Es kann so einfach sein, im Iran gute Geschäfte zu machen. Zumindest, wenn man wie der fränkische Gips-Riese Knauf ein Familienunternehmen mit ausgeprägter Risikobereitschaft ist. In jenen zehn Jahren, da EU, UN und USA das an Atomwaffen tüftelnde Mullah-Regime mit immer schärferen Sanktionen straften, investierte Knauf unbeeindruckt in seine drei Gipskartonfabriken und den Tagebau – mit Eigenmitteln, ohne Bundes-Deckungen. Heute ist Knauf mit 80 Prozent Marktanteil der Platzhirsch im Trockenbau.
Knauf ist aber ein Ausnahmefall. Der Iran lockt seit dem Abbau der Sanktionen im Januar tausende deutsche Mittelständler an, doch mangels Finanzierungen und Exportgarantien wagt sich keiner in den weiterhin risikoreichen Markt. Am Sonntag reist Sigmar Gabriel, Vize-Kanzler und SPD-Wirtschaftsminister, in den Iran. Dutzende Manager wird er im Schlepptau mit zu Ministern nehmen, um ihnen Türen zu diesem Wachstumsmarkt aufzustoßen. Aber zu größeren Geschäften wird es kaum kommen, solange die Banken den Iran als Hochrisiko-Markt einstufen.
Für die Europäer bleibt der Iran vorerst ein Markt der Träume. Zwischen dem Kaspischen Meer und dem Golf von Oman leben so viele Menschen wie in der Bundesrepublik, was eine starke Binnennachfrage verspricht. Als wichtiger Öl- und Gasproduzent verfügt das Land über Einnahmequellen, die schon vor den Sanktionen zu großen Teilen in den Aufbau einer leistungsfähigen Industrie geflossen sind. Nach dem fast zehnjährigen Embargo herrscht ein riesiger Investitionsbedarf – und zum Modernisieren luden die Iraner schon zu Zeiten des Schahs von Persien bevorzugt deutsche Maschinen- und Anlagenbauer ein.
Die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen
Deutsche Unternehmen verkauften 2014 Waren im Wert von 2,4 Milliarden Euro in die Islamische Republik - fast ein Drittel mehr als zuvor. Allerdings sind das immer noch zwei Milliarden Euro weniger als 2005, da der Handel aufgrund der Sanktionen stark eingeschränkt ist. In der Rangliste der wichtigsten Kunden der deutschen Wirtschaft nimmt der Iran Platz 50 ein. Größter Exportschlager sind Maschinen, gefolgt von Nahrungsmitteln und chemischen Produkten.
Deutschland bezog 2014 Waren im Wert von nicht einmal 300 Millionen Euro aus dem Iran. Knapp die Hälfte davon entfällt auf landwirtschaftliche Produkte - vor allem Safran, Kaviar, Trockenfrüchte und Frischobst. Erdöl und Erdgas wird bislang nicht im Iran eingekauft.
Derzeit sind 80 deutsche Unternehmen mit Niederlassungen in der Islamischen Republik vertreten, weitere 1000 haben Vertretungen dort. Zu den größten deutschen Firmen vor Ort gehören Henkel, Siemens und Bayer.
Der Bestand deutscher Direktinvestitionen summiert sich auf knapp 600 Millionen Euro. Mehr als doppelt so hoch sind die iranischen Direktinvestitionen in Deutschland, die bei 1,36 Milliarden Euro liegen.
Die sind verbesserungswürdig. Beim Vergleich der Weltbank "Ease of Doing Business" - bei dem die Bedingungen für Unternehmensgründungen untersucht werden - belegt der Iran Platz 118 von 189 untersuchten Ländern. Beim Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International kommt die Republik auf Platz 136 von 175 Staaten.
Fast 80 Millionen Einwohner, hochqualifizierte Arbeitnehmer, jede Menge Rohstoffe: Der Iran gilt als "schlafender Riese", der aufgrund der Sanktionen in den vergangenen Jahren wirtschaftlich großen Nachholbedarf hat. Nach dem Ende der im Zuge des Atom-Konflikts verhängten Strafmaßnahmen rechnet die deutsche Wirtschaft mit milliardenschweren Geschäften. Es folgt ein Überblick über die derzeitigen deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen.
Chancen, nichts als Chancen: Das sehen die Unternehmer, wenn sie in einer der unzähligen Delegationen in den Iran reisen. Doch Chancen konkret nutzen, das können Wettbewerber aus Asien besser. Während deutsche Unternehmen auf einer Wirtschaftskonferenz im Mai nur für ein paar Millionen Euro Absichtserklärungen unterzeichneten, brachte eine riesige Delegation aus Südkorea unter Leitung der Staatspräsidenten Verträge im Wert von 45 Milliarden Dollar unter Dach und Fach. China hat den Iran auch während der Sanktionen nie ganz verlassen; im Jahr 2012 kamen deren Unternehmen auf ein stattliches Handelsvolumen von 50 Milliarden Dollar.
Die Deutschen hingegen müssen im Iran zurück auf Los. Das hat vor allem mit der fehlenden Finanzierung zu tun: Europäische Banken weigern sich in der Regel, Handelsgeschäfte oder gar Investitionen zu finanzieren, nicht einmal simple Transaktionen wickeln sie ab. Allenfalls einige Sparkassen ohne globales Geschäft wagen sich aus der Deckung; die DZ-Bank, Nord-LB und LBBW sondieren den Markt immerhin. Im Iran ist das Bankenwesen so schwach und intransparent, dass dortige Institute nicht als Korrespondenzbanken akzeptiert werden. Und kaum wer macht sich die Mühe, sie genauer unter die Lupe zu nehmen.
Des Bankers Angst vor dem Iran-Geschäft hat aber einen trivialeren Grund: Ihnen schlottern die Knie vor den US-Behörden, die in den vergangenen Jahren europäische Größen wie BNP Paribas und Commerzbank zu Milliardenstrafen oder Vergleichen gezwungen haben – weil sie gegen ihr Sanktionsregime verstoßen haben. Da die Amerikaner immer noch Sanktionen gegen den Iran aufrechterhalten, fragen sich die Compliance-Hüter der hiesigen Banken: Würden die US-Watchdogs auch die verbleibenden Sanktionen exterritorial durchsetzen?