SPD-Altkanzler Schröder wirft Baerbock Provokation Russlands vor – und der Ukraine „Säbelrasseln“

Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder verteilt im Ukraine-Konflikt Ratschläge. Vermitteln will er nicht. Quelle: REUTERS

Altkanzler und Putin-Freund Gerhard Schröder teilt gegen die Bundesaußenministerin und die Ukraine aus. Die Gefahr eines Angriffs Russlands besteht weiter. Laut BND ist die Entscheidung darüber noch nicht gefallen.

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Altkanzler Gerhard Schröder hat kritisiert, dass Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vor ihrem Antrittsbesuch in Moskau die Ukraine besucht hat. In dem Podcast „Die Agenda“ nannte er das eine „kleine Provokation“ Russlands. „Ich habe mich gewundert, dass man Russland besucht und vorher in Kiew ist. Na gut, das haben die Russen wohl hingenommen“, sagte Schröder. „Ich hoffe, dass dieses Modell beim China-Besuch nicht wiederholt wird - woher auch immer dann die Reise kommt.“

Baerbock war Anfang Januar zuerst zu ihrem Antrittsbesuch nach Kiew gereist und dann von dort weiter nach Moskau, wo sie Außenminister Sergej Lawrow traf. Schröder lobte das klare Nein Baerbocks zu Waffenlieferungen an die Ukraine bei der Reise. Das sei „respektabel“ gewesen. Die ukrainische Kritik daran wies Schröder mit deutlichen Worten zurück. „Ich hoffe sehr, dass man endlich auch das Säbelrasseln in der Ukraine wirklich einstellt.“ Sie fordert unter anderem Kriegsschiffe und Luftabwehrsysteme von Deutschland.

Insgesamt, sagte der frühere SPD-Vorsitzende, könne er „keinen großen Fehler“ der Grünen-Politikerin bei der Reise erkennen, „mit Ausnahme der Tatsache, dass man die kleine Provokation, über Kiew nach Russland zu fliegen, vielleicht hätte vermeiden können“. Das sei aber „eben eine Stilfrage“.

Schröder wurde in dem Podcast-Interview mit seinem früheren Regierungssprecher Béla Anda auch gefragt, ob er angesichts seiner Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin bereit sei, in dem Ukraine-Konflikt zu vermitteln. Dafür gebe es den US-Präsidenten, den französischen Präsidenten und den Bundeskanzler, antwortete Schröder. „Da kann jemand, der durchaus über persönliche Beziehungen verfügt, aber nicht wirklich helfen. Das müssen die Verantwortlichen schon selber leisten, sonst kann das nichts werden.“

Schröder ist seit seiner Zeit als Bundeskanzler (1998 bis 2005) mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet. Außerdem hat er Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2. Er ist Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG und Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG. Beide Gasleitungen unter der Ostsee verbinden Russland und Deutschland.

Lawrow betonte nach Angaben seines Ministeriums vom Freitag in einem Telefonat mit seiner deutschen Kollegin Baerbock erneut, dass Russland eine weitere Ausdehnung der Nato und eine Stationierung von Angriffswaffen verhindern wolle. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) forderte er zu Antworten auf Moskaus Fragen über die Sicherheit in Europa auf. Ein entsprechendes Schreiben gehe noch am Freitag an die OSZE, sagte er in einem Radiointerview.

Russland fordert von der Organisation Erläuterungen zum Prinzip der „unteilbaren“ Sicherheit in Europa. Gemeint ist damit aus Sicht Moskaus, dass ein Land seine eigene Sicherheit nicht auf Kosten der Interessen eines anderen Staates festigen darf. Damit begründet Russland seinen Widerstand gegen die Aufnahme der Ukraine in die Nato, weil es das Vorrücken des Militärblocks für eine Bedrohung hält. Russland sieht sich durch eine jahrhundertelange Geschichte mit Teilen der Ukraine verbunden und kritisiert, dass die USA und die Nato das Land zu ihrem Einflussbereich erklärt hätten – ohne Rücksicht auf Moskaus Interessen.

Die Gefahr eines Angriffs Russlands auf die Ukraine besteht nach wie vor. Nach Einschätzung des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist allerdings offen, ob dies passieren werde. „Ich glaube, dass die Entscheidung über einen Angriff noch nicht gefallen ist“, sagte der Präsident des deutschen Auslandsgeheimdienstes, Bruno Kahl, der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Man müsse abwarten, ob in den angestoßenen diplomatischen Gesprächen etwas gefunden werde, was auf den Forderungskatalog des russischen Präsidenten Wladimir Putin eingehe. „Das ist angesichts seiner weitgehenden Forderungen ein ziemliches Kunststück. Wir glauben aber auch, dass er durchaus bereit wäre, seine Drohkulisse umzusetzen“, betonte Kahl mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch vor der Grenze zur Ukraine.

Im Falle einer Eskalation sei völlig unsicher, wie Russland vorgehen könne. „Die Krise kann sich in tausenden Varianten entwickeln“, sagte der BND-Präsident. „Das können hybride Maßnahmen sein, um die Regierung in Kiew zu destabilisieren. Es kann die Unterstützung von Separatisten im Osten sein, um dort die Demarkationslinie ein bisschen nach vorne zu schieben, oder die Provokation eines Regime-Change in Kiew.“ Schröder rechnet nicht mit einem russischen Einmarsch in die Ukraine. „Ich glaube das nicht. Und ich glaube auch nicht, dass die russische Führung ein Interesse daran haben kann und hat, in der Ukraine militärisch zu intervenieren.“

Die Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland finden nach Angaben der Bundesregierung unterdessen ungehindert statt. Russland erfülle die Verträge und „wir gehen fest davon aus, dass das auch so bleibt“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Natürlich stelle sich die Bundesregierung auf alle Eventualitäten ein, fügte er hinzu, wollte aber nicht ins Detail gehen.

Mehr zum Thema: Die Ampelkoalition verzichtet auf Kernkraft und Kohleverstromung – und liefert sich Gaslieferungen aus Russland aus. Die Vorratsspeicher leeren sich.

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