukonzerne für mehr Neubauten sorgen, wenn ihre Steuerlast erleichtert würde. Ohnehin sind die Einnahmen durch die Grunderwerbsteuer in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen. Noch 2010 lagen die gerade einmal bei gut fünf Milliarden Euro.
Auch im Bereich Energie erhöhe der Staat die Wohnkosten unnötig, argumentieren die Steuerexperten. Demnach gibt ein durchschnittlicher Haushalt mit 560 Euro pro Jahr mehr für Steuern und Umlagen aus, als für den Strom selbst (gut 500 Euro). Ohne Steuern hätte besagter durchschnittlicher Haushalt also 70 Euro mehr pro Monat zur Verfügung.
Ganz wird der Staat die Steuern auf Strom freilich nicht streichen, aber er könnte sie zumindest reduzieren – sowohl die Stromsteuer selbst, als auch die darauf aufgeschlagene Mehrwertsteuer. Die könnte von 19 auf den reduzierten Satz von sieben Prozent gesenkt werden. So würden vor allem Geringverdiener entlastet, die für Energie einen überproportionalen Teil ihres Einkommens aufwenden müssen.
Und nicht nur durch Steuern, auch durch Vorschriften verschärft der Staat die Wohnungskrise. Etwa durch detaillierte Vorgaben zu energetischer Sanierung und Brandschutz, die einander zusätzlich oft noch widersprechen.
Besonders hart geht der Steuerzahlerbund mit dem Staat da ins Gericht, wo er das tut, was die Bürger auf der Straße sich von ihm wünschen: als Vermieter tätig zu werden. Die Zahl der Sozialwohnungen schrumpfe, statt zu wachsen, monieren die Steuerfachleute. Und überhaupt: In mehr als der Hälfte der Sozialwohnungen lebten Menschen, die durchschnittlich oder sogar sehr gut verdienten.
Immerhin: Öffentliche Vermieter lassen die Mieten weniger stark steigen als es private tun. Das birgt jedoch nur begrenzt einen Sinn, wenn davon besagte Gutverdiener profitieren statt derer, die sich höhere Mieten wirklich nicht leisten könnten. Zudem ist die Kehrseite der niedrigen Mieten oft ein immenser Modernisierungsrückstand.
Zu einem ähnlichen Schluss waren voriges Jahr auch die sogenannten Wirtschaftsweisen gekommen, die empfahlen: „Der soziale Wohnungsbau sollte nicht widerbelebt, sondern im Gegenteil zurückgefahren werden, weil hierbei eine Fehlleitung von Subventionen droht.“
Letztendlich können weder niedrige Mieten noch Enteignungen das eigentliche Problem auf dem Wohnungsmarkt lösen. Dass es nämlich in den Großstädten schlicht zu wenig Wohnraum gibt. Um den zu schaffen, muss gebaut werden – und hierfür muss wiederum mehr Bauland ausgewiesen werden. Auch hier stellt der Bund der Steuerzahler dem Staat – in diesem Fall den Kommunen – ein schlechtes Zeugnis aus, weil viel zu wenig Bauland viel zu langsam freigegeben werde.
Der Staat ist also nicht die Lösung des Wohnproblems, sondern Teil des Problems. Aber er könnte den Weg für die Lösung zumindest ebnen.