Kritik an Altmaier Wo bleibt der Mittelstand?

Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister Quelle: imago images

Die industriepolitischen Vorstellungen von Wirtschaftsminister Altmaier gehen an den Bedürfnissen des Mittelstands vorbei. Der wünscht sich mehr Marktwirtschaft, niedrigere Steuern und rechtstaatliches Handeln.

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Die Fahnen von Marktwirtschaft und Mittelstand werden in der Politik hierzulande allenfalls noch bei Sonntagsreden hochgehalten. In der Bundesregierung ist es dem Wirtschaftsminister vorbehalten, die Rahmenbedingungen auch und gerade für die mittleren und kleinen Unternehmen zu verbessern und angemessene Lösungen für neue Herausforderungen zu entwickeln. In diesem Sinne hat Peter Altmaier mit seiner „Nationalen Industriestrategie 2030“ Zeichen setzen wollen. Inzwischen dürfte auch dem Minister dämmern, dass er zwar die richtigen Fragen gestellt, aber die falschen Antworten gegeben hat.

Reform: ein Schimpfwort?

Bei kritischer Betrachtung kommt man kaum an der Erkenntnis vorbei, dass die letzte maßgebliche Reforminitiative zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unter der Überschrift Agenda 2010 von der Regierung Schröder durchgesetzt worden ist. Die Nachfolgeregierungen haben diesbezüglich keinerlei Ehrgeiz mehr gezeigt. Der Begriff Reform scheint für viele Protagonisten mittlerweile zum Schimpfwort geworden zu sein. Stattdessen werden vielfältige neue Sozialprogramme aufgelegt, die Unternehmen und kommende Generationen zusätzlich belasten. Hier spiegelt sich die in den letzten Jahren forcierte Verschiebung des parteipolitischen Kräfteparallelogramms nach links wider, die sich in einer entsprechenden Klientelpolitik der GroKo-Parteien niedergeschlagen hat.

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Vor allem die SPD versucht, ihren Niedergang durch immer neue Wohltaten für ihre Wählergruppen zu stoppen. Verantwortungsbewusste Zukunftsgestaltung sieht anders aus. Vor diesem Hintergrund dürften sich die meisten mittelständischen Unternehmen wünschen, dass die große Koalition zunächst alles unterlässt, was die Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb verschlechtert, zusätzliche Kosten generiert und den zukünftigen Gestaltungsspielraum einengt.

Neue Regierungsinitiativen zur Stärkung der mittelständischen Unternehmen bleiben bisher in der Ankündigungsphase stecken. Das gilt vor allem für die von Altmaier avisierte „Charta der sozialen Marktwirtschaft“, die offenbar im parteipolitischen Treibsand versunken ist.

Der BDI moniert zu Recht das Ausbleiben einer überzeugenden Mittelstandsstrategie. Der DIHK beanstandet die Energiepolitik, die deutsche Betriebe – im Vergleich zu ihren französischen Wettbewerbern – mit doppelt so hohen Stromkosten belastet. Der Neu- und Ausbau der Netze liegt weit hinter Plan. Das gilt auch für die Entwicklung der künstlichen Intelligenz in Deutschland. Handlungsbedarf besteht ebenso bei einer Anpassung der Steuer- und Soziallasten im internationalen Vergleich.

Planwirtschaft

Anstatt diese naheliegenden Hausaufgaben konsequent anzugehen, fordert der Bundeswirtschaftsminister in seiner „Nationalen Industriestrategie 2030“ eine „aktive staatliche Flankierung“ der Industrie und die Schaffung von „deutschen Champions.“ Außerdem möchte er den Industrieanteil an der Wertschöpfung auf 25 Prozent erhöhen und bestimmte Unternehmen unter Artenschutz stellen, wenn ihr dauerhafter Erfolg „im nationalen wirtschaftlichen Interesse“ liegt. Damit stößt er erwartungsgemäß auf vereinten ordnungspolitischen Widerstand bei Wirtschaftswissenschaftlern, Großindustrie und mittelständischen Unternehmen. Die Ablehnung wurde in ungewöhnlich deutlicher Sprache mit Begriffen wie „Fehlbesetzung“, „Totalausfall“ und „Kampfansage“ kommuniziert. Der Ökonom Lars Feld spricht von einer „erschreckenden Führungs-, Subventions- und Regulierungskulisse.“ Das Programm verkörpere schlechterdings Planwirtschaft und habe mit Ludwig Erhards sozialer Marktwirtschaft nicht das Geringste zu tun. Zuspruch erfolgt dagegen bisher fast ausnahmslos und bezeichnenderweise vom Koalitionspartner SPD. Bleibt die Frage, was Altmaier zu dieser ordnungspolitisch mehr als fragwürdigen „Strategie“ veranlasst hat. Kritiker halten es für möglich, dass der studierte Jurist die Tragweite des Konzepts nicht wirklich überblickt hat. Andere sehen darin eine Art Bewerbungsschreiben für einen neuen Top-Job als EU-Kommissar in Brüssel. Bei den Nachfolgespekulationen wird schon über Friedrich Merz gemunkelt.

Reduzierung auf das Wesentliche

Bei einem Firmen-Symposium wurde jüngst der Versuch unternommen, die wichtigsten aktuellen Wünsche mittelständischer Familienunternehmen an die Politik herausfiltern. Nach längerer Diskussion wurden mit großer Mehrheit folgende drei bodenständige Prioritäten definiert:

1. Marktwirtschaft
Stärkung der marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Unterlassung kontraproduktiver Eingriffe durch die Politik im In- und Ausland.

2. Standort Deutschland
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch mit anderen Industrienationen vergleichbare Steuer- und Abgabenbelastung, bedarfsgerechtere Effizienz von Bildungssystem und Arbeitsmarkt, bürokratische Entlastung sowie forcierte Förderung von Existenzgründern und Innovationen.

3. Rechtstaat
Rückbesinnung auf die übergeordnete Verbindlichkeit des Rechts für jegliches Regierungshandeln auch und gerade in Ausnahmesituationen wie der unkontrollierten Migration, der Euro-Rettung und zukünftig nicht ausschließbaren Finanzkrisen.

Die Erwartungen der Mittelständler an die Politik halten sich offenbar in Grenzen. Man wäre mittlerweile auch für eigentlich selbstverständliches Regierungshandeln dankbar.

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