Joe Biden in Polen Warum der US-Präsident ausgerechnet Polen hofiert

Joe Biden bei seiner Rede in Warschau Quelle: REUTERS

Nach seiner Visite in Kiew besucht US-Präsident Joe Biden Polen. Das Land hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Partner der USA in Europa gemausert – Tendenz steigend.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Joe Biden kommt aus dem Osten. Anstatt wie ursprünglich angekündigt aus Washington einzufliegen, erreichte der US-Präsident Warschau aus der entgegengesetzten Richtung. Nach seinem historischen Besuch in Kiew will das amerikanische Staatsoberhaupt nun bei den Nato-Partnern an der Ostflanke des Bündnisses vorstellig werden und sie der Partnerschaft der Vereinigten Staaten versichern. Ganz oben auf der Liste: Polen.

Bidens Besuch findet nun zwar im Schatten der Visite in der Ukraine statt. Doch das sollte nicht davon ablenken, dass seine Reise nach Polen ebenfalls äußerst bedeutsam ist. Schließlich ist es bereits das zweite Mal innerhalb eines Jahres, dass der US-Präsident den Alliierten in Osteuropa bereist. Bereits im vergangenen März war er nach Polen gekommen, hatte unter anderem US-Truppen besucht, die nur rund 50 Meilen von der Grenze zur Ukraine entfernt stationiert waren. Damals hatte er seinen Auftritt genutzt, um den Verbündeten die Unterstützung Washingtons zu versichern. Das war auch dieses Mal seine Mission.

Gleichzeitig dürfte ihm daran gelegen sein, die Bande zwischen Washington und Warschau weiter zu stärken. Dass dies unter seiner Ägide gelingen würde, war keine Selbstverständlichkeit. Die polnische Regierung hatte enge Verbindungen zur Trump-Administration gepflegt. Zeitweise hatte der Ex-Präsident damit geliebäugelt, dauerhaft zusätzliche Truppen nach Polen zu verlegen. Von „Fort Trump“ war damals die Rede. Doch das Projekt scheiterte an den Kosten. Trotzdem plante Trump noch kurz vor seiner Abwahl, rund 10.000 amerikanische Soldaten aus Deutschland abzuziehen und nach Polen zu verlegen. Biden kehrte diese Entscheidung um. Doch Polens Standing in Washington hat das nicht geschadet.



Das hängt teilweise damit zusammen, dass Biden die Nato nach den chaotischen Trump-Jahren insgesamt wieder stärken will. Doch das allein erklärt Bidens Aufmerksamkeit gegenüber Polen nicht. Ungarn etwa, das ebenfalls hervorragende Drähte zu Trump pflegte, behandelt das Weiße Haus mit deutlich größerer Distanz. Anders als Budapest hat sich Warschau nach dem russischen Überfall auf die Ukraine als standfester und strategisch bedeutsamer Partner empfohlen – nicht nur durch seine militärische Unterstützung für Kiew, sondern auch durch seine humanitäre Hilfe. Die Aufnahme von rund 1,5 Millionen ukrainischen Flüchtlingen hat dem Land noch zusätzliche politische Bedeutung verschafft.

Polen will an militärischer Stärke gewinnen

Polens Rolle wird in Washington also gesehen – und gewürdigt. Angesichts des Krieges ist das Augenmerk der Amerikaner ohnehin zunehmend auf die osteuropäischen Nato-Partner gelenkt worden. Und Polen sticht hier schon durch seine Größe und seine militärische Stärke hervor. Diese dürfte noch zunehmen: In den kommenden zwölf Jahren will Warschau die Größe seiner Streitkräfte verdoppeln – auf 300.000 Mann. Zum Vergleich: Die derzeit größte Armee innerhalb der EU hat Frankreich mit 200.000 Mann. Der Verteidigungshaushalt, gemessen am Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr mit 2,42 Prozent bereits heute der drittgrößte innerhalb der Nato, soll auf mehr als drei Prozent steigen. In Deutschland lag er zuletzt bei 1,44 Prozent. Allein im vergangenen Jahr hat Polen in den USA und in Südkorea Waffen im Wert von rund zehn Milliarden Dollar bestellt. Bis 2035 sollen insgesamt 100 Milliarden Dollar zusätzlich in die Streitkräfte gepumpt werden.

Lesen Sie auch: Bidens Buddies – sie bauen die amerikanische Agenda 2025

Kein Wunder also, dass Biden sich mit diesem heranwachsenden Schwergewicht eng abstimmen will. Zumal angesichts der russischen Aggression auch der strategische Schwerpunkt der Nato zunehmend nach Osten wandern dürfte. Die Ostflanke sei „unglaublich bedeutend“, so Regierungssprecherin Karine Jean-Pierre noch vor Bidens Abreise. Und auch das Programm des Präsidenten unterstreicht diesen Eindruck.

Neben seiner Rede am Warschauer Schloss trifft Biden Polens Präsident Andrzej Duda und kommt mit den „Bukarest 9“ zusammen, denen neben Polen auch die Nato-Staaten Rumänien, Ungarn, Bulgarien, Tschechien, Slowakei, Litauen, Lettland und Estland angehören. Das Signal: Die USA stehen zu ihren Verbündeten in Mittel- und Osteuropa. Auch das Thema Ukraine spiel weiter eine Rolle.

Exklusive BCG-Analyse Die 10 besten Aktien der Welt

Die politische Weltlage und Sorgen vor weiter hohen Zinsen verunsichern die Börse. Das exklusive Ranking der besten Aktien der Welt – und zehn Titel, die jetzt kaufenswert sind.

Finanzielle Freiheit Von Kapitalerträgen leben – wie schaffe ich das?

Ein Leser will seinen Lebensunterhalt mit aktivem Börsenhandel bestreiten. WiWo Coach Michael Huber erklärt, worauf man bei diesem Plan achten sollte, und rechnet vor, wie viel Grundkapital dafür nötig ist.

Baustoff-Innovation Die grüne Zukunft des Klimakillers Zement

In Schleswig-Holstein läutet Weltmarktführer Holcim die Dekarbonisierung der Zementproduktion ein. Aus dem Klima-Schadstoff soll ein Zukunftsgeschäft werden.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Andere traditionelle Partner der USA müssen derweil warten. Über Deutschland etwa wird die Air Force One auch diesmal wieder nur hinwegfliegen. Ein Zwischenstopp in Berlin ist erneut nicht geplant. Einen Abstecher zur Münchner Sicherheitskonferenz, den sich manche wohl erhofft hatten, stand ohnehin nie zur Debatte. Dort war die Administration durch Vize-Präsidentin Kamala Harris bereits hochrangig vertreten. Und Präsident und Vize nehmen nie an derselben Veranstaltung im Ausland teil. Ganz müssen Alliierte wie Deutschland jedoch nicht auf Bidens Aufmerksamkeit verzichten. Anfang März trifft Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem US-Präsidenten zusammen – allerdings im Weißen Haus.

Lesen Sie auch: Das Ausrufezeichen des Joe Biden

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%