Türkei US-Strafzölle in Kraft, Lira unter Druck

Die türkische Lira steht zum Beginn der Woche weiter stark unter Druck. Quelle: REUTERS

Im Streit mit Ankara zieht Washington mit Strafzöllen die wirtschaftlichen Daumenschrauben an. Die türkische Regierung versucht mit einem Aktionsplan Märkte zu beruhigen, aber die Türkische Lira fällt trotzdem.

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Im Streit zwischen Washington und Ankara sind am Montagmorgen drastisch erhöhte US-Strafzölle in Kraft getreten. Seit 0.01 Uhr (US-Ostküstenzeit/6.01 MESZ) wird Stahl aus der Türkei mit Abgaben in Höhe von 50 Prozent statt bislang 25 Prozent belegt, wie das Weiße Haus zuvor verkündet hatte. US-Präsident Donald Trump hatte die Verdoppelung am Freitag angeordnet.

Die Türkische Lira geriet zu Wochenbeginn weiter stark unter Druck. Im asiatischen Handel sank der Wert der türkischen Währung am Montag im Vergleich zum Euro und zum US-Dollar zeitweise erneut zweistellig. Erstmals mussten mehr als sieben Lira für einen US-Dollar und mehr als acht Lira für einen Euro gezahlt werden. Damit setzte sich der drastische Kursverfall seit Jahresbeginn fort.

Am Wochenende hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Ton in dem Streit der beiden Nato-Partner stark verschärft. Er sprach in mehreren kämpferischen Reden von „Kampagnen“ gegen die Türkei, griff die USA erneut heftig an und forderte zudem einheimischen Unternehmen dazu auf, sich von der erschwerten Wirtschaftslage nicht beeinflussen zu lassen. Es sei nicht nur die Pflicht der Regierung, die Nation am Leben zu erhalten - „es ist auch die Pflicht der Industriellen und der Händler“, sagte Erdogan am Sonntagabend. Er warnte die Firmen davor, Bankrott anzumelden: „Wenn ihr das macht, begeht ihr einen Fehler!“ Erdogan verlangte außerdem, dass die türkischen Industriellen keine Fremdwährungen ankaufen sollten - dies könnte die türkischen Banken noch mehr unter Druck setzen.

Die türkische Regierung will mit einem Aktionsplan für die Wirtschaft die Märkte beruhigen und den Kursverfall der Lira stoppen. „Von Montagmorgen an werden unsere Institutionen die notwendigen Schritte unternehmen und dies den Märkten mitteilen“, sagte Finanzminister Berat Albayrak in einem Interview der Zeitung „Hürriyet“. Die Bankenaufsicht teilte in der Nacht zu Montag mit, die Swapgeschäfte der Banken mit ausländischen Investoren würden auf 50 Prozent ihres Eigenkapitals begrenzt. Das gelte auch für das Spot- und Termingeschäft.
Finanzminister Albayrak, der Schwiegersohn von Erdogan, sagte der „Hürriyet“, der Aktionsplan für Banken und Realwirtschaft sowie die einzelnen Maßnahmen seien vorbereitet und fertig. Sie richteten sich auch an kleine und mittlere Unternehmen, die von Währungsschwankungen am stärksten betroffen seien. Zu Details des Plans sagte Albayrak nichts. Die Schwäche der Lira nannte er einen „Angriff“.

Ähnlich hatte sich Erdogan geäußert. Am Wochenende bezeichnete er den Kursverfall der Lira als „Raketen“ in einem Wirtschaftskrieg gegen sein Land. Der Weg aus der „Währungsverschwörung“ bestehe darin, die Produktion zu steigern und die Zinsen zu senken. Erdogan hat sich selbst wiederholt als „Gegner der Zinsen“ bezeichnet und angekündigt, eine größere Kontrolle über die Geldpolitik auszuüben. Er will, dass die Banken billige Kredite vergeben und so das Wirtschaftswachstum ankurbeln. Anleger befürchten jedoch, dass es zu einer Überhitzung kommen könnte. Der Präsident hat auch mehrfach seine Landsleute aufgerufen, ihre Dollar- und Euro-Guthaben in die heimische Währung umzutauschen.

Am Sonntag bestritt Erdogan in einer Rede vor Anhängern in Trabzon am Schwarzen Meer, dass die Türkei in einer Finanzkrise wie der in Asien von zwei Jahrzehnten stecke. Der Verfall der Lira sei das Ergebnis eines Komplotts und spiegele nicht die wirtschaftlichen Fundamentaldaten des Landes wider. „Was ist der Grund für diesen Sturm im Wasserglas? Es gibt keinen wirtschaftlichen Grund dafür“, sagte Erdogan. „Das ist das, was man eine Operation gegen die Türkei nennt.“

Die Lira hat seit Jahresbeginn mehr als 45 Prozent ihres Wertes verloren. Allein am Freitag hatte sie 18 Prozent eingebüßt und war auf ein Rekordtief von 7,24 zum Dollar gefallen. Es war der größte Verlust an einem einzigen Tag seit dem Jahr 2001. Ein wesentlicher Grund dafür sind Befürchtungen, Erdogan, der seit einer Verfassungsänderung mit großer Machtfülle ausgestattet ist, könnte sich massiv in die Wirtschaft und die Währungspolitik einmischen. So wächst die Besorgnis, dass die Notenbank ihre Unabhängigkeit verliert. Zudem liegt Erdogan mit dem Nato-Partner USA bei mehreren Themen über Kreuz, darunter die unterschiedlichen Interessen im Syrien-Konflikt.

Hinzugekommen ist der Streit wegen des in der Türkei festgehaltenen US-Pastors Andrew Brunson. Türkische Ermittler werfen ihm Verbindungen zu dem in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen vor, der nach Darstellung der Regierung in Ankara hinter dem Putschversuch vor zwei Jahren steckt.

Am Freitag hatte US-Präsident Donald Trump eine Verdoppelung der Sonderzölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei angeordnet. Erdogan drohte daraufhin mit einer wirtschaftlichen und politischen Abkehr vom Westen und kündigt eine stärkere Hinwendung zu Russland, China und der Ukraine an. Die Türkei habe Alternativen, schrieb Erdogan in einem Meinungsartikel in der „New York Times“ vom Wochenende. Wenn die USA die Souveränität der Türkei nicht respektierten, könne die Partnerschaft in Gefahr geraten. Dann könne es für die Türkei nötig werden, sich „nach neuen Freunden und Verbündeten umzuschauen“.

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