Die Zukunft des Liberalismus

Sechs Thesen zum Tod der FDP - und zur Rettung des Liberalismus 

Die Freiheit, die die FDP meint, ist voller Lüge und Selbstbetrug. Sie schändet das Erbe des Liberalismus, statt es behutsam der Moderne anzupassen. Viel Zeit bleibt Parteichef Christian Lindner nicht mehr.

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Christian Lindner Quelle: Laif

Es sind mal wieder keine guten Wochen für den organisierten Liberalismus in Deutschland. Die FDP flog am vergangenen Sonntag in Sachsen aus dem Parlament. Sie ist an keiner Regierung mehr beteiligt, stellt keine Bundes- und Landesminister mehr. Sie ist nicht im Bundestag vertreten, nicht in den Landtagen von Bayern und Rheinland-Pfalz, und natürlich droht sie auch nächste Woche in Thüringen und Brandenburg von der parlamentarischen Bildfläche zu verschwinden.

Entsprechend abgemeldet ist die FDP in den Medien. Oppositionelle Stimmen werden nur noch bei Gregor Gysi (Linke) und Bernd Lucke (AfD) abgefischt, auf deren Vorurteile und Ressentiments so tagesschau-täglich Verlass ist wie auf die beruhigende Unentschiedenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Kein Mensch weiß mehr, wie ein Liberaler zur Ukraine und zu Putin steht, zu Waffenlieferungen in den Irak, zur EZB-Politik oder zum Mindestlohn. Oder besser gesagt: Kein Mensch will es mehr wissen. 

Allein die Liberalen selbst sind noch mit sich beschäftigt - so sehr sogar, dass sie vor lauter Innenrummelei den Koller kriegen und sich gegenseitig verwünschen. Der FDP-Landesvorsitzende Holger Zastrow hat in Sachsen offen Wahlkampf gegen Parteichef Christian Lindner geführt, sich an die CDU gekettet statt so "unabhängig wie nie zuvor" (Lindner) zu agieren.

Zastrow zählt zu den Liberalen, die immer noch mit breiter Brust gegen den "linksgrünen Zeitgeist" der "Sozialisten" zu Felde ziehen, während Lindner seiner Partei Selbstkritik und Demut gegenüber dem Wählerwillen verordnet hat und noch dazu an einer (manche würden sagen: allzu) gründlichen Neuvermessung des Liberalismus interessiert ist. Das Problem: Lindner scheint diese Neuvermessung weder moderieren noch in ein integrativen Ergebnis münden lassen zu können.

Stattdessen streben die Flügel der Partei, Wahlniederlage für Wahlniederlage, immer weiter auseinander. Es gibt eine kleine, aber ziemlich laute Gruppe von Libertären, die das Verbot von Flat-Rate-Sex für einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Hure und die Möglichkeit des Zigarettenkonsums in Russlands Gaststätten für einen Ausdruck von Vladimir Putins Freiheitswillen halten.

Es gibt die Besitz- und Wirtschaftsliberalen aus der Guido-Westerwelle-Schule, die Lindner routinemäßig der Säuselei bezichtigen. Es gibt die Jungliberalen, die den Wettbewerb mit den Grünen auf dem Feld der Bürger- und Minderheitenrechte suchen, um die digitale Generation der Zukunft zu gewinnen. 

Und es gibt die Sozialliberalen, die am Image der FDP als Klientelpartei der (Erfolg-)Reichen leiden und der Partei mehr "soziale Kompetenz und Empathie" verordnen wollen. Eine von ihnen, die Hamburger Landeschefin und ehemalige Bundestagsabgeordnete Sylvia Canel, ist am vergangenen Montag aus der FDP ausgetreten, um mit 35 gleichgesinnten Hanseaten eine neue liberale Partei zu gründen. 

Der phänomenale Aufstieg der AfD
AfD Bundesparteitag in Erfurt Quelle: dpa
AfD im Europaparlament Quelle: dpa
AfD Zeiungsabonnements Quelle: dpa
Bernd Lucke Europaparlament Quelle: dpa
AfD Bernd Lucke Europaparlament Quelle: dpa
DMark
Frauke Petry Quelle: dpa

Wenn aber die FDP tatsächlich am Ende ist - personell ausgehöhlt, medial verachtet, institutionell marginalisiert und programmatisch zersplittert -, was wird dann aus der schönen Tradition des Liberalismus? Hat der Liberalismus, das Ideal der individuellen Freiheit, in Deutschland noch eine Zukunft? Und wenn ja: welche? Eine Antwort in sechs Thesen: 

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