AirHelp, geblitzt.de und Co. Was Online-Anwälte taugen

Verbraucherrechtsportale Quelle: Getty Images

Flug verspätet, Miete überhöht, zu Unrecht geblitzt oder gekündigt – dagegen können Verbraucher sich mit Hilfe von Spezialportalen im Internet wehren. Doch halten die Digitaljuristen ihre Werbeversprechen?

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Streikende Piloten und Flugbegleiter bei der Fluggesellschaft Ryanair haben vielen Touristen den Sommerurlaub verhagelt. Jetzt geht das juristische Nachspiel los. So schätzt das Entschädigungsportal AirHelp, dass 270.000 Passagiere von verspäteten und ausgefallenen Ryanair-Flügen betroffen waren. Sie sollen Anspruch auf Entschädigungen in Höhe von insgesamt 78 Millionen Euro haben.

Ryanair schießt kräftig zurück: „Die Behauptungen dieser teuren Ausgleichsjäger-Firma sind völlig unbegründet“, sagt ein Sprecher der Fluglinie auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Airhelp sei nur darauf aus, kostenlose Werbung für seinen teuren und unnötigen Service zu erzeugen. Die deutliche Stellungnahme zeigt, mit welch harten Bandagen auf beiden Seiten gekämpft wird.

Bei den AirHelp-Forderungen handelt es sich um eine stattliche Summe. Doch pro Passagier kommen laut dieser Rechnung im Schnitt nur rund 289 Euro zusammen, auch weil Ryanair nicht die Langstrecken mit dem maximalen Entschädigungsanspruch von 600 Euro fliegt.

Bei diesen pro Kopf überschaubaren Ansprüchen überlegen Verbraucher lieber zwei Mal, ob sie sich den Stress wirklich antun sollen, die Entschädigung einzutreiben. Schließlich gelten vor allem Billigflieger wie Ryanair als ziemlich stur und lassen es gern mal auf eine Klage ankommen. Portale wie AirHelp und viele andere versprechen Abhilfe, indem sie für die Verbraucher durch die Institutionen marschieren. Das tun sie natürlich nicht zum Nulltarif.
Auch abseits der Flugbranche treiben Spezialportale Verbraucheransprüche ein oder wehren unberechtigte Forderungen von Behörden ab. So versprechen sie Hilfe bei juristischem Ärger mit dem Vermieter, gehen gegen fehlerhafte Bußgeldbescheide vor oder klagen Abfindungen für gekündigte Arbeitnehmer ein.

Unter dem im Silicon Valley geprägten Stichwort LegalTech haben sich auch deutsche Jungunternehmen einen Namen gemacht, die auf digitale Technik setzen und daher anders als die klassische Anwaltszunft auch überschaubare juristische Ansprüche kosteneffizient eintreiben können. Für den Service zahlt der Kunde in Form eines Abschlags auf die Forderung. Klingt fair und fortschrittlich.

Doch wie zuverlässig funktionieren die Portale? „So hilfreich solche Dienstleistungen für Verbraucher auch sein können, muss man darauf achten, ob die in der Werbung versprochenen Leistungen tatsächlich zu den dort genannten Bedingungen angeboten werden“, mahnt der Rechtsanwalt Peter Breun-Goerke von der Wettbewerbszentrale. Die Einrichtung mit Sitz im Taunusstädtchen Bad Homburg verfolgt unlautere Geschäftspraktiken quer durch alle Branchen. Laut Breun-Goerke versuchen manche Legal-Tech-Dienste immer wieder, mit unvollständigen oder falschen Werbe-Informationen Kunden zu ködern.

So könnte das Unternehmen Legal Hero mit der Werbung für seine Internetseite abfindungsheld.de etwas übertrieben haben. Das Portal will Abfindungen für gekündigte Arbeitnehmer eintreiben und warb mit dem Slogan „Jetzt Abfindung ohne Kosten erhalten“. Allerdings erhält der Arbeitnehmer laut Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur 65 bis 75 Prozent des eingeklagten Anspruchs. Schließlich muss das Portal die Kosten für die beauftragten Vertragsanwälte decken und zahlt dem Arbeitnehmer den Restbetrag sofort aus. Der „Kostenlos“-Claim ist dadurch nach Auffassung der Wettbewerbszentrale irreführend.

Gründer Robin Friedlein sieht das anders. Bei dem einbehaltenen Abschlag handele es sich um keine echte Zahlung. Das Angebot richte sich vor allem an Arbeitnehmer, die ihren Abfindungsanspruch sonst gar nicht geltend gemacht hätten. Laut Friedlein sprechen Chefs vor allem gegen Arbeitnehmer mit schlechten Deutschkenntnissen schnell mal unberechtigte Kündigungen aus, weil sie nicht mit einer Klage rechnen.

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