US-Schuldengrenze Dieser Deal ist nur noch ein Schatten seiner selbst

Die Anhebung der US-Schuldengrenze geht in die Abstimmung. Quelle: imago images

Der Deal zwischen Joe Biden und Kevin McCarthy zur Anhebung der Schuldengrenze dürfte heute das Repräsentantenhaus ohne Probleme passieren. Warum für McCarthy dennoch unsichere Zeiten anbrechen.

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Am Vorabend der Abstimmung nahm Hakeem Jeffries der Weltwirtschaft den Grund zur Anspannung. Seine Partei werde genügend Stimmen liefern, um dem von US-Präsident Joe Biden und Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses, ausgehandelten Deal zur Anhebung der Schuldengrenze eine Mehrheit zu verschaffen, versprach der Anführer der Demokraten in der unteren Kongresskammer.

Damit steht einer Aussetzung des Kreditlimits bis 2025 nichts mehr im Weg. Auch im Senat dürfte eine Mehrheit für das Abkommen stehen, Biden wird das entsprechende Gesetz wohl am Wochenende unterschreiben können. Gerade noch rechtzeitig – denn am Montag, so hatte das Finanzministerium jüngst mitgeteilt, wäre den Vereinigten Staaten das Geld ausgegangen. Eine amerikanische Staatspleite dürfte damit – zunächst – vom Tisch sein.

Trotzdem herrscht weiter Unsicherheit in Washington, vor allem im Repräsentantenhaus. Denn ob Kevin McCarthy den Deal mit Biden politisch überleben wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Am rechten Rand der Republikaner ist man mehr als enttäuscht über das Abkommen, das der Sprecher da mit dem Weißen Haus geschlossen hat. Die ersten Abgeordneten drohen bereits offen mit einem Misstrauensantrag gegen McCarthy. Ob es dazu kommt, ist derzeit noch nicht abzusehen, doch der Manövrierspielraum für den Kalifornier ist keine sechs Monate nachdem er das Amt nach 15 Wahlgängen gerade so erobern konnte, erneut kleiner geworden.

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Die Unzufriedenheit war absehbar. Denn McCarthy konnte in den Gesprächen mit der Administration nicht viel von der Wunschliste durchsetzen, die ihm seine Parteifreunde mit auf den Weg gegeben hatten. Im April hatten die Republikaner mit knapper Mehrheit einen Gesetzesentwurf durch das Repräsentantenhaus gebracht, der unter anderem vorgesehen hätte, den nicht-verpflichtenden Teil der staatlichen Ausgaben auf das Niveau von 2022 zurückzufahren und sie über die kommende Dekade um maximal ein Prozent jährlich zu erhöhen. Auch hätte das Gesetz die jüngsten Investitionen in die Steuerbehörde IRS rückgängig gemacht, einige Sozialprogramme an Arbeitsauflagen geknüpft und Steuernachlässe für den Ausbau erneuerbarer Energien kassiert. Im Gegenzug wäre die Schuldengrenze um gerade einmal ein Jahr erhöht worden. Biden hätte sich also im Wahljahr erneut mit dem Thema befassen müssen.

Der Deal den Biden und McCarthy schließlich vereinbarten, ist nur noch ein Schatten dieser Vorlage. Die Schuldengrenze wird bis 2025 ausgesetzt, also bis nach der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr. Zwar werden die Staatsausgaben eingefroren, allerdings auf dem Niveau des aktuellen Fiskaljahres – eine Verschiebung, die angesichts der hohen Inflation in den vergangenen Monaten einen enormen Unterschied macht.

Militär- und Sozialausgaben: Treiber der US-Verschuldung ausgenommen

Militärausgaben und Sozialprogramme wie die staatliche Rentenversicherung Social Security und die staatliche Krankenversicherung für Senioren, Medicare, – also die eigentlichen Treiber der amerikanischen Verschuldung – sind von diesem Schritt ausgenommen. Zwar bekam McCarthy seine Begrenzung des Anstiegs für zusätzliche nicht-verpflichtende Ausgaben auf ein Prozent, allerdings nur für ein Jahr, nicht für zehn. Mit Blick auf die Arbeitsanforderungen für die Bezieher mancher Sozialprogramme ließ sich das Weiße Haus zwar eine temporäre Erhöhung der Altersgrenze abringen, allerdings läuft diese bereits 2030 wieder aus.

Und im Gegenzug sicherte sich Biden neue Ausnahmen – etwa für Veteranen und Obdachlose. Die Einschnitte in das Budget des IRS wurden deutlich abgesenkt, die Steueranreize für den Ausbau erneuerbaren Energien bleiben erhalten. Dafür dürfen sich die Republikaner darüber freuen, dass noch nicht ausgegebenes Geld aus einigen Covid-Hilfsprogrammen zurück in die Staatskasse fließen wird. Angesichts der ursprünglichen Wunschliste ein kleiner Erfolg.

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Die Staatsschulden, so viel ist klar, werden diese Maßnahmen nicht spürbar senken. Entsprechend ist der Frust am rechten Rand der Republikaner. Und das nicht nur in Washington. „Vor diesem Abkommen steuerte unser Land auf den Bankrott zu, und nach diesem Abkommen wird unser Land immer noch auf den Bankrott zusteuern“, schimpfte etwa Ron DeSantis, Gouverneur von Florida und frisch erklärter Präsidentschaftskandidat.

Zwar sind auch viele Demokraten von dem Deal nicht gerade begeistert, doch Jeffries erwartet dennoch, genug Stimmen liefern zu können, um das Gesetz zu verabschieden. Bei den Republikanern wiederum ist der Ärger groß. Zwar versichern McCarthys Verbündete, dass mehr als die Hälfte der Fraktion für das Abkommen stimmen werden, doch viele Abweichler kann sich der Speaker mit Blick auf seine politische Zukunft nicht erlauben. Seine Partei verfügt nur über eine hauchdünne Mehrheit von fünf Sitzen in der unteren Kongresskammer.

Misstrauensvotum: Wenige Abweichler könnten McCarthy den Job kosten

Das heißt: Bringen Abgeordnete vom rechten Rand seiner Fraktion einen Misstrauensantrag gegen ihn ein, reichen einige wenige Abweichler und er ist seinen Job los. Wie es dann weiterginge, ist eine offene Frage. Denn einen klaren Nachfolger gibt es nicht. Und bis ein neuer Sprecher gewählt ist, stünde das Repräsentantenhaus still.

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Ob es wirklich dazu kommt, ist längst nicht klar. Zwar musste McCarthy bereits mehrere entsprechende Drohungen des rechten Flügels über sich ergehen lassen, doch ob diesen tatsächlich Taten folgen, lässt sich noch nicht absehen. Oft wird sich der Speaker es sich allerdings nicht erlauben können, mit einem für seine Parteifreunde so unbefriedigenden Deal aus dem Weißen Haus zurückzukommen.

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