




Erleichtertes Brüllen – anders lässt sich der vereinte Siegesruf der Liberalen in Berlin nach den Hochrechnungen am Sonntagabend nicht beschreiben. Mit acht Prozent in Baden-Württemberg und einem souveränen Wiedereinzug in den Landtag von Rheinland-Pfalz hat die FDP die Rückkehr aus der politischen Bedeutungslosigkeit geschafft.
Auch wenn es in Sachsen-Anhalt knapp nicht zum Einzug in den Landtag reichte, scheint das Signal der Wähler klar: Die FDP wird (wieder) gebraucht. Sie ist zwar nicht so stark wie die Alternative für Deutschland (AfD), die einen Großteil der Kritiker am Flüchtlingskurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hinter sich versammeln konnte. Aber sie bietet sich sozusagen als Alternative zur Alternative für Deutschland an.
Zu verdanken hat die FDP ihre Rückkehr aus der Bedeutungslosigkeit vor allem einem: Parteichef Christian Lindner, dem Erneuerer. Er hat es geschafft der FDP ein Gesicht zu geben, das neue Wählerschaften nicht abschreckt, das aber auch das Kernklientel wieder ansehen möchte: Jene Unternehmerverbände und Wirtschaftsliberale, die sich von der liberalen Chaostruppe in der letzten schwarz-gelben Regierung abgewendet hatten. Und noch etwas ist Lindner gelungen: Auf glaubwürdige Weise hat er der Kanzlerin in ihrem Alleingang der letzten Monate rhetorisch Paroli geboten und die FDP damit als demokratische Alternative zur AfD positioniert.





Kein Wunder, dass sich Lindner auch am Wahlabend sofort wieder an der AfD abarbeitete. Mit ihr sei eine Partei „in die Parlamente gespült worden“, die eine freie Gesellschaft ablehne, zürnte er. Und weiter: „Die Bundesregierung wird morgen Konsequenzen in der Sache ziehen und ihren Kurs überdenken müssen.“ Auch Lindner weiß, dass weder die Kanzlerin noch ihr Vizekanzler, der SPD-Chef Sigmar Gabriel das vorerst tun werden. Sein Angriff auf die Koalition dient vielmehr als Hinweis auf die Frontlinie, an der die FDP bis zu den Bundestagswahlen kämpfen wird. Man stehe für eine Politik der „Weltoffenheit und Vernunft“, betonte Lindner, und gegen die Flüchtlingspolitik der großen Koalition. Dass er mit der Krisen-Rhetorik plötzlich sehr weit rechts von der Mitte stand, nimmt Lindner dabei billigend in Kauf.
Seine Parteifreunde wollen darüber auch nicht lange sinnieren. In Gesprächen am Wahlabend ist stattdessen viel von einem Aufbruch, von einem neuen Liberalismus die Rede. Dazu gehöre der Grundsatz, den Menschen wieder mit Optimismus zu begegnen. Ihnen Lebenschancen zu geben statt Steuererleichterungen. Doch ob diese Ideen sich besser in der Regierung verwirklichen lassen oder in der Opposition, die Frage wird vertagt.
Einer Ampel-Koalition hatte die FDP in Baden-Württemberg eine Absage erteilt, in Rheinland-Pfalz ist die Lage noch unklar. Undenkbar wäre aber nicht, dass die Liberalen in beiden Bundesländern in eine Koalition ohne die Union einsteigen. So könnten sie sich von den Christdemokraten absetzen und hoffen, dass bei der Bundestagwahl enttäuschte Merkel-Wähler zur FDP überwechseln. Andererseits ist die CDU offiziell weiterhin natürlicher Bündnispartner der Liberalen.
Unsicherheit geht, wie so oft in den letzten Wochen, von der AfD aus. Sie könnte für den weiteren Erfolg der FDP wegweisend sein. Denn der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer hält die liberale Kritik an der aktuellen Flüchtlingspolitik zwar für glaubhaft. Doch je nach Ereignislage der kommenden Monate könne auch die AfD das Thema komplett beherrschen, warnt er. „Ob ihr das gelingt oder nicht, daran entscheidet sich auch die Kraft der FDP“, sagt Niedermayer.