Habeck versus Lindner Die Ampel: Alles, aber kein Bündnis

Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Bundestag. Eine funktionierende Koalition sieht anders aus. Quelle: imago images

Die Bundesregierung ist gerade alles, aber keine Koalition. Und der Krise bisher nicht ebenbürtig. Ein Kommentar.

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Der größte Unterschied zwischen Robert Habeck und Peter Altmaier? Nun, Altmaier lud selten Wirtschaftsvertreter ein – und wenn er es tat, dozierte er selbst lang und gerne darüber, was er gerade alles an tollen Ideen habe. Habeck hingegen ruft sehr regelmäßig die Verbände zum Austausch zusammen, und dann stellt er vor allem Fragen: Wenn ich dieses oder jenes täte, würde Ihnen das helfen? Vor allem aber hört er dann wohl tatsächlich zu. 

Das waren die lobenden Geschichten, die noch im Sommer über den grünen Wirtschaftsminister zu hören waren, wenn man die Großkopferten der deutschen Wirtschaft nach ihren Erfahrungen mit ihm fragte. Lang, lang ist's her. Heute klingen viele Wortmeldungen aus Industrie und Mittelstand geradezu panisch: Merken die da in Berlin gerade, was bei uns los ist? Hat die Regierung überhaupt eine Ahnung, an welcher Klippe mein Unternehmen, meine Branche, unser Standort steht? 

Nun, Olaf Scholz, Christian Lindner und Habeck wissen das natürlich. Aber sie sind bisher nicht willens oder nicht fähig genug, unter dem immensen Druck der Krise wirksame Krisenpolitik zu machen. Der Kanzler redet seit Wochen von Unterhaken, zitiert Schlachtengesänge aus Liverpool – und das Einzige, was seinem Finanz- und dem Wirtschaftsminister einfällt, sind politische Scharmützel und Sticheleien? Atomkraft gegen Schuldenbremse, das Hin und Her bei der verkorksten Gasumlage, immer weiter nachgebesserte Hilfsprogramme, dazu versprochene Energiepreisbremsen – aber wie denn jetzt? So vergehen die Tage. 

Die Ampel ist gerade nur eine sogenannte Koalition. Wir sehen eine getriebene und gehetzte Regierung, in der manche ministeriellen Apparate seit Wochen an oder über der Belastungsgrenze operieren, und die dennoch nie vor die Lage kommt. Jeder ist auf seinen eigenen politischen Geländegewinn bedacht, aufs Profilschärfen und die kommunikative Hoheit. Währenddessen bibbern die Deutschen vor dem Winter, Unternehmen fürchten um ihre Existenz, und in der Ukraine sterben Menschen.

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Die bisherige Bilanz: Hundert Milliarden Euro für die Bundeswehr. Eine Zeitenwende in der Rüstungspolitik. Bisher nochmal 95 Milliarden Euro für drei Hilfspakete – die Mittel der KfW gar nicht alle mitgerechnet. Und trotzdem herrscht bei den meisten Bürgerinnen wie Unternehmern das bittere Gefühl vor, nichts sei gewonnen, kein Knoten zerschlagen und keine Last genommen. Das muss man erstmal hinkriegen.

Kommen wir deshalb noch einmal auf Robert Habeck zurück. Der Abstieg dieses Superstars wäre als polithistorische Normalität zu verbuchen, wenn es nicht gerade um so viel gehen würde. Der Wirtschaftsminister ist seinem Vorgänger nämlich gerade dann doch ähnlicher als ihm lieb sein darf: Er allein kann die Wirtschaft kaum retten. Egal, ob es um Haushalt, Steuern, Sozialabgaben oder Bürokratie geht: Ohne Hilfe aus anderen Ressorts kann der amtierende Minister im Wirtschaftswunder-Gedächtnishaus weder Hilfen noch Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit anstoßen, die den Namen verdienen. 

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Das erklärt auch, warum Habecks Rufe in Richtung Finanzminister von Tag zu Tag lauter werden, doch endlich die Schuldenbremse zu lockern. Er allein kann es nicht leisten. Seine Aura als pragmatischer und souveräner Krisenkompass ist zerstoben. Und gemeinsam geht bisher zu wenig. Es wird Zeit, dass die Ampel in Gänze sich neu erfindet. Als Regierung, die beweisen will, dass sie diesen historischen Zeiten tatsächlich gewachsen ist.

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